Liebe Leserin, lieber Leser,
Patienten, die an obstruktiver Schlafapnoe leiden, werden meistens mit einer CPAP-Therapie behandelt, bei der ihnen ein Gerät über eine Mund- oder Nasenmaske Luft in die oberen Atemwege bläst, damit diese sich während des Schlafs nicht mehr verschließen. Vielen Betroffenen ist es aber unangenehm, jede Nacht mit Gerät und Maske zu schlafen, oder sie vertragen diese Behandlung Gründen nicht. Deshalb suchen Schlafmediziner schon lange nach einer medikamentösen Therapie für das krankhafte Schnarchen – bisher leider ohne großen Erfolg.
» weiterlesenDoch nun ist ein Medikament auf den Markt gekommen, das eine neue Ära in der Schlafapnoe-Therapie einläuten könnte. Wir sprachen mit Prof. Ingo Fietze von der Charité über Risiken und Nebenwirkungen des Medikaments, aber auch über die Chancen, die es für Schlafapnoe-Patienten bedeuten könnte.
Kurz vor der Zulassung dieses innovativen Medikements in Deutschland wurden in einer medizinischen Fachzeitschrift die spektakulären Ergebnisse einer klinischen Studie beschrieben, in der es gelungen ist, Patienten einzig und allein durch eine Gewichtsreduktion und andere Lebensstiländerungen von ihrer Schlafapnoe zu befreien. Zwar erfordert eine Lebensstiländerung ziemlich viel Konsequenz vonseiten der Patienten. Doch mit dieser Umstellung der Lebensweise bekommt man nicht nur eine obstruktive Schlafapnoe, sondern auch andere übergewichtsbedingte Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme in den Griff.
Menschen, die unter schwersten Schlafstörungen leiden, brauchen professionelle Hilfe. Manchmal müssen sie vorübergehend ein Schlafmittel einnehmen; und für die schwierigsten Fälle bieten einige Schlafkliniken sogar stationäre Programme an, bei denen man unter Anleitung erfahrener Schlafmediziner und Psychotherapeuten Schritt für Schritt wieder „schlafen lernt“. Wir sprachen darüber mit Dr. Hans-Günter Weeß, dem Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums im Pfalzklinikum, Klingenmünster.
Im Februar 2021 wurde im Bundesanzeiger ein wichtiger Entscheid des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) veröffentlicht: nämlich, dass die Schienentherapie für Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe künftig zu den Kassenleistungen gehört. Das heißt, die gesetzlichen Krankenkassen müssen für Schlafapnoe-Patienten seit 2022 die Kosten für eine Unterkieferprotrusionsschiene übernehmen, während dies bis dahin lediglich aufgrund von Einzelfallentscheidungen möglich gewesen war und oft einen nervtötenden Papierkrieg für die Patienten bedeutet hatte. Sicherlich haben damals bei diesem G-BA-Beschluss viele Schlafapnoiker, für die eine CPAP-Therapie aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kam, erleichtert aufgeatmet. Doch inzwischen zeigt die Praxis leider, dass in diesem Entscheid mehrere Stolpersteine stecken, die Patienten und Ärzten das Leben unnötig schwermachen.
Eine obstruktive Schlafapnoe kann schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen, wenn sie nicht rechtzeitig und adäquat behandelt wird. Außerdem leiden viele unbehandelte Schlafapnoiker unter Tagesschläfrigkeit, die das Unfallrisiko erhöht. Der „Goldstandard“ für die Behandlung dieser schlafbezogenen Atmungsstörung ist nach wie vor die CPAP-Therapie mit Gerät und Maske. Nur leider brechen viele Patienten diese Behandlung schon nach kurzer Zeit ab. Warum ist das so, und was kann man dagegen tun? Um dieses Thema ging es in einer Podiumsdiskussion mit Experten aus den Bereichen Schlafmedizin, Selbsthilfe und Patientenversorgung, die der BSD am 19. April dieses Jahres veranstaltete.
Ich wünsche Ihnen wie immer eine informative Lektüre.
Dr. Magda Antonic
6 Endlich wieder schlank und weniger Atemaussetzer
Mounjaro® – das „Zwei Fliegen mit einer Klappe“-Medikament?
12 Viele Patienten brauchten nach diesem Programm
keine Maske mehr Ist Schlafapnoe vielleicht doch heilbar?
15 Das können Sie auch!
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18 „Heute Nacht mal wieder kein Auge zugetan …“
Was hilft bei schweren Schlafstörungen?
24 Verschreibung von Unterkieferprotrusionsschienen
bei obstruktiver Schlafapnoe:
G-BA-Entscheid erschwert vielen Patienten den Zugang zur Therapie
27 Studienaufrufe
28 Bisher größte genetische Untersuchung zum
Restless Legs Syndrom liefert wichtige Informationen für Prävention und Therapie
30 Träume besser verstehen
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34 Mehr Allergien durch nächtliche Lichteinwirkung
38 CPAP
Warum brechen so viele Patienten ihre Therapie ab,
und was kann man dagegen tun?
45 Reflux im Griff
Wie ein spezieller Lattenrost Ihre Beschwerden lindern kann
46 Mit offenen Augen schlafen – was ist da los?
48 Kolumne
49 Spendenübergabe durch die OxyCare GmbH Medical Group
anlässlich des 25-jährigen Firmenjubiläums
Marion Zerbst
Eine obstruktive Schlafapnoe kann schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen, wenn sie nicht rechtzeitig und adäquat behandelt wird. Außerdem leiden viele unbehandelte Schlafapnoiker unter Tagesschläfrigkeit, die das Unfallrisiko erhöht. Der „Goldstandard“ für die Behandlung dieser schlafbezogenen Atmungsstörung ist nach wie vor die CPAP-Therapie mit Gerät und Maske. Nur leider brechen viele Patienten diese Behandlung schon nach kurzer Zeit ab. Warum ist das so, und was kann man dagegen tun? Um dieses Thema ging es in einer Podiumsdiskussion mit Experten aus den Bereichen Schlafmedizin, Selbsthilfe und Patientenversorgung, die der BSD am 19. April dieses Jahres veranstaltete.
Die wohl erfolgversprechendste Schlafapnoe-Therapie ist die nächtliche Überdruckbeatmung mit CPAP-Gerät und Maske. Diese Behandlung muss man aber normalerweise ein Leben lang jede Nacht durchführen. Nicht jeder Patient kommt im häuslichen Alltag mit dieser Therapie klar; viele brechen sie schon nach kurzer Zeit wieder ab. Schätzungen zufolge könnte die Therapieabbruchrate bei 20 bis 30 % liegen.
Ungebremst auf ein Stauende aufgefahren? Meist steckt Sekundenschlaf dahinter!
Und eine unbehandelte Schlafapnoe kann gefährlich werden. „Studien zufolge kommen Verkehrsunfälle aufgrund von Sekundenschlaf am Steuer deutlich häufiger vor als alkoholbedingte Unfälle“, erklärt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums Pfalzklinikum (Klingenmünster) und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), der selbst mehrere solche Untersuchungen durchgeführt hat. „Viele dieser Unfälle verlaufen tödlich. Ich finde es sehr beunruhigend, dass jeder zweite LKW-Fahrer angibt, schon mindestens einmal pro Jahr einen Sekundenschlaf am Steuer erlebt zu haben. Und man kann das ja auch in den Medien verfolgen: Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass wieder irgendwo ein LKW- oder Busfahrer ungebremst auf ein Stauende aufgefahren oder im Graben gelandet ist. Solche Unfälle sind meistens auf Sekundenschlaf zurückzuführen. Sicherlich spielt da auch die Schlafapnoe eine Rolle.“
Für jeden unbehandelten Schlafapnoiker, der unter Tagesschläfrigkeit leidet, ist es riskant, sich ans Steuer zu setzen. In besonderem Maß gilt das natürlich für Berufskraftfahrer. „Solchen Patienten lassen wir stets besondere Aufmerksamkeit zukommen“, betont Diplompsychologin und Somnologin Sabine Eller, die das Schlaflabor am RBK Lungenzentrum Stuttgart leitete. „Jeden normalen Schlafapnoe-Patienten lassen wir mit der Verordnung des Geräts einfach nach Hause gehen; Berufskraftfahrer bestellen wir aber nach einer Nutzungszeit von zwei bis drei Wochen noch mal zu sogenannten Vigilanztests ein. Erst wenn wir wissen, dass der Patient nicht nur sein Gerät regelmäßig nutzt, sondern auch diese Wachheitstests positiv ausgefallen sind, schreiben wir ihn wieder gesund.“
Zum Glück sind mittlerweile auch viele Arbeitgeber für das Problem der obstruktiven Schlafapnoe sensibilisiert: „Ich bin sehr froh darüber, dass die Betriebsärzte großer Institutionen – beispielsweise der Deutschen Bahn oder der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) – die Zielgruppe der Berufskraftfahrer genau im Auge behalten. Wenn sie nicht mehr fahrtüchtig sind, weist man solchen Patienten eben andere Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs zu.“ Trotzdem empfindet Sabine Eller die hohen Therapieabbruchraten bei CPAP-Patienten als Problem: Letztendlich kann es jedem Kraftfahrer passieren, dass er auf der Autobahn nichtsahnend einem untherapierten Schlafapnoiker begegnet. Und das kann böse ausgehen; denn der Sekundenschlaf kommt meistens sehr plötzlich und unerwartet.
Ein Super-GAU für Herz und Kreislauf
Wer als Schlafapnoiker sein CPAP-Gerät in die Ecke stellt, weil er mit der Therapie nicht klarkommt, lebt also gefährlich – und das nicht nur wegen des erhöhten Unfallrisikos, sondern auch, weil eine unbehandelte obstruktive Schlafapnoe gravierende Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann. Zum Beispiel schadet sie Herz und Gefäßen: „Das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt, Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit ist im Vergleich zu Schlafgesunden deutlich höher“, betont Dr. Weeß. „Auch Stoffwechselerkrankungen wie beispielsweise Diabetes kommen bei Schlafapnoikern häufiger vor. Wir wissen aus Studien, dass vor allem Patienten mit schwerer Schlafapnoe (also mit über 30 respiratorischen Ereignissen pro Stunde Schlaf) unbehandelt eine kürzere Lebenserwartung haben. Man kann an so einem nächtlichen Atemstillstand zwar nicht ersticken – da gibt es zum Glück schon körpereigene Schutzmechanismen, die dafür sorgen, dass man rechtzeitig aufwacht und die Atmung wieder einsetzt. Doch die teilweise gravierenden Folgeerkrankungen können bei schweren schlafbezogenen Atmungsstörungen – je nach Studie – die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre verkürzen.“
Nicht zuletzt wurde in letzter Zeit wissenschaftlich dokumentiert, dass auch Psyche und Nervensystem unter einer unbehandelten Schlafapnoe leiden und dass dadurch womöglich sogar das Demenzrisiko steigt. All das sind gute Gründe für eine möglichst konsequente Therapie der nächtlichen Apnoen.
Aber warum gibt es dann trotzdem so viele Patienten, die eine CPAP-Therapie von vornherein ablehnen oder zumindest nicht lange durchhalten?
Dafür gibt es sehr viele Gründe: Maskenprobleme, Klaustrophobie, Panikattacken unter der Maske, aber natürlich auch eine gewisse Unbequemlichkeit, die diese Therapie im Alltagsleben mit sich bringt: Man muss Maske, Schlauch und Befeuchter regelmäßig reinigen; das Geräusch des Geräts stört manche Patienten beim Schlafen; auch auf Reisen ist eine CPAP-Therapie unpraktisch – und besonders sexy sieht man mit Schlauch und Maske natürlich auch nicht aus.
Schulung statt „Maskenüberfall“
Gerade deshalb ist es nach Ansicht von Psychologin Sabine Eller wichtig, die Patienten nach Erhalt der Diagnose langsam und verständnisvoll an ihre Behandlung heranzuführen – was in der Realität aber leider oft nicht geschieht: „Natürlich ist es zunächst einmal keine angenehme Vorstellung für einen Patienten, dass er jetzt für viele Jahre mit so einer Atemmaske schlafen muss“, sagt sie. „Deshalb ist sehr wichtig, den Patienten vor der Therapieeinleitung einen ausreichenden zeitlichen Rahmen zu gönnen und ihnen – so wie wir das in unserer Klinik versuchen – die Situation zunächst einmal durch Schulungen nahezubringen. Wir führen täglich ein bis zwei Schulungen durch, die auf die Erklärung der Krankheitsinhalte abzielen, aber auch die Nutzung der Maskentherapie erläutern. Und wir stellen immer wieder fest, dass die Patienten diese Zeit und diese Hilfestellung zur Verarbeitung der bevorstehenden Therapie unbedingt brauchen.“
Deshalb empfiehlt sie Patienten, bei denen Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe besteht, die teilweise doch recht langen Wartezeiten bis zur Polysomnografie für eine geistige Vorbereitung auf die Therapie zu nutzen. „Sie könnten sich in ihrem Bekanntenkreis zum Beispiel schon mal ein bisschen umhören: Kenne ich jemanden, der so eine Maske nutzt und gut damit zurechtkommt? Man kann natürlich auch im Internet recherchieren oder sich einfach nur gedanklich mit der kommenden Veränderung auseinandersetzen.“
Schon die erste Nacht spielt eine wichtige Rolle
Das sieht auch Dr. Weeß so: „Studien zeigen, dass bereits die erste Therapienacht – also die Einstellungsnacht – für die zukünftige Geräte-nutzung von entscheidender Bedeutung ist. Und oft ist es eben leider so, dass wir uns vor dieser ersten Einstellungsnacht nicht genügend Zeit nehmen – nicht nur bei der Maskenanpassung, sondern auch bei der Aufklärung des Patienten über Nutzen und Notwendigkeit der Therapie. Abends, wenn der Patient kommt, wird ihm schnell eine Maske angepasst, und er muss damit schlafen. Wenn die Werte einigermaßen stimmen, wird er am nächsten Morgen wieder entlassen – und hinterher steht er mit Maske und Gerät allein da. Aus meiner Sicht führt das sehr oft zu Therapieabbrüchen.“
Doch auch die Folgenächte spielen für die zukünftige Compliance des Patienten eine wichtige Rolle: „Wie werden Probleme, die unter der Therapie auftreten können – zum Beispiel Maskenleckagen oder Fließschnupfen – behoben? Wie ernst nehmen wir den Patienten, wie viel Zeit nehmen wir uns, um mit ihm über Probleme zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden? Manche Patienten entwickeln ja auch Ängste oder Panikattacken unter der Maske. In solchen Fällen ist es wichtig, den Patienten mit Desensibilisierungstechniken und anderen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen langsam und schrittweise an die Therapie zu gewöhnen.“
Und solche Bemühungen sind tatsächlich oft von Erfolg gekrönt: „Wir haben erst heute wieder einen Patienten entlassen, bei dem im Jahr 2010 erstmals die Diagnose einer schweren zentralen Schlafapnoe gestellt wurde. Der war in vier verschiedenen Schlaflaboren und konnte letztendlich doch nie mit der für ihn vorgesehenen Beatmungstherapie schlafen. Jetzt war er vier Nächte bei uns, und wir haben ihn mit viel psychologischem Geschick, aber auch mit professionellen Techniken immerhin so weit gebracht, dass er sich heute früh mit den Worten von uns verabschiedete: `Jetzt geht es mir gut – ich kann die Therapie nutzen und fühle mich damit wacher.´ Dieser Patient war uns unheimlich dankbar. Aber es waren insgesamt vier Schlaflabornächte und auch viel Arbeit bei Tage notwendig, um dieses Ziel zu erreichen.“
Maskenprobleme: eine wichtige Ursache für Therapieabbrüche
Viele Patienten beenden ihre Therapie, weil die Maske einfach nicht passt oder störende Leckagen auftreten – oder sie lehnen es von vornherein ab, nachts mit einer Maske zu schlafen. „Solche Leute von einer Therapie zu überzeugen, ist extrem schwer“, berichtet Sven Baumann, der als Vorsitzender des „Vereins zur Selbsthilfe Schlafapnoe/Schlafstörungen e. V. Sachsen“ viel Erfahrung mit den Nöten und Problemen von Schlafapnoe-Patienten hat. „Wir bekommen jede Woche mindestens zwei Anfragen per E-Mail oder Telefon, ob wir Hilfestellung geben können, weil die Leute mit ihrer Therapie nicht klarkommen. Zwei aus unserer Gruppe hatten Probleme mit Fließschnupfen: Morgens lief bei ihnen immer die Nase; die Gründe dafür konnten nie so richtig abgeklärt werden. Die sind von CPAP auf eine Unterkieferprotrusionsschiene umgestiegen – seitdem kommen sie besser zurecht.“
Annette Hendl leitet die Sauerstoffgruppe Mühldorf (eine Anlaufstelle für lungenkranke Patienten, die auf eine Sauerstoff-Langzeittherapie angewiesen sind) und eine Selbsthilfegruppe namens „Leben braucht Luft“ in Traunstein. Auch sie weiß aus Erfahrung, wie wichtig Praxistipps gerade bei Maskenproblemen sind: „Wir sind das Bindeglied zwischen Arzt und Patient und leisten wichtige Aufklärungsarbeit. Gerade waren wir wieder fünf Tage auf einer Messe in Nürnberg, da haben wir ganz viele Schlafapnoe-Patienten getroffen – darunter auch etliche, die überhaupt nicht mit ihrer Maske zurechtkamen. Denen konnten wir als Betroffene mit unseren Tipps sehr weiterhelfen – zum Beispiel, indem wir ihnen gesagt haben: Es gibt nicht nur Nasenmasken, Nasenolivenmasken oder Mund-Nasen-Masken, sondern wenn gar nichts funktioniert (es gibt ja Gesichter, auf die keine normale Maske passt), dann braucht man eben eine Spezialanfertigung. Wenn wir als Betroffene an die Öffentlichkeit gehen und über unsere Erfahrungen sprechen, schöpfen die Patienten wieder Mut.“
Wenn ein Patient „Läuse und Flöhe“ zugleich hat: COMISA
Doch Maskenprobleme sind nicht der einzige Grund, warum CPAP-Patienten an ihrer Therapie verzweifeln.
„Viele Patienten leiden nicht nur an krankhaftem Schnarchen, sondern gleichzeitig auch noch an einem weiteren Schlafproblem: nämlich einer Ein- und Durchschlafstörung“, erklärt Dr. Weeß. „Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge haben 20 bis 50 % aller Schlafapnoe-Patienten zusätzlich auch noch eine solche Insomnie – also einen oberflächlichen, hellhörigen Schlaf.“ Diese Kombination aus Schlafapnoe (kurz: OSA) und Insomnie bezeichnet man in der schlafmedizinischen Fachsprache als COMISA. „Solche Patienten sind in ihrem Schlaf ohnehin schon sehr leicht irritierbar; wenn die dann zusätzlich auch noch mit einer Maske schlafen müssen, verschlimmern ihre Schlafprobleme sich dadurch. Also muss man als Schlafmediziner nicht nur die Schlafapnoe, sondern gleichzeitig auch die Insomnie behandeln. Nur leider wird das oft versäumt; und dann stehen die Chancen, dass der Patient seine CPAP-Therapie fortführt, sehr schlecht.“
Die Compliance der Patienten hängt aber auch vom Therapieerfolg ab. Viele Schlafapnoe-Patienten leiden unter starker Tagesschläfrigkeit. Werden sie dann auf eine CPAP-Therapie eingestellt, so fühlen sie sich normalerweise sehr schnell wieder wacher und ausgeschlafener. Denn dadurch, dass die ständigen nächtlichen Apnoen und Weckreaktionen wegfallen, wird ihr Schlaf erholsamer.
Allerdings ist das nicht bei allen Patienten so: „Je nach Studie leiden 10 bis 50 % aller CPAP-Nutzer unter einer – zumindest teilweise – immer noch vorhandenen Rest-Tagesschläfrigkeit“, erklärt Dr. Weeß. „Das kommt daher, dass viele schlafbezogene Atmungsstörungen nicht rechtzeitig erkannt und therapiert werden, sodass die Patienten jahrelang mit einer unbehandelten Schlafapnoe leben. Während dieser Zeit wird ihr ganzer Organismus – vor allem das Gehirn – jede Nacht immer wieder mit Sauerstoff unterversorgt. Dadurch kommt es zu einer hypoxischen (durch Sauerstoffmangel entstehenden) Schädigung des Gehirns – und die kann wiederum zu einer irreversiblen Tagesschläfrigkeit führen, die selbst dann weiterhin bestehen bleibt, wenn die Schlafapnoe des Patienten irgendwann behandelt wird.“
Bei solchen Patienten ist die Motivation, ihre CPAP-Therapie konsequent zu nutzen, natürlich geringer, weil sie ihnen keinen spürbaren Vorteil bringt. Sie neigen deshalb eher dazu, ihre Therapie abzubrechen – auch dann, wenn sie an einer schweren Schlafapnoe leiden, die gefährliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen könnte, sofern sie nicht behandelt wird. Solchen Patienten kann zum Glück aber jetzt geholfen werden: „In den letzten Jahren sind verschiedene sehr wirksame Medikamente gegen Tagesschläfrigkeit auf den Markt gekommen“, erklärt Dr. Weeß. „Mit diesen neuen Arzneimitteln können wir auch diesen Patienten wieder zu mehr Wachheit und einer besseren Lebensqualität verhelfen.“
Jede Therapiestunde zählt!
Ein weiteres Problem besteht darin, dass Patienten ihr CPAP-Gerät im Durchschnitt vier Stunden pro Nacht nutzen müssen; andernfalls werden die Kosten dafür von den Krankenkassen nicht erstattet.
„Wir betreuen zurzeit zirka 8000 Patienten im Schlafbereich“, erklärt Christian Parys, Bereichsleiter Medizintechnik des Vital-Zentrums Glotz in Gerlingen, „und haben eine Quote von zirka 5 % Therapieabbrechern pro Jahr. 20 % davon sind (zumindest teilweise) auch auf die Mitwirkungspflicht des Patienten aufgrund der Vorgaben der Kassen zurückzuführen, dass alljährlich ein gewisser Zählerstand oder eine gewisse Nutzungsdauer erreicht werden muss. Da sagen uns viele Patienten: Warum muss ich jedes Jahr meinen Zählerstand vorzeigen? Das ist für die Patienten ein zusätzlicher Aufwand; und oft verzichten sie dann eben lieber auf die Therapie.“
Es gibt aber auch Schlafapnoe-Patienten, die ihr Betriebsstunden-Soll nicht erreichen, weil sie ihr Gerät aufgrund von Therapieproblemen nicht in ausreichendem Maß nutzen können. „Wenn man diesen Patienten dann ihr Gerät wegnimmt, haben sie gar keine Behandlung mehr“, kritisiert Dr. Weeß. „Vorher haben sie es wenigstens zwei bis drei Stunden pro Nacht genutzt und hatten dadurch zumindest noch einen teilweisen Therapieeffekt.“
Die Verweigerung der Kostenübernahme kann für solche Patienten von Nachteil sein; denn oft ist es für sie immer noch besser, ihr Gerät nur selten zu nutzen als gar nicht. Diese Erfahrung – dass jede Therapiestunde zählt – macht auch Sabine Eller in ihrem Schlaflabor am RBK Lungenzentrum immer wieder: „Letzte Woche wurde einer meiner COPD-Patienten, der die Heimbeatmung nicht tolerierte, auf BiPAP umgestellt“, berichtet sie. „Er nutzt diese BiPAP-Therapie zwar leider auch nur an vier Tagen pro Woche ungefähr drei Stunden lang; aber da wir ihn so engmaschig kontrollieren, sehen wir: Sein Gesundheitszustand verbessert sich trotzdem – selbst bei dieser kurzen Nutzungsdauer. Auch sein Sauerstoff hat sich (obwohl er die Sauerstofflangzeittherapie ebenfalls nur drei Stunden am Tag nutzt) allen negativen Erwartungen zum Trotz verbessert, und sein CO2 ist nicht so stark hochgegangen, wie wir befürchtet hatten. Dieser Patient hat außerdem einen AHI von 115 (er leidet also in ein paar Nächten pro Woche zusätzlich sogar noch an einer unbehandelten Schlafapnoe!) – und trotzdem haben sich seine Blutgaswerte verbessert. Wir haben heutzutage schon fantastische Therapiegeräte, die die Patienten selbst bei geringer Nutzung wenigstens noch in einem halbwegs tolerablen Zustand halten. Oft reichen schon ein paar Stunden CPAP-Nutzung aus, um aus einem Schlafapnoe-Patienten einen ganz neuen Menschen zu machen! Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen für jede Stunde, die das Gerät genutzt wird – denn jede Therapiestunde wirkt sich positiv aus.“
Nie den Mut verlieren
Außerdem plädiert sie dafür, niemals die Hoffnung aufzugeben – selbst wenn der erste CPAP-Versuch frustrierend war und in einem Therapieabbruch endete. Man soll dann eben einfach noch einen zweiten Versuch wagen: zum Beispiel in ein anderes Schlaflabor gehen oder es mit einer anderen Maske versuchen – und manchmal klappt es vielleicht auch mit einem etwas niedrigeren Therapiedruck oder einem anderen Beatmungssystem.
Das empfiehlt auch Sven Baumann unzufriedenen Patienten immer wieder. Denn natürlich kann die Qualität der medizinischen Betreuung von Schlaflabor zu Schlaflabor recht unterschiedlich sein – oder man kommt mit dem einen Schlafmediziner eben einfach besser zurecht als mit einem anderen.
Als Dachverband hat der „Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen Deutschland (BSD e.V.)“ es sich zur Aufgabe gemacht, die Schlafapnoe und andere Schlafstörungen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und sich mit Vertretern von medizinischen Fachgesellschaften, Geräteherstellern, Krankenkassen und der Gesundheitspolitik auszutauschen. Außerdem stellt der BSD seinen Mitglieds-Selbsthilfegruppen Medien zur Verfügung, die über Krankheitsbild und Therapiemöglichkeiten aufklären. Sven Baumann, der den BSD-Landesverband „Verein zur Selbsthilfe Schlafapnoe/Schlafstörungen e. V. Sachsen“ leitet, berät hilfesuchende Patienten auf verschiedenen Wegen: „Die erste Möglichkeit besteht darin, anzurufen und mit uns zu reden. Wir bieten so einem Patienten dann meistens an, beim nächsten Gruppentreffen vorbeizukommen und sich mit anderen Betroffenen zu unterhalten; dieser Erfahrungsaustausch hilft ihm oft schon sehr. Und wenn er mobil und bereit ist, auch weitere Wege in Kauf zu nehmen, empfehlen wir ihm, ein anderes Schlaflabor zu suchen. Das ist zwar nicht immer einfach, und oft muss man auch lange auf einen Termin warten; aber wenn man dranbleibt und sich nicht entmutigen lässt, klappt es schon irgendwann.“
Und wenn es beim besten Willen nicht funktioniert?
Sinnvolle Alternativen zu CPAP
Selbst wenn ein Patient die CPAP-Therapie von vornherein kategorisch ablehnt oder nach einiger Zeit feststellt, dass er damit nicht zurechtkommt, ist noch lange nicht Hopfen und Malz verloren; denn es gibt durchaus sinnvolle,
seriöse Alternativen zu Gerät und Maske.
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Patienten durch einen Wechsel der Schlafposition – also Seitenlage statt Rücken- oder Bauchlage – zumindest wieder ungefährliche Situationen erreichen können“, meint Sabine Eller. „Denn durch die Seitenlage bewirkt man eine bessere Stabilisierung des oberen Atemwegs. Und wenn dem Patienten gleichzeitig auch noch eine Gewichtsreduktion gelingt, lassen sich in Kombination mit der Seitenlage durchaus gute Erfolge verzeichnen. Mit so einfachen Ratschlägen schaffen wir es auch in unserem Schlaflabor immer wieder, Patienten, deren Gesamtsituation frustrierend ist, wenigstens ein kleines bisschen zu helfen.“
Eine zweite gute Therapiealternative sieht die Schlafmedizinerin in der Unterkieferprotrusionsschiene. „Aber auch eine Schiene muss in Rückenlage viel mehr Arbeit leisten, um den Atemweg offenzuhalten – vor allem bei fettleibigen Patienten wirkt sie nicht so gut, wenn die auf dem Rücken schlafen. Deshalb wäre auch in diesem Fall eine Kombination mit der Seitenlage erfolgversprechender.“ Hierzu bietet sich das Tragen eines „Schnarchrucksacks“ oder ein Schlafpositionstrainer an.
Wenn man all diese Möglichkeiten ausgeschöpft hat, gibt es noch eine weitere gute Option: den Zungenschrittmacher, der allerdings einen chirurgischen Eingriff erfordert und auch nicht bei allen Schlafapnoe-Patienten wirksam ist.
Das Hauptproblem: zu wenig Zeit und Geld für die Schlafmedizin
Eines der wichtigsten Probleme, an denen eine gute Betreuung von Schlafapnoe-Patienten häufig scheitert, ist der Zeitmangel. „Wenn ein Schlaflabor ambulant tätig ist, soll der Patient abends kommen und kurz vor dem Frühstück schon wieder gehen“, klagt Dr. Weeß. „In dieser kurzen Zeit kann ich wenig machen – vor allem in komplizierteren Fällen, also beispielsweise bei einem Patienten, der sich mit der Therapie schwertut. Und bei stationär abrechnenden Schlaflaboren im Krankenhaus kommt der MDK schon auf das Krankenhaus zu, wenn es einen Patienten für eine dritte Nacht dabehält! Da darf man also eine Diagnostik- und eine Therapie-nacht machen – aber dann soll der Patient bitteschön wieder nach Hause gehen. Sobald eine dritte Schlaflabornacht benötigt wird, weil der Patient sich vielleicht nur schwer an die Therapie gewöhnt, geht das schon auf Kosten des Krankenhauses, weil die Krankenkasse sich weigert, diese dritte Nacht zu bezahlen. Letztendlich sind also die Kostenträger für diese unbefriedigende Situation verantwortlich, dass wir in der Schlafmedizin immer weniger Zeit haben, um einen Patienten ausreichend und zufriedenstellend zu behandeln.“
Könnte eine telemedizinische Überwachung dieses Problem lösen?
In vielen Fällen sicherlich, denn die Mitarbeiter der schlafmedizinischen Versorgungsunternehmen könnten die Zählerstände der Geräte direkt ablesen und daraus Rückschlüsse über die Compliance der Patienten ableiten. „Aber dazu gehört dann natürlich auch eine gewisse Betreuung der Patienten, und die wäre angesichts unseres heutigen Personalmangels sehr schwer zu leisten“, gibt Christian Parys zu bedenken.
Außerdem sollte die telemedizinische Betreuung nicht nur in den Händen von Medizintechnik-Firmen liegen, sondern es sollten auch Schlafmediziner darin eingebunden sein, meint Dr. Weeß. „Die heutigen CPAP-Geräte sind ja sehr weit entwickelt und geben uns auch Rückmeldung darüber, ob es unter der Behandlung zu einer Verschlechterung der Schlafapnoe kommt und eventuell eine Therapieoptimierung notwendig wäre. Mithilfe der Telemedizin könnten wir also frühzeitig erkennen, ob die therapeutischen Parameter, auf die der Patient ursprünglich eingestellt wurde, immer noch optimal für ihn sind. Daher sollten wir Schlafmediziner auf jeden Fall an der telemedizinischen Betreuung des Patienten mitwirken, damit wir seine Therapie gegebenenfalls optimieren und – falls er sein Gerät nicht ausreichend nutzt – auch proaktiv nachfragen können, ob es Probleme gibt, die wir vielleicht gemeinsam lösen können.“
Letztendlich ist aber auch das eine Kostenfrage: Die Krankenkassen müssten bereit sein, die Kosten für diese telemedizinische Betreuung zu übernehmen. Das ist zurzeit leider nicht der Fall.
Auch Disease-Management-Programme könnten bei einer chronischen Erkrankung wie der obstruktiven Schlafapnoe, deren Therapie immer wieder Probleme mit sich bringt und viel Eigenverantwortung vonseiten des Patienten erfordert, sinnvoll sein. Solche Programme gibt es inzwischen schon für viele chronische Erkrankungen wie beispielsweise COPD oder Diabetes; und immerhin ist die Schlafapnoe mittlerweile eine echte Volkskrankheit, an der sehr viele Menschen leiden – da würde sich so etwas schon lohnen. Doch auch das ist leider nicht so einfach und wird womöglich durch finanzielle Erwägungen erschwert: „Der Vorstand der DGSM hat bereits vor ein paar Jahren für die Einrichtung eines solchen Programms geworben; wir haben die entsprechenden Behörden angeschrieben und erklärt, dass wir das für sinnvoll und notwendig halten würden“, berichtet Dr. Weeß. „Nur leider ist es so, dass die Schlafmedizin in unserem Gesundheitssystem immer ziemlich schlecht wegkommt – wir haben trotz all unserer Bemühungen einfach nicht die Lobby, die wir dazu bräuchten. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass man vonseiten der Kostenträger immer stärker versucht, die Schlafmedizin in einen ambulanten Rahmen abzudrängen und auch die Qualität ein Stück weit runterzufahren. Möglicherweise hat es aber auch etwas damit zu tun, dass es einfach sehr, sehr viele Schlafapnoe-Patienten gibt. Mit einem Disease-Management-Programm zur obstruktiven Schlafapnoe würde eine große Kostenlawine auf die Krankenkassen zukommen, die man sich vielleicht lieber vom Leibe halten möchte.“