„Schlaf – Herausforderungen der Zeit“: So lautete das Motto der 32. Jahrestagung der DGSM im November letzten Jahres. Und Herausforderungen gibt es zur Genüge: Kriege, Klimawandel, Flüchtlingskrise – all das erzeugt Angst und Unsicherheit. Wir scheinen in rasantem Tempo von einer Katastrophe in die nächste zu schlittern – und dieser Dauerkrisenmodus hinterlässt Spuren in unserer Psyche und unserem Schlaf. Bei all diesen Problemen bräuchten wir in Deutschland eine gut aufgestellte Schlafmedizin; denn Schlaf stärkt die Resilienz, sodass man Belastungen leichter standhalten kann.
» weiterlesenDoch von einer guten schlafmedizinischen Versorgung sind wir leider weit entfernt: Viele Patienten müssen lange auf Termine bei Schlafmedizinern warten, was eine frühzeitige Behandlung erschwert. Vor allem die vielen Menschen, die an Ein- oder Durchschlafstörungen leiden, finden keine ausreichenden Behandlungsangebote. Hat die deutsche Schlafmedizin im Hinblick auf die Versorgungsqualität und -dichte lange Zeit eine führende Rolle in Europa gespielt, so steht jetzt zu befürchten, dass Veränderungen wie die geplante Klinikreform und der Trend zur Ambulantisierung die bestehenden Versorgungsstrukturen in den Krankenhäusern nachhaltig beschädigen könnten. Lesen Sie mehr dazu in unserem ersten Beitrag.
Wenn wir älter werden, verändert sich unser Schlaf. Teilweise ist das völlig normal; es gibt aber auch krankhafte Veränderungen. Für ältere Menschen ist es wichtig, den Unterschied zwischen normalen und abnormalen Veränderungen zu kennen, damit sie keine übertriebenen Erwartungen an ihren Schlaf stellen, bei Bedarf aber auch nicht den Weg zum Arzt scheuen. In seinem Buch „Fallbeispiele Schlafstörungen im Alter“ erläutert der Schlaf- und Altersmediziner Prof. Helmut Frohnhofen anhand verschiedener Fallbeispiele, welche Schlafprobleme ältere Menschen besonders häufig quälen und was man dagegen tun kann. Einige seiner Erkenntnisse und Empfehlungen stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe des Schlafmagazins vor.
Viele Menschen benötigen aufgrund schwerer Atemwegserkrankungen eine Sauerstoff-Langzeittherapie und/oder nicht-invasive Beatmung (NIV). Dadurch sind sie in ihrem Alltagsleben ständigen Beeinträchtigungen unterworfen: Wer dauernd Sauerstoff braucht, der kann nicht einfach mal schnell aus dem Haus gehen, so wie gesunde Menschen das gewöhnt sind. Einkäufe, Reisen, Besuche bei Freunden – alles erfordert sorgfältige Vorausplanung. Auch die nicht-invasive Beatmung stellt für viele Patienten eine Herausforderung dar, weil sie sich dazu – ähnlich wie bei einer obstruktiven Schlafapnoe – an das Schlafen mit Gerät und Maske gewöhnen müssen. Wir sprachen mit einer Betroffenen.
Vielen Patienten, die an einem Restless Legs Syndrom leiden, geht es trotz verschiedener medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten immer noch schlecht. Denn erstens verursachen viele dieser Medikamente starke unerwünschte Nebenwirkungen; zweitens kommt es unter der wichtigsten Erstlinientherapie (Dopaminagonisten) oft zu einer Verschlimmerung der Beschwerden; und drittens helfen die Medikamente auch nicht allen Patienten. Daher warten viele RLS-Patienten sehnsüchtig auf neue Therapieoptionen. Nun wurde in den USA ein neuartiges Nervenstimulationsgerät entwickelt, das sogar Patienten hilft, deren RLS auf Medikamente schlecht anspricht. Wir sprachen mit Dr. Jonathan Charlesworth, dem Mitbegründer und Klinischen Direktor, und Ross Sylvia, dem Vertriebs- und Marketingchef der kalifornischen Firma Noctrix Health.
Ich wünsche Ihnen wie immer eine informative Lektüre.
Dr. Magda Antonic
6 Eine Krise nach der anderen:
Wie soll man da noch schlafen können?
12 Schlafstörungen im Alter: nicht immer leicht zu behandeln
20 Wenn Sauerstofftank und Maske zu ständigen Begleitern werden:
Leben mit einer schweren Atemwegserkrankung
26 Schlafmittel aus der „Apotheke der Natur“:
Finger weg von Ashwagandha!
28 Endlich Schluss mit den unruhigen Beinen?
US-amerikanische Firma entwickelt innovative Restless Legs-Therapie
32 Abendstund‘ hat UPS im Mund?
Auch bei der Unterkieferprotrusionsschiene ist Therapietreue ein Problem
36 Konnektive APAP-Therapie:
zuverlässig, sicher, flexibel
37 Wie kommt man ausgeschlafen und mental stark
durchs Leben?
42 „Wie Alice im Wunderland …“
Albträume als Frühwarnsignale von Autoimmunerkrankungen
45 Albträume: Was ist noch normal,
und wann braucht man einen Therapeuten?
46 Wer schläft, isst nicht? Manchmal schon
48 Kolumne
„Schlaf – Herausforderungen der Zeit“: So lautete das Motto der 32. Jahrestagung der DGSM im November letzten Jahres. Und Herausforderungen gibt es wirklich zur Genüge: Kriege, Klimawandel, Flüchtlingskrise – und jetzt zu allem Übel auch noch eine zerbrochene Regierungskoalition. All das erzeugt Angst und Unsicherheit. Wir scheinen in rasantem Tempo von einer Katastrophe in die nächste zu schlittern – und dieser Dauerkrisenmodus hinterlässt natürlich auch Spuren in unserer Psyche und unserem Schlaf.
Marion Zerbst
Die Probleme kommen von allen Seiten: Unser Berufsleben fordert immer flexibleres Arbeiten, auch zu ungewöhnlichen Zeiten. Gründe dafür sind unter anderem Teamarbeit über verschiedene Zeitzonen hinweg und der immer mehr um sich greifende Zwang zur 24/7-Verfügbarkeit.
Hinzu kommt die permanente Reizüberflutung: Über das Smartphone sind wir fast ständig online (viele Menschen nehmen ihr mobiles Telefon inzwischen sogar mit ins Bett); und die Informationen – meist sind es Katastrophenmeldungen – stürmen ungefiltert auf uns ein: Krieg in Europa und Nahost; Flüchtlingskrise; Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels; Inflation und eine Politik, mit der immer mehr Menschen unzufrieden sind.
Auch die Folgen der Corona-Pandemie sitzen uns immer noch „in den Knochen“: Der eine hat vielleicht eine Covid-Infektion hinter sich und spürt die Langzeitfolgen dieser Erkrankung nach wie vor; der andere hat einen Partner oder Angehörigen durch die Pandemie verloren; und vielen Menschen hat der Lockdown wirtschaftlich den Boden unter den Füßen weggezogen.
Die Konsequenzen unserer heutigen Probleme machen sich überall bemerkbar – nicht nur in unserem Klima und unserem Geldbeutel, sondern auch in Form von psychischen Problemen und gravierenden Schlafstörungen, die leider immer häufiger werden.
Doch ein Faden, der ständig bis zum Zerreißen gespannt ist, hält dieser Belastung irgendwann nicht mehr stand. Dauerstress und gestörter Schlaf haben Folgen: „Die Anzahl der Krankheitstage ist deutlich erhöht“, berichtete Kongresspräsident Prof. Georg Nilius bei der Pressekonferenz zur DGSM-Jahrestagung. „Immer mehr Menschen wählen eine Teilzeitstelle, weil sie sich den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen fühlen. Der Rückzug aus dem Ehrenamt nimmt zu.“
Schlafmedizin in Deutschland – auf dem Weg in die Krise?
Bei all diesen Problemen bräuchten wir in Deutschland gerade jetzt eine gut aufgestellte Schlafmedizin; denn Schlaf stärkt die Resilienz, sodass man Belastungen leichter standhalten kann. Doch von einer guten schlafmedizinischen Versorgung sind wir leider weit entfernt: Viele Patienten müssen lange auf Termine bei Schlafmedizinern warten, was eine frühzeitige Behandlung erschwert. Vor allem die vielen Menschen, die an Ein- oder Durchschlafstörungen (Insomnien) leiden, finden keine ausreichenden Behandlungsangebote. Hat die deutsche Schlafmedizin im Hinblick auf die Versorgungsqualität und -dichte lange Zeit eine führende Rolle in Europa gespielt, so steht jetzt zu befürchten, dass Veränderungen wie die geplante Klinikreform und der Trend zur Ambulantisierung die bestehenden Versorgungsstrukturen in den Krankenhäusern nachhaltig beschädigen könnten.
Was kann man dagegen tun?
Zum Beispiel könnte eine stärkere Sensibilisierung der Hausärzte für schlafmedizinische Probleme dazu beitragen, dass Schlafstörungen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Hierzu leistet die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) mit ihren Jahreskongressen und Fortbildungsangeboten bereits einen wichtigen Beitrag.
Überbrückung von Wartezeiten durch Telemedizin?
Ein weiterer möglicher Ausweg aus dem Versorgungsengpass wäre der Ausbau telemedizinischer Angebote, die eine schnellere Diagnose-sicherung und Therapieeinleitung ermöglichen könnten. Doch auch das scheitert bisher leider oft am allgegenwärtigen Kostendruck: „Neue Ansätze wie die Telemedizin sind zwar wissenschaftlich interessant“, meint Prof. Nilius, „eine Vergütung im Alltag existiert jedoch nicht, und daher hat sich ein breiter Einsatz in der Praxis bisher nicht etabliert.“
Gibt es denn überhaupt schon telemedizinische Angebote, die den Versorgungsalltag unterstützen?
Die Antwort auf diese Frage ist ein ermutigendes Ja. „Telemedizinische Angebote haben an Bedeutung gewonnen – auf diesem Gebiet gibt es immer mehr wissenschaftliche Nachweise für den klinischen Nutzen im Rahmen der Diagnostik und Therapienachsorge“, erklärt einer der Kongresspräsidenten, Prof. Christoph Schöbel vom Institut für Digitale Schlafmedizin in Essen. „Diese Technologien erleichtern die Diagnose von Schlafstörungen, verkürzen die Wartezeiten auf eine Behandlung und ermöglichen eine individualisierte Therapienachsorge. Telemedizin bietet somit die Möglichkeit, Patienten regelmäßig zu betreuen und Therapieerfolge besser nachzuverfolgen.“
Ältere Menschen leiden besonders häufig unter Schlafstörungen
Auch die sich verändernde Altersstruktur unserer Gesellschaft bringt Herausforderungen mit sich. Welche Schlafprobleme treten im höheren Lebensalter am häufigsten auf, und wie werden sie diagnostiziert und behandelt? Was müsste man daran verbessern?
Auf diese Frage hat Schlaf- und Altersmediziner Prof. Helmut Frohnhofen vom Universitätsklinikum Düsseldorf eine besorgniserregende Antwort: „Ältere Menschen klagen über eine Vielzahl von Schlafstörungen. Zu kurzer oder zu oft unterbrochener Nachtschlaf, Müdigkeit und Schläfrigkeit sind häufige Probleme. Der gestörte Schlaf hat zudem Einfluss auf den Alterungsprozess und geht mit einem erhöhten Sturzrisiko, abnehmender Hirnleistung bis hin zu Demenz, gedrückter Stimmung und Pflegebedürftigkeit einher. Die Diagnose erfolgt in der Geriatrie“, erklärt Prof. Frohnhofen. „Aber oft wird der Zusammenhang mit Schlafstörungen nicht gesehen. Daher sind hier noch viel Aufklärung und Weiterbildung erforderlich. Durch die Diagnose von Schlafstörungen und deren konsequente Behandlung lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Lebensqualität und die kognitive und physische Leistungsfähigkeit älterer Menschen verbessern. Schlafmedizin muss zu einem obligaten Bestandteil der Betreuung älterer Menschen werden.“
Guter Schlaf – eine Investition in die Zukunft
Doch nicht nur Ärzte sollten eigentlich noch viel mehr über den Schlaf wissen, sondern auch medizinische Laien: Allen Menschen sollte bewusst sein, wie wichtig erholsamer Schlaf für ihre Gesundheit, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit ist. Sie sollten es spüren, wenn mit ihrem Schlaf etwas nicht stimmt, und sich dann auch nicht scheuen, ärztliche Hilfe zu suchen.
Doch von dieser Wunschvorstellung sind wir bisher noch meilenweit entfernt. Das zeigt sich vor allem an der unbefriedigenden Schlafsituation von Kindern und Jugendlichen: Um erfolgreich lernen zu können, braucht man guten Schlaf. Deshalb sollten Eltern und Lehrer, vor allem aber die Jugendlichen selbst sehr viel mehr über den Schlaf wissen, um ihn besser verstehen und wertschätzen zu können!
Unser heutiges Schlafverhalten lässt in dieser Hinsicht leider eine Menge zu wünschen übrig: Jugendliche halten sich durch diverse Chatgruppen nachts gegenseitig vom Schlafen ab. Die Bildschirmstunden nehmen zu. So verschiebt sich der Zeitpunkt des Zubettgehens; die Teenager schlafen oft sehr spät und unruhig ein. Trotzdem werden sie morgens vom Wecker erbarmungslos aus dem Schlaf gerissen. Für die Jugendlichen ist es zu diesem Zeitpunkt „gefühlt“ noch mitten in der Nacht.
Viele Schüler schlafen zu kurz und häufen „Schlafschulden“ an, wie Thea Herold es nennt. Sie ist Mitbegründerin des Expertennetzwerks Schlafakademie Berlin. Sie und ihr Team leisten Aufklärungsarbeit rund um den gesunden Schlaf, seine Funktionen und Aufgaben und machen auf die Gefahren unseres 24/7-Zeitalters aufmerksam.
Gerade für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren fehlen fundierte Informationen zum Thema Schlaf in den Schulen und Lehrplänen. „Die Schüler gehen müde zur Schule und kommen müde nach Hause. Sie haben nirgends gelernt, wie gut es sich anfühlt, zur Erholung am Tage für wenige Minuten ein Nickerchen zu machen, um Schlafdruck abzubauen“, erklärt Thea Herold. „Körperliche Regeneration, Zellerneuerung, Wachstum, geistige und psychische Erholung – all das findet im Schlaf statt. Auch Jugendliche brauchen ein Bewusstsein für den Wert dieser Abläufe, die nur während des Schlafes stattfinden und entscheidend für ihre körperliche und geistige Entwicklung sind. Dieses Bewusstsein vermittelt ihnen aber niemand.“
Schlaf als Lernhilfe
Wir speichern das, was wir lernen, im Schlaf ab; weniger wichtige Dinge vergessen wir. Der Schlaf hilft uns also dabei, genau das zu lernen, was wir brauchen. Deshalb brauchen auch und gerade Jugendliche einen ausreichend langen und tiefen Schlaf.
Der Schlafaufklärung für Jugendliche fehlt aber leider noch immer der Rückhalt – möglicherweise auch deshalb, weil das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) des Bundesgesundheitsministeriums dem Schlaf noch nicht den angemessenen Platz einräumt: „Seine extrem wichtige Rolle als Quelle stabiler Gesundheit bildet das aktuelle Präventionsgesetz noch nicht wirklich ab“, meint Thea Herold. „Die Schlafakademie Berlin arbeitet dafür, dass auch aus dem bislang noch stummen Bereich ,Schlafaufklärung für Kinder und Jugendliche‘ ein klar umrissenes Präventionsthema gemacht wird, das genauso selbstverständlich für sich steht wie gesunde Ernährung und Bewegung bei Kindern.“ Denn die Zeit drängt: „In den Wartezimmern der Schlaflabore werden die Patienten immer jünger. Junge Menschen kommen schon als Insomniker in die Sprechstunden von Schlafmedizinern. Diesen Teufelskreis können wir nur durch mehr Schlafaufklärung in jungen Jahren durchbrechen“, fordert Herold.
Praktisch wäre das durch die Schlafexperten umsetzbar, die es schon heute bundesweit in der Präventionsarbeit gibt. Deren Seminare könnten in den Unterricht integriert werden und so Aufklärungsarbeit leisten. Die Finanzierung könnte über die Bildungsministerien der einzelnen Bundesländer laufen.
Die Bedeutung des Schlafs wird nicht genügend gewürdigt
Als eigentliche Hürde steht dem aber leider auch die fehlende Wertschätzung des Themas Schlaf in der Öffentlichkeit und bei den politischen Entscheidungsträgern im Weg. Einer der besten Beweise dafür ist der immer noch flächendeckend zu frühe Schulbeginn, vor allem in den höheren Klassen. Prüfungen zu Uhrzeiten, zu denen die Prüflinge noch gar nicht leistungsfähig sind, aber auch die noch immer skeptische, abwertende Einstellung zum Thema „Powernapping“ in unserer Gesellschaft – all das zeigt, welch geringen Stellenwert der Schlaf im Bewusstsein unserer Gesellschaft nach wie vor einnimmt.
Jugendlichen sollte bewusst werden, wie wichtig Schlaf ist. Ein erster Schritt dazu könnte darin bestehen, in den Schulen so früh wie möglich mit der Aufklärung über die gesundheitsfördernde Wirkung des Schlafes bei Jugendlichen zu beginnen. „Das ist mein Schlaf – ich kenne meinen Chronotyp – sich auszuschlafen ist cool. Das sollten die Schülerinnen und Schüler aufgeklärt und selbstbewusst sagen können!“, erhofft sich Thea Herold. Auch der Power Nap ist gerade in unserer 24/7-Gesellschaft ein ganz besonders kraftspendender Vorschuss auf den nächtlichen Schlaf.
Schnarchen: ein Warnsignal, das leider nicht ernst genug genommen wird
Das Thema Schnarchen wird in der Öffentlichkeit oft belächelt; man scherzt oder stöhnt (wenn man selbst einen schnarchenden Bettpartner hat) vielleicht über das nächtliche Sägewerk, nimmt es aber nicht weiter ernst und zieht allenfalls aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus.
Wirklich lustig ist Schnarchen jedoch in den meisten Fällen nicht. „Schnarchen kann zu einer Gesundheitsgefahr werden“, erklärt Dr. Winfried Hohenhorst, Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Essen und Spezialist für konventionelle und operative Behandlungsmöglichkeiten bei schlafbezogenen Atmungsstörungen. Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß er, dass sich aus einem lästigen Schnarchen mit der Zeit oft eine Schlafapnoe entwickelt.
Bei einer Apnoe verengen sich die oberen Atemwege, die Luftzufuhr zur Lunge wird unterbrochen, und es kommt zu Atemaussetzern. Das Gehirn sendet dann ein Aufwachsignal (Arousal), damit der Patient im Schlaf nicht erstickt. Unentdeckt und unbehandelt kann eine Schlafapnoe zu schwerwiegenden Gesundheitsschäden wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck und Depressionen führen. Neuesten Untersuchungen zufolge erhöht sie auch das Demenzrisiko.
Ist mein Schnarchen gefährlich?
Daher sollte man dem Schnarchen unbedingt mehr Beachtung schenken, rät Dr. Hohenhorst, denn: „Wenn Schnarchen sich verstärkt, kann sich auch vor der Entstehung einer eigentlichen Schlafapnoe schon eine Atemflussstörung entwickeln, bei der zu wenig eingeatmet wird. Man kann und sollte also prophylaktisch versuchen, sein Schnarchen nicht krankhaft werden zu lassen.“
Dies gelingt z. B. durch Gewichtsreduktion und den Verzicht auf Rauchen und Alkohol. Überhaupt ist es ratsam, Warnsignale, die auf eine drohende Schlafapnoe hindeuten, auch schon in jüngeren Jahren ernst zu nehmen, denn mit zunehmendem Lebensalter wird das Schnarchen immer schlimmer und kann dann irgendwann krankhafte Formen annehmen. Grundsätzlich gilt: Ist der Nachtschlaf nicht erholsam oder der Bettpartner gestört, sollte man ärztlichen Rat suchen. Das Schlafapnoe-Syndrom ist sehr gut behandelbar; die größte Gefahr besteht darin, dass es unentdeckt bleibt.
Jahrelanges Schnarchen ist gefährlich
Erste Hinweise darauf, ob Schnarchen krankhaft oder einfach nur lästig ist, liefern z. B. Apps. „Dieses Screening kann ich empfehlen“, betont Dr. Hohenhorst. „Die KI-gestützten Anwendungen analysieren die Intensität des Schnarchens von harmlos bis kritisch, sodass man schon einen Hinweis darauf erhält, ob man das ärztlich abklären lassen sollte. Es gibt sogar eine App, die Rückschlüsse auf den anatomischen Geräuschgenerator zulässt, also die Entstehung des Schnarchens ergründet.“
Wichtig ist es, neben dem eigentlichen Schnarcher auch den Bettpartner im Blick zu haben! „Bei ihm besteht die Gefahr, eine Schlafstörung zu entwickeln, denn der Schlaf ist definitiv nicht erholsam, wenn man neben einem Partner schläft, dessen Geräuschkulisse an den Lärm einer Bahnstrecke heranreicht. Dieses Thema und seine psychosozialen Folgen werden völlig vernachlässigt“, warnt Hohenhorst. Nicht selten entwickeln die Partner von starken Schnarchern oder unbehandelten Schlafapnoikern mit der Zeit selbst Ein- und Durchschlafstörungen.
Wie kann man das vermeiden? „Es gar nicht so weit kommen lassen!“, rät Dr. Hohenhorst. „Krankhaftes Schnarchen klingt häufig anders als lästiges Schnarchen – und es stört auch deutlich mehr. Es ist lauter und unrhythmischer. Beobachten Sie das Schnarchverhalten und reagieren Sie gegebenenfalls rechtzeitig. Sonst sind am Ende womöglich zwei Menschen krank.“
Schlafapnoe-Behandlung kann Demenzrisiko minimieren
Schon seit längerem weiß man, dass der Schlaf für die Gedächtnisbildung eine wichtige Rolle spielt. Eine aktuelle Untersuchung der Universität Kiel hat gezeigt, dass bestimmte Merkmale des Schlafs, die für diese Gedächtnisbildung wahrscheinlich wichtig sind, bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit verändert sind. Darüber hinaus gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass der Schlaf von Demenzpatienten auch schon vor Beginn der Krankheit gestört ist und Schlafstörungen ein Risikofaktor für die Entstehung einer Alzheimer-Demenz sind. Das gilt vor allem für das Schlafapnoe-Syndrom: Wer davon betroffen ist, hat einer großen Studie zufolge statistisch gesehen ein ungefähr 1,6-fach höheres Risiko, an Demenz zu erkranken. Man weiß, dass Menschen mit Alzheimer-Demenz unter bestimmten Schlafstörungen leiden; z. B. ist ihr Schlaf kürzer und zerstückelter. Aber dass man durch eine präventive Behandlung der Schlafapnoe das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, wahrscheinlich minimieren kann, ist eine wichtige und noch weitgehend unbekannte Tatsache.
Warum gestörter Schlaf das Demenzrisiko erhöht, weiß man noch nicht genau. Bei gesunden Schläfern erweitern sich nachts die Zwischenräume zwischen den Nervenzellen im Gehirn; dann können Giftstoffe ausgeschwemmt werden. Bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit spielen schädliche Eiweißstoffe (beta-Amyloide) eine wichtige Rolle. Wissenschaftler vermuten, dass diese nicht mehr so gut ausgeschwemmt werden können, wenn der Schlaf gestört ist.
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Demenzform; immer mehr Menschen erkranken daran. „Es gibt viele Risikofaktoren dafür; auch die Genetik spielt eine Rolle. Der Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und Demenz ist ein Argument mehr, diese Schlaferkrankung in jedem Alter zu behandeln und somit auch das Risiko für eine Demenz weiter zu minimieren“, betont Prof. Robert Göder vom Zentrum für Integrative Psychiatrie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der dazu auf dem DGSM-Kongress einen Vortrag mit dem Titel „Alzheimer-Demenz: Zusammenhänge zwischen Gedächtnisverminderungen und Schlafveränderungen“ hielt. Er rät jedem Schlafapnoe-Patienten zu einer Behandlung, denn man sollte alles in seiner Macht Stehende tun, um das Risiko für eine schwerwiegende Erkrankung wie die Alzheimer-Demenz zu vermindern. Prof. Göder macht jedoch auch deutlich, dass nicht jeder Schlafapnoe-Patient eine Demenz entwickeln wird. „Aber wer sich bestmöglich vor Demenz schützen möchte, der sollte eine diagnostizierte Schlafapnoe als zusätzlichen Risikofaktor in jedem Fall therapieren lassen“, rät er.
Auch Kinder sind gefährdet
Nicht vergessen sollte man auch die Risiken, die von Schnarchen und Schlafapnoe bei Kindern ausgehen. Schon bei gewohnheitsmäßigem Schnarchen (ohne Schlafapnoe) ist der Schlaf bei Kindern oft so stark gestört, dass sie Verhaltensauffälligkeiten entwickeln und in ihren schulischen Leistungen nachlassen. „Ein dauerhaft schnarchendes Kind ist nicht gesund; da sollten die Eltern unbedingt ärztlichen Rat suchen“, warnt Dr. Hohenhorst. Im Gegensatz zum Erwachsenen können über 80 % der Kinder durch eine Polypen-OP oder Verkleinerung der Mandeln von ihrer schlafbezogenen Atmungsstörung befreit werden.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer
Zum Glück ist die schlafmedizinische Diagnostik in den Hausarztpraxen inzwischen schon ein bisschen besser geworden: Die Abklärung von schlafbezogenen Atmungsstörungen im Rahmen des hausärztlichen Check-ups kann abgerechnet werden und wird von den Ärzten somit auch vermehrt durchgeführt.
Quellen:
Pressemitteilungen der DGSM zu Themen der Jahrestagung
https://dgsm-kongress.de/allgemeine-informationen/presse
Online-Pressekonferenz zur DGSM-Jahrestagung vom Montag, 11. November 2024