Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2024

Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2024


Liebe Leserin, lieber Leser,

es zeigt sich immer deutlicher, dass der Klimawandel auch ernst zu nehmende Auswirkungen auf unsere körperliche und seelische Gesundheit hat. Es gibt zwar noch nicht viele wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema, die bereits vorliegenden Studien deuten jedoch darauf hin, dass vor allem besonders anfällige Personengruppen (etwa Menschen mit körperlichen Vorerkrankungen) empfindlich auf den Klimawandel und die damit verbundene Überhitzung reagieren, weil ihr Körper sich nicht so leicht an die veränderten Temperaturen anpassen kann. Prof. Dr. Kneginja Richter berichtet in Ihrem Beitrag darüber.

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Die beiden Medikamente Pregabalin (z. B. Lyrica®) und Gabapentin (z. B. Neurontin®) spielen für schlafgestörte 
Menschen eine wichtige Rolle: Sie werden öfters zur Behandlung des Restless Legs Syndroms (RLS) verschrieben, 
das Betroffenen nachts durch Missempfindungen und Bewegungsdrang in den Beinen den Schlaf raubt. Auch zur Behandlung neuropathischer Schmerzen werden sie oft eingesetzt. Seit einiger Zeit liest man in den Medien jedoch immer mehr beunruhigende Berichte über gefährliche Nebenwirkungen, ja sogar Todesfälle durch Gabapentinoide. Manche Studien deuten sogar auf ein höheres Suizidrisiko unter Einnahme dieser Arzneimittel hin. Wir sprachen über die Medikamente mit dem RLS-Experten PD Dr. Cornelius Bachmann.

Viele Schlafstörungen können eine so starke Tagesschläfrigkeit verursachen, dass sie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Aber es gibt auch andere Krankheiten, bei denen man das Auto lieber stehen lassen oder zumindest vorher einen Arzt um Rat fragen sollte. Auch dazu finden Sie in dieser Schlafmagazin-Ausgabe interessante Infos.

Dr. Dagmar Norden berichtet über Diagnose und Behandlung von Bruxismus, also Zähneknirschen. Das kann harmlos sein – es kann aber auch die Zähne schädigen und ein Warnsignal für ernstzunehmende andere Erkrankungen sein. So kann eine obstruktive Schlafapnoe oder Refluxkrankheit dahinterstecken. Auch Schlafstörungen wie eine Insomnie oder ein Restless Legs Syndrom können am nächtlichen Zähneknirschen beteiligt sein. Daher ist bei der Diagnostik und Therapie eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Schlafmediziner erforderlich. Manchmal muss auch ein Allgemeinmediziner oder Facharzt zu Rate gezogen werden.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine informative Lektüre.
 

Dr. Magda Antonic


© tilixia/Pixabay

Das nächste Schlafmagazin erscheint im November.
Inhalt

6 Raubt uns der Klimawandel den Schlaf?

10 Suchtgefahr, Suizidrisiko, rätselhafte Todesfälle:
Wie gefährlich sind Pregabalin und Gabapentin?  

16 Bei welchen Schlafstörungen und sonstigen Erkrankungen darf man nicht Auto fahren?

22 Immer müde?
Auch Medikamente können schuld daran sein!    

26 Ohne gutes Timing geht es nicht:
Wie Krankheiten sich durch Chronomedizin leichter besiegen lassen    

30 Schlaf restriktion und Schlafkompression?
Kürzere Bettzeiten helfen gegen schlaflose Nächte    

32 Heulen und Zähneknirschen:
Wie wird Bruxismus diagnostiziert und behandelt?    

38 Schlafapnoe erhöht Diabetesrisiko und Leberwerte 
schon bei Kindern!    

40 Neuer Ratgeber zum Thema Schlafapnoe:
Endlich wieder leise und erholsam schlafen    

43 Schlafstörungen:
Wie Baldrian, Johanniskraut & Co. helfen können    

46 Schlafe, schlaf ein – 
vom Schlafsand und dem Sandmann    

48 Die Kolumne    

Bei welchen Schlafstörungen und sonstigen Erkrankungen darf man nicht Auto fahren?


Schlaf in Zeiten des Wandels

Marion Zerbst

Viele Schlafstörungen können eine so starke Tagesschläfrigkeit verursachen, dass sie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Aber es gibt auch andere Krankheiten, bei denen man das Auto lieber stehen lassen oder zumindest vorher einen Arzt um Rat fragen sollte.

Bei welchen Erkrankungen man nicht – oder nur bedingt – fahrtüchtig ist, diese Frage ist in Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) geregelt. Freilich können auch dort nur grobe Richtlinien gegeben werden, denn natürlich hängt die Fahrtüchtigkeit von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dabei spielt nicht nur der Schweregrad der Erkrankung, sondern auch das persönliche Befinden eine wichtige Rolle. Ein gutes Beispiel dafür ist die obstruktive Schlafapnoe: Während der eine Patient sich, obwohl er an einer schwergradigen Schlafapnoe leidet, tagsüber hundertprozentig wach und fit fühlt, hat ein anderer vielleicht schon mehrere Sekundenschlafattacken am Steuer erlebt und ist somit stark unfallgefährdet.

Jeder Verkehrsteilnehmer trägt selbst die Verantwortung für seine Fahrtüchtigkeit
Als Hauptkriterium für die Fahrtüchtigkeit von Menschen mit Schlafproblemen aller Art gilt in der Fahrerlaubnis-Verordnung die Tagesschläfrigkeit. Bei „messbarer auffälliger Tagesschläfrigkeit“ – so heißt es dort – ist die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben. Erst nach erfolgreicher Behandlung der Tagesschläfrigkeit (bzw. ihrer Ursache) darf man sich wieder ans Steuer setzen. Allerdings sind bei solchen Patienten regelmäßige ärztliche Kontrollen sinnvoll – denn natürlich kann sich die Erkrankung, die die Schläfrigkeit verursacht hat, jederzeit wieder verschlechtern.

Bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit spielen Vigilanz- und Aufmerksamkeitstests im Schlaflabor eine wichtige Rolle.

Da der Gesetzgeber die Frage nach der Fahrtüchtigkeit unmöglich bis in alle Details hinein genau regeln kann, spielt die persönliche Eigenverantwortung des Autofahrers dabei eine wichtige Rolle. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich selbstkritisch fragen, ob er auch wirklich fahrtüchtig ist – denn grundsätzlich darf man sich nur dann ans Steuer setzen, wenn man hellwach und im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten ist. 
Wer sich dessen nicht sicher ist, der sollte die Frage nach seiner Fahrtüchtigkeit von einem Schlafmediziner oder sonstigen Facharzt abklären lassen, der über eine verkehrsmedizinische Qualifikation verfügt. Denn wer sich ans Steuer setzt, obwohl er müde, schläfrig oder aus sonstigen gesundheitlichen Gründen nicht zum Autofahren in der Lage ist, macht sich strafbar! Wird man dabei von der Polizei „erwischt“ oder womöglich gar in einen Unfall verwickelt, droht nicht nur der Entzug des Führerscheins (schlimmstenfalls sogar eine Geld- oder Freiheitsstrafe), sondern daraus können sich auch sehr unangenehme versicherungsrechtliche Konsequenzen ergeben: Wenn man in nicht fahrtüchtigem Zustand einen Unfall baut und einem dabei Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann (das heißt, man wusste vor Antritt der Fahrt, dass man nicht fahrtüchtig ist), greift die Kasko-Versicherung normalerweise nicht; und auch mit der Haftpflichtversicherung kann es Schwierigkeiten geben. Das gilt natürlich auch, wenn man vor Fahrtantritt Medikamente eingenommen hat, die die Wachheit und Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Wenn Ihr Arzt der Ansicht ist, dass Sie an einer Schlafstörung oder sonstigen Erkrankung leiden, die Ihre Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, kann er ein Fahrverbot aussprechen. Grundsätzlich ist aber jeder Verkehrsteilnehmer selbst für die Einschätzung seiner Fahrtüchtigkeit verantwortlich.

Eine der wichtigsten Unfallursachen: obstruktive Schlafapnoe
Schlafapnoe-Patienten sind nachweislich häufiger an Unfällen im Straßenverkehr beteiligt als schlafgesunde Personen: Ein Viertel aller Verkehrsunfälle und ein Drittel aller tödlichen Autobahnunfälle werden durch „Sekundenschlaf“ am Steuer verursacht. Oft ist eine unbehandelte Schlafapnoe daran schuld. 
Deshalb darf ein Patient mit mittelschwerer bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe (also ab einem Apnoe-Hypopnoe-Index von 15) sich laut Fahrerlaubnis-Verordnung nicht ans Steuer setzen! Erst „unter geeigneter Therapie und wenn keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt“, ist die Fahrtüchtigkeit wieder gegeben. Allerdings sollten auch adäquat therapierte Schlafapnoe-Patienten, die mit einem KFZ am Straßenverkehr teilnehmen, sich regelmäßig ärztlich bzw. schlafmedizinisch untersuchen lassen.

Schlafapnoe-Therapien wie CPAP, Unterkieferprotrusionsschiene oder Rückenlageverhinderungs-Vorrichtung müssen konsequent jede Nacht – und zwar normalerweise die ganze Nacht über – eingesetzt werden, um einen adäquaten Therapieerfolg mit entsprechender Wachheit bei Tage zu gewährleisten. Trotzdem kann eine Schlafapnoe sich im Lauf der Jahre verschlimmern, und dann kann die Tagesschläfrigkeit trotz Therapie wiederkehren. Darüber muss der Arzt oder Schlafmediziner seinen Patienten aufklären.

Restless Legs: Auch „Zappelbeine“ können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen
Abendliche und nächtliche Unruhe in den Beinen, gepaart mit einem schier unwiderstehlichen Bewegungsdrang – unter solchen Bedingungen bleibt erholsamer Schlaf leider oft ein unerfüllbarer Wunschtraum! Patienten, die an einem Restless Legs Syndrom (kurz: RLS) leiden, brauchen tagsüber oft „Streichhölzer“, um ihre Augen offen zu halten. 
Wie ausgeprägt die Tagesschläfrigkeit bei RLS-Patienten ist, hat sich erst vor kurzem wieder in einer klinischen Studie gezeigt, die Schlafmediziner an der Universität Regensburg durchführten: 29 neu diagnostizierte Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Restless Legs Syndrom, die bis dahin noch keine Therapie erhalten hatten, wurden verschiedenen Schläfrigkeits-, Wachheits- und Aufmerksamkeitstests unterzogen, und ihre Ergebnisse wurden mit denjenigen von 31 schlafgesunden Kontrollpersonen verglichen. 
Das Ergebnis war mehr als erschreckend: Die RLS-Patienten litten nicht nur unter schlechterer Schlafqualität und stärkerer Tagesschläfrigkeit, sondern schnitten auch bei den Wachheits- und Aufmerksamkeitstests deutlich schlechter ab und hatten eine verlängerte Reaktionszeit. 
Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass bei einem RLS – je nach Schweregrad – auch die Verkehrstüchtigkeit eingeschränkt sein kann. Und da die zur Behandlung eines Restless Legs Syndroms verordneten Medikamente leider nicht immer hundertprozentig gegen die unruhigen Beine helfen (und viele dieser Arzneimittel außerdem selbst müde oder schläfrig machen), sollten RLS-Patienten sich vor jeder Autofahrt fragen, ob sie auch wirklich wach genug sind, und im Zweifelsfall lieber auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Gefährliche Stoffwechselentgleisungen: Wann kann Autofahren bei Diabetes zum Risiko werden?
Die meisten Diabetiker dürfen sich bedenkenlos ans Steuer setzen, da die Unfallhäufigkeit bei Diabetes kaum erhöht ist. In manchen Fällen ist allerdings Vorsicht geboten. 
Für einen Diabetiker mit guter Stoffwechseleinstellung ist Autofahren normalerweise kein Problem. Anders sieht die Situation aus, wenn ein Diabetes-Patient öfters Unterzuckerungen erleidet: In so einem Zustand ist man natürlich nicht mehr fahrtüchtig, denn dabei kommt es oft zu Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübungen. 
Unterzuckerungen (Hypoglykämien) treten besonders häufig bei Diabetikern auf, deren Stoffwechselerkrankung mit Insulinen, Sulfonylharnstoffen oder Gliniden behandelt wird. Vorsicht ist auch dann geboten, wenn bei einem Diabetes-Patientien eine Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung vorliegt: Viele Diabetiker bemerken ihre Unterzuckerungen nämlich gar nicht. 
Zum Glück gibt es mehrere wirksame Maßnahmen gegen das Unterzuckerungsproblem: Man kann sich zum Beispiel auf ein Antidiabetikum umstellen lassen, das mit einem geringeren Unterzuckerungsrisiko einhergeht. Sprechen Sie mit Ihrem Diabetologen darüber! Außerdem werden im Rahmen von Schulungsmaßnahmen für Diabetiker heutzutage auch Hypoglykämiewahrnehmungs-Trainings angeboten. Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (sogenannte CGM-Systeme) und automatisierte Insulindosierungs-Systeme (AID-Systeme) können das Risiko, das Hypoglykämien im Straßenverkehr darstellen, deutlich verringern. Bei einem CGM-System erfolgt der Alarm so rechtzeitig, dass der Patient es im Fall einer Unterzuckerung normalerweise noch schafft, an den Straßenrand zu fahren, bevor er zu einer Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer wird. Und bei AID-Systemen kommuniziert das kontinuierliche Glukosemesssystem mit einer Insulinpumpe: Droht eine Unterzuckerung, so fährt die Pumpe ihre Insulinabgabe automatisch zurück.
Doch auch Begleiterkrankungen eines Diabetes können die Fahrtüchtigkeit einschränken: Diabetische Nervenschädigungen (Polyneuropathien) können die Patienten beispielsweise beim Bedienen der Pedale behindern. Auch Sehstörungen oder ein diabetischer Fuß können sich negativ auf die Fahrtüchtigkeit auswirken. In solchen Fällen ist eine Untersuchung durch einen Facharzt zu empfehlen.

Neurologische Erkrankungen
Bei der Epilepsie kommt es zu Anfällen mit unkontrollierten Zuckungen und Krämpfen bis hin zum Bewusstseinsverlust. Daher darf man sich nach einem epileptischen Anfall nur dann ans Steuer setzen, wenn kein wesentliches Risiko von Rezidiven mehr besteht (also beispielsweise dann, wenn man ein Jahr lang anfallsfrei war). Dies wird im Rahmen fachneurologischer Untersuchungen beurteilt.
Menschen, die nach einem Schlaganfall unter Gehirnschädigungen leiden, sind ebenfalls oft nicht mehr fahrtüchtig. Die Auswirkungen eines Schlaganfalls können sehr unterschiedlich sein – von Lähmungen und Seh- oder Gleichgewichtsstörungen bis hin zu Gefühlsstörungen in den Extremitäten. Es muss also von Fall zu Fall entschieden werden, ob der Patient sich wieder ans Steuer setzen darf oder nicht. Daher sollte man sich nach einem Schlaganfall unbedingt einer Überprüfung der Fahreignung unterziehen, auch wenn es keine Verpflichtung gibt, den Schlaganfall der Fahrerlaubnisbehörde zu melden.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: normalerweise kein Grund, das Auto stehenzulassen
Grundsätzlich kann man sich nach einem Herzinfarkt wieder ans Steuer setzen, sofern das Allgemeinbefinden es erlaubt und nach dem Infarkt keine schwere Herzschwäche zurückgeblieben ist. Allerdings sollte man sich nach dem Infarkt lieber erst einmal eine „Erholungszeit“ von mindestens vier Wochen gönnen. Die Deutsche Herzstiftung rät, den behandelnden Arzt oder Kardiologen um Rat zu fragen, bevor man wieder am Straßenverkehr teilnimmt.
Auch bei einer Herzinsuffizienz sollte anhand einer kardiologischen Untersuchung abgeklärt werden, ob die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist oder nicht. Dies hängt vom Schweregrad der Herzschwäche ab: Bei Schweregrad NYHA 4 (Beschwerden in Ruhe) sollte man laut Fahrerlaubnis-Verordnung lieber aufs Autofahren verzichten.

Demenz und Autofahren: Es kommt auf den Schweregrad an
Im Frühstadium einer Demenz können Senioren oft noch problemlos Auto fahren. Doch mit Fortschreiten der Demenzerkrankung nimmt ihre geistige Leistungsfähigkeit immer mehr ab; Aufmerksamkeit, Konzentrations- und Urteilsvermögen lassen nach, und damit steigt natürlich auch das Unfallrisiko. Daher sollten Demenzpatienten sich regelmäßig Untersuchungen im Schlaflabor mit Fahrsimulationen und gegebenenfalls auch Fahrverhaltensbeobachtungen (also Fahrproben im Straßenverkehr) unterziehen. Beispielsweise bietet der ADAC nicht nur Beratung und Fahrsicherheitstraining, sondern auch „Fahr-Fitness-Checks“ für ältere Autofahrer an, bei denen die Fahrtüchtigkeit durch qualifizierte Fahrlehrer beurteilt wird. 
Eine beginnende Demenz lässt sich meist noch ganz gut kompensieren, indem man sich nur unter bestimmten Bedingungen ans Steuer setzt: Autofahren auf dem Land, auf gewohnten Strecken und wenig verkehrsreichen Straßen ist oft noch problemlos möglich, während man durch die hektischen Verkehrsbedingungen in einer Großstadt als Demenzpatient womöglich überfordert ist. Auch auf Nachtfahrten und Autofahrten bei Regen oder Schnee und zu Stoßzeiten sollte man bei einer leichten Demenz lieber verzichten. Lassen Sie sich hierzu bei Bedarf von einem Fahrlehrer beraten – und hören Sie auch auf Ihre Angehörigen, wenn diese Sie darauf hinweisen, dass Sie den Anforderungen einer Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr gewachsen sind! Patienten mit einer mittelschweren oder schweren Demenzerkrankung sollten auf jeden Fall aufs Autofahren verzichten.

Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sind Senioren seltener an Unfällen mit Personenschäden beteiligt als Angehörige anderer Altersgruppen – vielleicht, weil sie altersbedingte körperliche und geistige Einschränkungen durch eine vorsichtigere, defensivere Fahrweise wettmachen. Das Lebensalter allein ist also noch lange kein Grund, den Führerschein abzugeben!

Und wie steht es bei Schwerhörigkeit und mangelndem Sehvermögen?
Gehörlosigkeit oder hochgradige Schwerhörigkeit ist normalerweise kein Hinderungsgrund dafür, sich ans Steuer zu setzen – allerdings gilt das nur dann, wenn keine anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen (beispielsweise Seh- oder Gleichgewichtsstörungen) vorliegen. Um dies abzuklären, müssen schwerhörige oder gehörlose Menschen ein spezielles Gutachten von einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt erstellen lassen. 
Anders ist es bei Sehproblemen: Für eine aktive Teilnahme am Straßenverkehr ist ein gutes Sehvermögen unverzichtbar. Und gerade mit zunehmendem Alter treten vermehrt Augenerkrankungen auf, die das Sehvermögen beeinträchtigen: Beim Grauen Star (Katarakt) – einer Erkrankung, bei der sich die Augenlinse langsam eintrübt – nimmt die Sehfähigkeit allmählich ab. Erste warnende Anzeichen sind ein beeinträchtigtes Dämmerungssehen und eine erhöhte Blendempfindlichkeit, sodass Abend- und vor allem Nachtfahrten immer mehr zum Problem werden: Man wird durch entgegenkommende Fahrzeuge und die Straßenbeleuchtung geblendet – und dann kann es sehr schnell zu einem Unfall kommen. Doch da der Graue Star normalerweise sehr langsam voranschreitet, ist die Beeinträchtigung des Sehvermögens ein schleichender Prozess, der den Betroffenen oft lange Zeit nicht auffällt. 
Auch das Risiko für den Grünen Star (Glaukom) – eine Erkrankung mit zunehmender Gesichtsfeldeinschränkung und Schädigung des Sehnervs – steigt, je älter man wird. Schon die Ausfälle an den Rändern des Gesichtsfelds können die Fahrtüchtigkeit sehr stark einschränken: Womöglich nimmt der Autofahrer plötzliche Bewegungen am Blickfeldrand – zum Beispiel, wenn ein Kind auf die Straße läuft oder ein Fahrzeug aus einer Seitenstraße kommt – dann nicht mehr rechtzeitig wahr. In fortgeschritteneren Stadien können Verkehrszeichen, andere Fahrzeuge oder Fußgänger sogar vollständig aus dem Blickfeld verschwinden. Untersuchungen am Fahr-
simulator zeigen, dass Glaukompatienten ein stark erhöhtes Unfallrisiko haben. 
Doch niemand sollte aus Angst vor dem Verlust des Führerscheins den Kopf in den Sand stecken und lieber gar nicht erst zur Kontrolluntersuchung beim Augenarzt gehen: Beide Augenerkrankungen lassen sich nämlich gut behandeln. Beim Grauen Star kann die getrübte Augenlinse operativ durch eine künstliche Linse ersetzt werden; beim Grünen Star kann mit Augentropfen oder manchmal auch mit einem operativen Eingriff Abhilfe geschaffen werden.

Weitere Erkrankungen, bei denen man nicht fahrtauglich ist

  • Schwere Niereninsuffizienz mit starker Beeinträchtigung (bei Dialysebehandlung ist Autofahren erlaubt, sofern keine Komplikationen oder Begleiterkrankungen vorliegen – ebenso nach erfolgreicher Nierentransplantation mit normaler Nierenfunktion)
  • Störungen des Gleichgewichtssinns 
  • Alkoholabhängigkeit 
  • Manien und sehr schwere Depressionen
  • Herzrhythmusstörungen mit anfallsweiser Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit


Einen Überblick über Schlafstörungen und sonstige Erkrankungen, die laut Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigen können, finden Sie unter 
www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/anlage_4.html.

Weitere Quellen:

Dr. med. Sonja Klein: „DDG 2023: Diabetes im Straßenverkehr“ Gelbe Liste, 24.05.2023

Eich, AL., Ottersbach, J., Geisler, P. et al. Daytime sleepiness in patients with untreated restless legs syndrome. Somnologie 28, 149–155 (2024). 

„Mit Verantwortung mobil: ADAC Fahr-Fitness-Check“

„Augenkrankheit verdoppelt Unfallrisiko: Menschen mit Glaukom oft nicht fahrtüchtig“, Pressemeldung der DOG: www.dog.org, dort unter Presse, Stichworteingabe Straßenverkehr

„Trotz Brille: Unterhalb dieser Sehstärke ist Autofahren tabu“, dpa, 21.04.2024

Susan Reindl, Ingrid Reitenbach: „Mit welchen Krankheiten darf ich nicht Auto fahren?“, SWR aktuell, 16.6.2023

Annette Liebmann: „Zu krank zum Autofahren: Oft ist die Schwere der Erkrankung entscheidend“, Sozialverband VdK Deutschland, 8.9.2021, www.vdk.de

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. / Selbsthilfe Demenz, Informationsblatt 19: Autofahren und Demenz

Dr. med. Manuela Huetten: „Schlafapnoe und Fahrtauglichkeit: Autofahren als Risiko“, Dtsch Arztebl 2019; 116(7): [30]; DOI: 10.3238/PersPneumo. 2019.02.15.005