Aktuelles Heft

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2024


Liebe Leserin, lieber Leser,

auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im Dezember 2023 in Berlin wurden viele sehr interessante Themen behandelt. In dieser Ausgabe des Schlafmagazins geben wir Ihnen eine Übersicht und werden in den nächsten Ausgaben über das eine oder andere Thema ausführlich berichten.
Ein Thema haben wir uns bereits jetzt herausgepickt, das wir ausführlich darstellen: den Schlaf der Tiere. Dr. Florian Sicks vom Zoo Berlin hielt den Festvortrag des Kongresses und stellte darin ungewöhnliche Schlafverhalten der Tiere vor. Hier können Sie den Vortrag nachlesen.

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Eine obstruktive Schlafapnoe kann viele Folgeerkrankungen verursachen: Beispielsweise steigt dadurch das Risiko für Typ-2-Diabetes, Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzschwäche. Weniger bekannt ist, dass das krankhafte Schnarchen auch den Augen schaden kann: Wie neuere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, erkranken Schlafapnoiker besonders häufig an bestimmten Formen eines Glaukoms. Wir informieren Sie darüber.
Wenn ein übergewichtiger Mensch tagsüber dauernd müde und abgeschlagen ist, denkt man vielleicht zuallererst an eine obstruktive Schlafapnoe. Es gibt aber auch noch eine andere nächtliche Atmungsstörung, die ähnliche Tagessymptome verursacht, obwohl sie ganz andere Ursachen hat: das Obesitas-Hypoventilationssyndrom. Dieses Syndrom kann leicht mit einer obstruktiven Schlafapnoe verwechselt werden, ist aber ein völlig anderes Krankheitsbild und wird auch anders behandelt. Wir sprachen mit dem Kardiologen und Privatdozenten Dr. Henrik Fox vom Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen (Ruhr-Universität Bochum) über diese häufig missverstandene Erkrankung.

Die innere Uhr tickt bei jedem Menschen etwas anders. Deshalb springen die einen morgens fröhlich aus dem Bett, wenn der Wecker schellt, während andere um diese Zeit noch hundemüde sind und erst spätabends zur Hochform auflaufen. Unsere innere Uhr bestimmt aber nicht nur, ob wir Abend- oder Morgenmenschen sind, sondern auch, um welche Tageszeit wir Sport treiben sollten oder wann bestimmte Medikamente besonders gut wirken. Deshalb ist es so wichtig, genau über diese individuell so unterschiedlich tickenden Uhren Bescheid zu wissen. Ein neuer Speicheltest kann unseren zirkadianen Rhythmus genau bestimmen und viele für unsere Gesundheit wichtige Fragen beantworten.
 

Dr. Magda Antonic


© reddish/Shutterstock

Das nächste Schlafmagazin erscheint im Mai.
Inhalt

6 Wie Tiere schlafen – 
und was wir daraus lernen können  

12 Klimawandel, Corona, Lichtverschmutzung und Sparwut im Gesundheitswesen:
Schlaf in Zeiten des Wandels

20 Schlafapnoe und Glaukom:
Wie krankhaftes Schnarchen den Augen schadet  

25 Schienentherapie bei obstruktiver Schlafapnoe: 
seit 2022 Kassenleistung    

26 Erhöhte Suizidgefahr:
Behandlung von Schlafstörungen kann Leben retten     

30 Endlich neue Beweise:
CPAP senkt Herz-Kreislauf-Risiko!     

 

31 Neueste Erkenntnisse:
Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen –
ein verhängnisvoller Teufelskreis     

34 Kaum bekannt, aber gar nicht so selten:
das Obesitas-Hypoventilationssyndrom     

38 Neuer Speicheltest zur Bestimmung 
unserer inneren Uhr:
Kann „TimeTeller“ die Behandlung 
von Krankheiten revolutionieren?     

42 Macht und Müdigkeit: 
Politik – ein Leben auf der Überholspur     

46 Besser schlafen mit der Schlafbrille?   

48 Die Kolumne    

Klimawandel, Corona, Lichtverschmutzung und Sparwut im Gesundheitswesen:


Schlaf in Zeiten des Wandels

Marion Zerbst

Nicht nur unsere ganze Welt – auch die Schlafmedizin befindet sich zurzeit in einem gewaltigen Umbruch. Sparzwänge im Gesundheitswesen, Klimawandel, Corona-Pandemie, zunehmende Lärmbelastung und Lichtverschmutzung vor allem in den Großstädten – all diese Veränderungen machen auch vor unserem Schlaf nicht Halt. Sie stellen die Schlafmedizin vor enorme Herausforderungen, können aber auch eine Chance sein. Daher stand die 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im Dezember letzten Jahres in Berlin unter dem Motto „Schlaf in Zeiten des Wandels“.

Die Digitalisierung in unserem Gesundheitswesen schreitet immer weiter fort – auch in der Schlafmedizin. Und die bringt dafür genau die richtigen Voraussetzungen mit: „Die Schlafmedizin eignet sich besonders gut für eine Digitalisierung, weil in Fitnesstrackern, Wearables und Smartphones heute oft schon eine Schlafaufzeichnung integriert ist“, erklärte Schlafforscher Prof. Dr. Thomas Penzel von der Charité Universitätsmedizin Berlin bei der Pressekonferenz des DGSM-Kongresses. „Außer Schritte zählen wird auch der Schlaf aufgezeichnet und ausgewertet. Manche dieser Apps sind ziemlich gut und validiert; bei anderen wirken die Werte eher so, als wären sie durch Würfeln zustande gekommen. Wir als Fachgesellschaft sind natürlich daran interessiert, auch in diesem Bereich Qualitätskriterien einzuführen und diese Daten – wenn möglich – mit einer medizinischen Diagnose und medizinischem Know-how zusammenzuführen. Das ist bis jetzt leider noch nicht passiert. Auch das ist ein wichtiges Thema unseres Kongresses.“

Apps auf Rezept – leider noch viel zu selten verschrieben
Im Bereich der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ist die Schlafmedizin dagegen zum Glück schon recht weit. Es existieren bereits zwei schlafmedizinische DiGAs: „Diese Apps dienen der Behandlung der Insomnie (Ein- und Durchschlafstörungen), und man kann sie sich als Patient vom niedergelassenen Arzt oder Schlafmediziner verschreiben lassen.“1 
Seit knapp drei Jahren gibt es sie nun schon, diese Apps auf Rezept; doch damit sie auch wirklich zu den Patienten gelangen, für die sie geeignet sind, bedarf es noch einiger Aufklärungsarbeit.  
Bei digitalen Gesundheitsanwendungen muss der medizinische Nutzen durch randomisiert-kontrollierte Studien eindeutig nachgewiesen werden, damit sie über das Gesundheitssystem verschrieben und erstattet werden können. Nach Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis können dann die real erfassten Daten Aufschluss darüber geben, wie die digitalen Anwendungen in der Patientenversorgung aufgenommen werden. Eine solche Anwendungsbeobachtung führte eine Studiengruppe um Schlafforscherin Dr. Leonie Maurer durch. Sie untersuchte die Daten von 5000 Personen, die eine solche App zur Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen genutzt haben, und kam zum Ergebnis, dass sich die Insomnie von 57 % der Nutzer nach der Anwendung deutlich verbessert hat – mit positiven Auswirkungen auch auf das Tagesbefinden. 38 % der Anwender hatten danach sogar überhaupt keine Schlafprobleme mehr. 
Umso erstaunlicher ist es, dass digitale Gesundheitsanwendungen immer noch sehr selten verschrieben werden – insbesondere von Hausärzten. „Wir sehen, dass der Bedarf nach einer nicht-medikamentösen Behandlung vonseiten der Patienten besteht. Daher ist es uns ein großes Anliegen, auch weiterhin Aufklärungsarbeit zu betreiben und die Hausärzte, bei denen Patienten mit Schlafstörungen vorstellig werden, von der Wirksamkeit digitaler Möglichkeiten zu überzeugen“, erklärt Dr. Maurer.

Digitale Schlafberatung für Schichtarbeiter und bei der Bundeswehr 
Aber auch spezielle Berufsgruppen brauchen dringend eine Schlafberatung, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Und da es immer noch viel zu wenig Ärzte und Psychotherapeuten gibt, die die nötige Qualifikation und Erfahrung dafür mitbringen, wurden inzwischen auch hierfür schon etliche gute digitale Lösungen entwickelt.
20 % aller Schichtarbeiter haben gravierende Schlafstörungen. Damit gehört diese Berufsgruppe zu den am häufigsten von Schlafproblemen betroffenen Arbeitnehmern. Daher ist es für Prof. Dr. Kneginja Richter (Chefärztin der CuraMed-Tagesklinik Nürnberg und Sprecherin des Wissenschaftlichen Komitees der DGSM) erstaunlich, dass die meisten Unternehmen den Schlaf bei ihren Gesundheitsvorsorgemaßnahmen vergessen: „Arbeitgeber sollten frühzeitig schlaffördernde Maßnahmen anbieten, da ihren Mitarbeitern sonst ernsthafte und langfristige Erkrankungen drohen.“ 
Der Schlaf am Tag ist kürzer und weniger erholsam als der Nachtschlaf. Bei Schichtarbeitenden stellt sich also zwangsläufig ein Schlafdefizit ein. „Das ist nichts anderes, als wäre man dauernd unterernährt“, erklärt Prof. Richter. Dem mit Präventionsangeboten vorzubeugen, sollte oberstes Ziel sein. Und wenn sie bereits unter Schlafstörungen leiden, haben Schichtarbeiter die Möglichkeit, eine DiGA zur Schlafberatung in Kombination mit vertiefenden Workshops zu nutzen. „Arbeitgeber sollten diese Angebote auch finanziell unterstützen, genau wie Sportkurse und Ernährungsberatungen“, fordert Kneginja Richter. Sie hat in Nürnberg eine zertifizierte Weiterbildung zum Schlafberater online für Mitarbeiter von Unternehmen und Institutionen etabliert, die dann direkt mit den Angestellten arbeiten können. „Diese Weiterbildung ist noch einmalig, aber es wäre sehr sinnvoll, sie zu erweitern“, so die Professorin.  
Die Bundeswehr geht hier mit gutem Beispiel voran und misst erholsamem Schlaf als Baustein für die psychische Fitness eine große Bedeutung bei. Seit 2023 bietet sie allen Mitarbeitern ein Online-Schlafcoaching als Präventivkurs an. „trainSLEEP“ wurde im Auftrag des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr vom Kompetenzzentrum Schlafmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin entwickelt und begleitend in einer Studie wissenschaftlich evaluiert. Fazit: Digitale Gesundheitsanwendungen können wertvolle alternative Behandlungsformen sein, sobald genügend Vertrauen (sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten) dazu existiert.

Kostendruck als Chance
Eine weitere große Herausforderung für unser Gesundheitssystem ist die geplante Krankenhausreform, in deren Rahmen es ja zu einer zunehmenden Ambulantisierung und eventuell auch zu einer Abnahme von Krankenhausbetten kommen dürfte; es wird also eine Kostenverschiebung vom stationären zum ambulanten Sektor stattfinden. „Auch das ist für die Schlafmedizin wichtig, denn wir haben viele schlafmedizinische Ambulanzen und ambulante Schlaflabore“, erklärt Prof. Thomas Penzel. „Zurzeit wird in der Schlafmedizin überlegt, inwieweit man eine Schlafmessung (also eine Polysomnografie mit allen Elektroden) auch zu Hause durchführen kann.“ So könnte die Ambulantisierung für viele Patienten auch eine Chance sein, denn eine Schlafuntersuchung in den eigenen vier Wänden – ohne ein- bis zweitägigen Aufenthalt im Schlaflabor – ist natürlich nicht nur wesentlich angenehmer, sondern auch zeitsparend. „Das ist ein sehr spannendes Thema, bei dem die Schlafmedizin eng mit Ingenieuren zusammenarbeitet.“ Freilich geht das nicht in allen Fällen: „Wir müssen genau hinschauen, wer von unseren Patienten noch an zusätzlichen Krankheiten wie beispielsweise einer COPD oder neurologischen Erkrankungen leidet. Diese Patienten mit Komorbiditäten brauchen natürlich nach wie vor eine Untersuchung im Schlaflabor.“

Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch 
Auch das Thema „Big Data und künstliche Intelligenz“ spielte bei dem Kongress eine sehr wichtige Rolle: „Wenn wir Schlafaufzeichnungen machen, entstehen dabei ja unglaublich viele Daten (zum Beispiel über Gehirnaktivität, Atmung, Herzschlag), die nicht nur im Hinblick auf Schlafstörungen von Bedeutung sind, sondern aus denen wir auch vieles über allgemeinere Fragestellungen lernen können: Wie funktioniert Schlaf? Wie können wir ihn verbessern? Das ist ein ganz großes Thema, in dem sich auch wieder die Vernetzung unserer Fachgesellschaft mit Ingenieuren und Psychologen zeigt.“ Zu diesem Thema stellten auf dem Kongress verschiedene Firmen aus der medizintechnischen Industrie neueste Daten vor.

Schlafmedizinische Versorgung in Gefahr
Insgesamt allerdings wird die schlafmedizinische Versorgung eher schlechter. „Die größte Herausforderung ist der wachsende Bedarf an schlafmedizinischer Expertise bei schwindenden Ressourcen“, erklärte Prof. Dr. Ingo Fietze, Ko-Präsident des Kongresses und Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Universitätsmedizin Berlin, in einem Vortrag. „Wir brauchen Exzellenzzentren an Universitäten und in Krankenhäusern, mehr Schlaflabore und viel mehr Schlafpraxen. Die Telemedizin wird teilweise helfen, dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden.“ Sie muss aber auch vergütet werden – und genau da hapert es zurzeit oft noch. 
Hinzu kommt, dass unser Schlaf immer schlechter wird. Auch das ist zu einem großen Teil den rasanten Veränderungen geschuldet, mit denen unser modernes Leben uns konfrontiert.

Keine rosigen Zukunftsaussichten: 

Wir schlafen immer kürzer und schlechter
Die modernen Technologien werden die Schlafforschung und Schlafmedizin ein ganzes Stück weiterbringen, daran besteht kein Zweifel. Leider zeigen sie uns aber auch einen anderen, eher negativen Trend: Unsere Schlafdauer nimmt von Jahr zu Jahr ab. 
„Es wird ja immer moderner, dass man seinen Schlaf trackt – das funktioniert mittlerweile mit allen möglichen Smartphones. Die Firma Samsung hat sich mal die Mühe gemacht und diese Schlaftrack-Ergebnisse ausgewertet“, berichtete Prof. Fietze. „In den letzten zwei Jahren hat die Anzahl der User von Schlaf-Apps um 182 % zugenommen. Da laufen ja eine Menge Schlafdaten in einer Wolke zusammen. Diese Daten hat sich Samsung vorgenommen und über eine Zeitdauer von zwei Jahren 716 Millionen Nächte ausgewertet – mit erschreckendem Ergebnis: Innerhalb dieser zwei Jahre hat die Schlafzeit der Menschen um vier Minuten abgenommen. Wenn das jedes Jahr so weitergeht, wird unser Schlaf immer kürzer.“ 
Genauer gesagt, hat sich die durchschnittliche Schlafzeit der Menschen in diesen 716 Millionen Nächten von sieben Stunden und drei Minuten auf sechs Stunden und 59 Minuten verkürzt. „Und als allgemeiner Richtwert heißt es ja in der Schlafmedizin: Die gesunde Schlafmenge liegt bei zirka acht Stunden – sieben sollte man sich mindestens gönnen, acht wären schon ideal. Somit liegen wir mit den von Samsung errechneten sechs Stunden und 59 Minuten also weltweit schon unter der Sieben-Stunden-Grenze.“ 
Es gab bei dieser Untersuchung aber auch noch ein zweites wichtiges Ergebnis, und zwar im Hinblick auf die Frage: Warum hat die Schlafdauer abgenommen? Das liegt nicht etwa daran, dass die Menschen weltweit später ins Bett gehen oder früher aufstehen, sondern ist auf eine Zunahme der nächtlichen Wachliegezeiten zurückzuführen: „Bei den Millionen Nächten, die von Nutzern eines Samsung-Smartphones weltweit ausgewertet wurden, hat die Wachzeit im Schlaf innerhalb von zwei Jahren zugenommen“, rechnet Prof. Fietze vor. Und das bedeutet: Unser Schlaf wird nicht nur kürzer, sondern auch schlechter.

Kriege, Kriminalität, Klima und Corona rauben uns den Schlaf
Welches sind die Hauptfaktoren, die unsere Schlafdauer verkürzen? Damit sind wir wieder beim Thema „Schlaf in Zeiten des Wandels“: An erster Stelle steht hier nämlich der Stress. Das ist natürlich ein sehr allgemeiner Begriff – denn wer hat heutzutage keinen Stress? 
Aber zum Glück gibt es auch konkretere Erkenntnisse. „Dazu möchte ich Ihnen Daten einer in den USA erhobenen Umfrage vorstellen, denn dort werden die meisten populärwissenschaftlichen Umfragen zum Thema Schlaf durchgeführt: Stressfaktor Nr. 1, der den Menschen in den USA den Schlaf raubt (und das lässt sich sicherlich auch auf Europa übertragen), ist die Inflation, also finanzielle Sorgen. Stressfaktor Nr. 2 sind die Kriege auf dieser Welt, Stressfaktor Nr. 3 ist die Kriminalität im eigenen Land, Stressfaktor Nr. 4 das Klima und Stressfaktor Nr. 5 die Bedrohung durch Covid. Und gerade diese Probleme werden ja leider nicht weniger; sie haben in den letzten drei, vier Jahren eher zugenommen.“ 
Dieser ständige psychische Stress, diese permanente latente Bedrohung verursacht Schlafstörungen. Aber auch die demografische Veränderung unserer Gesellschaft leistet einen Beitrag zur Verschlechterung unseres Schlafs: Unsere Gesellschaft altert immer mehr; und viele Schlafprobleme und schlafbezogene Erkrankungen – zum Beispiel das Restless Legs Syndrom und die obstruktive Schlafapnoe – werden mit zunehmendem Alter häufiger. Außerdem neigen wir im Alter stärker zu Übergewicht (einem wichtigen Schlafapnoe-Risikofaktor) und zu Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie beispielsweise Diabetes, die sich ebenfalls negativ auf den Schlaf auswirken. Somit hat die Schlafmedizin mit immer mehr Ursachen für einen schlechter werdenden Schlaf zu kämpfen.

Schlaflos durch Klimawandel?
Auch unser heutiger Klimawandel ist ein nicht zu unterschätzender Schlafkiller. Zwei wesentliche Auswirkungen des Klimawandels beeinflussen unseren Schlaf: zum einen der Temperaturanstieg bei gleichzeitiger Zunahme der Luftfeuchtigkeit und zum anderen die zunehmende Sonnenscheindauer. 
Die Sommerhitze hat vielen Menschen auch früher schon die Nächte zur Qual gemacht – und das wird nun immer schlimmer: „Der menschliche Organismus kann bei 30 Grad Außentemperatur und 29 Grad Schlafzimmertemperatur nicht mehr gut schlafen – dabei nimmt die Schlafqualität ab“, warnt Prof. Fietze.
Dass die Tage und Nächte wärmer werden, kann vor allem deshalb problematisch für den Schlaf sein, weil unsere Körperkerntemperatur nachts absinken muss, damit wir ein besseres Müdigkeitsgefühl entwickeln und einschlafen können. Wenn die Außentemperatur und/oder die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, können wir aber kaum Körperwärme an die Umgebung abgeben, und die Körperkerntemperatur kann nicht abnehmen. Ein verzögertes Einschlafen mit entsprechend kürzerer Schlafdauer ist die Folge. 
Und dazu gibt es tatsächlich schon konkrete Zahlen – auch diesmal wieder aus den USA: „Vor sieben Jahren war jeder fünfte schlechte Nachtschlaf im Monat durch Hitze bedingt. Im Jahr 2050 werden es bereits 40 bis 50 % der Nächte pro Monat sein – also zirka 13, 14 Nächte im Monat werden wir in Zukunft schon allein deshalb schlecht schlafen, weil die Temperatur einfach zu hoch ist.“ 
Andererseits muss immer mehr Energie gespart werden, die Strompreise steigen – also wird es künftig auch immer weniger Menschen geben, die sich eine Klimaanlage im Schlafzimmer leisten können. 
Doch auch die zunehmende Sonnenscheindauer ist als klimawandelbedingter Schlafstörer nicht zu unterschätzen. Da der hohe Blauanteil des Sonnenlichts der wichtigste Zeitgeber für die Synchronisation unserer inneren Uhr mit dem äußeren Hell-dunkel-Wechsel ist, wird unsere Schlaf-wach-Rhythmik sich dadurch verschlechtern. 
„Insgesamt sind die Folgen der globalen Klimaveränderung derzeit nur schwer abschätzbar; betroffen werden aber vor allem Menschen mit einer gewissen Labilität der Schlaf-wach-Rhythmik oder einer besonderen Veranlagung zu schlechtem Schlaf sein“, meint Schlafforscherin Prof. Dr. Andrea Rodenbeck.  

Noch ein Grund für schlechten Schlaf: Angst vor dem Klimawandel  
Die Erderwärmung wird unseren Schlaf-wach-Rhythmus also über kurz oder lang verändern. „Dem müssen wir uns stellen, und hier ist eine ganz grundlegende Eigenschaft des Menschen gefragt: die Anpassungsfähigkeit. Je besser wir es schaffen, uns den neuen Gegebenheiten anzupassen, umso besser kommen wir damit klar“, erklärt Prof. Dr. Kneginja Richter. 
Auf der Jahrestagung der DGSM sprach sie unter anderem auch über Schlafstörungen, die sich durch Klimaangst entwickeln. Die ständigen negativen Nachrichten in Verbindung mit dem Klimawandel unterstützen das katastrophenbehaftete Denken bis hin zu depressivem Grübeln. Am stärksten ist diese Klimaangst in 
der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen, da diese sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Die negative Nachrichtenflut (vor allem auch in den sozialen Medien) führt zu einem rund um die Uhr anhaltenden Stress, der krank macht, den Schlaf raubt – und sich bis zu einer Angststörung oder Depression steigern kann. 
„Eine Angststörung entwickelt man, wenn man sich einer Sache hilflos ausgesetzt fühlt und nichts tun kann. So fühlen sich insbesondere viele junge Menschen gegenüber dem Klimawandel“, erklärt die Schlafmedizinerin.

Lärmbelastung und Lichtverschmutzung
Unser schlimmster Schlafkiller ist jedoch (noch) nicht das Klima, sondern der Lärm: „In jedem zweiten Schlafzimmer wird geschnarcht; jedes zweite Paar, das sich früher ein Ehebett miteinander geteilt hat, schläft aufgrund von Schnarchen mittlerweile getrennt“, gibt Prof. Fietze zu bedenken. Hier gibt es allerdings einen kleinen Hoffnungsschimmer (wenn auch nicht unbedingt für die Schnarcher und deren geplagte Bettpartner): „Im Allgemeinen dürfte die Lärmbelastung in Zukunft nachlassen in dem Maße, in dem Elektroautos, Elektroflugzeuge, Elektrostraßenbahnen usw. unseren Verkehr bestimmen werden. Dadurch wird es nachts sicherlich auch weniger Lärm geben.“
Hinzu kommt die Lichtverschmutzung – neben dem zunehmenden Lärm einer der Hauptgründe, warum die Menschen in der Großstadt schlechter schlafen als auf dem Land. Zu den hellsten Großstädten der Welt gehört die südkoreanische Stadt Seoul; daher wurden gerade dort viele interessante Studien zu diesem Thema durchgeführt. Die zeigen zum Beispiel, dass Senioren in Altersheimen in Seoul schlechter schlafen – und zwar allein deswegen, weil es in dieser Stadt einfach viel zu hell ist.

Das alte Lied: Schlechter Schlaf und angeschlagene Psyche durch Corona
Das SARS-Covid-19-Virus begleitet uns nun schon ins vierte Jahr, und allmählich haben sich die Menschen weitgehend damit abgefunden: Man hat sich an die Gefahr gewöhnt, und mit Maske läuft eigentlich kaum noch jemand herum. Trotzdem ist Corona nach wie vor eine reale Bedrohung und geht oft mit langwierigen Nachwirkungen einher: Post-Covid – mit langanhaltenden Beschwerden wie Fatigue, Atembeschwerden und Herz-Kreislauf-Problemen – erschwert vielen Menschen nach der Genesung die Rückkehr in ein normales Alltagsleben, macht nicht wenige arbeitsunfähig und fesselt manche sogar dauerhaft ans Bett. 
Auch Schlafprobleme sind eine häufige Spätfolge von Covid-19: Rund 30 bis 40 % aller Menschen, die direkt oder indirekt von Corona betroffen waren, leiden unter Schlafstörungen. Denn nicht nur eine Covid-Infektion, die man selbst durchgemacht hat, sondern auch Sorgen um erkrankte Angehörige oder Depressionen, Vereinsamungsgefühle und Existenzängste aufgrund des langen Lockdowns haben den Schlaf bei vielen Menschen gehörig strapaziert. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. Claudia Schilling (Leiterin des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim) untersucht Patienten, die viele Monate nach einer Covid-Infektion immer noch an neuropsychiatrischen Beschwerden wie Fatigue, kognitiven Problemen, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen leiden, im Schlaflabor. „Ein sehr großer Anteil der Post-Covid-Betroffenen zeigt Veränderungen des Schlaf-wach-Verhaltens“, sagt sie. „Dabei gibt es ein breites Spektrum an Schlafstörungen: Oft sind es Ein- und Durchschlafprobleme, aber auch schlafbezogene Atmungsstörungen – und das auch bei Menschen, die nicht dem typischen Risikoprofil entsprechen. Außerdem sehen wir vermehrt Hypersomnien, also Menschen, die trotz gesunden Nachtschlafs an messbar erhöhter Tagesschläfrigkeit leiden. Wichtig ist es daher, diese Schlafstörungen gezielt zu diagnostizieren, denn es stehen wirksame Behandlungen zur Verfügung; nur ist die Behandlung je nach Diagnose eine andere.“ 
Mit Biomarker-Untersuchungen will die Arbeitsgruppe von Dr. Schilling nun möglichen Ursachen und Einflussfaktoren der Schlafveränderungen auf den Grund gehen.

Hilflos in einer Kiste eingesperrt: Wie die Pandemie unsere Träume geprägt hat
Auch an unseren Träumen ist die Pandemie nicht spurlos vorübergegangen. Traumforscher versuchen zu ergründen, wie sich das Wachleben auf die Traumwelt auswirkt; und die Corona-Pandemie war ein Faktor, der sich in den Träumen der Menschen weltweit sehr deutlich widergespiegelt hat. Das zeigen internationale Studien, an denen auch der Mannheimer Traumforscher Prof. Dr. Michael Schredl beteiligt war. Vor allem bei Menschen, die besonders stark unter den Corona-Maßnahmen litten oder sehr große Angst vor einer Erkrankung hatten, traten vermehrt Alpträume auf. 10 bis 15 % der Befragten gaben an, dass bei ihnen mit Beginn der Pandemie die Alptraumhäufigkeit zugenommen hat. Die Inhalte der Träume gehen dabei von Sorgen, dass geliebte Menschen schwer erkranken oder dass trotz offenkundiger Gefahr niemand mehr eine Maske trägt, bis hin zum Szenario des Eingesperrtseins in einer Kiste als Sinnbild dafür, dass man der Situation nicht entkommen kann. 
„Es ist typisch für mit Stress assoziierte Träume, dass diese nicht die eigentliche Situation wiedergeben, die den Stress auslöst. Hier wird dann oft metaphorisch geträumt“, erklärt Michael Schredl. Eine spannende Erkenntnis seiner langjährigen Alptraumforschungsprojekte ist, dass viele Erwachsene, die schon seit Jahren unter Alpträumen leiden, diese nicht behandeln lassen, obwohl sie sie als belastend empfinden. Das könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass man sich dafür schämt oder eine Auseinandersetzung damit vermeiden will. Woran es genau liegt und wie man diese Menschen erreicht, damit beschäftigt sich zurzeit die AG Traum der DGSM, an die man sich als Betroffener auch jederzeit gerne wenden kann, wenn man Hilfe sucht.2 
Prof. Schredl rät Betroffenen, Alpträume auch als Chance zu verstehen: „Obwohl sie zunächst belastend sind, können sie einen Ausgangspunkt für die konstruktive Bewältigung von Ängsten bieten.“ Und die Therapie (bei der man in seiner Vorstellung übt, die Alptraumsituation zu bewältigen) ist nicht nur kurz, sondern wirkt schnell und gut.  

Was dem Schlaf schadet und was ihn verbessert: Ergebnisse wissenschaftlicher 
Untersuchungen
Zu diesem Thema brachte der Schlafforscher Prof. Dr. Christian Cajochen (Leiter des Zentrums für Chronobiologie an der Universität Basel) ein paar wichtige Empfehlungen zum DGSM-Kongress mit. 
Dass es sich in einem bequemen Bett und auf einer qualitativ hochwertigen Matratze besser schläft, haben wir ja irgendwie alle immer schon geahnt. Er und sein Team konnten dies jedoch nun anhand wissenschaftlicher Untersuchungen eindeutig beweisen: „Der Schlafkomfort spielt eine wichtige Rolle für die Schlafqualität – dazu haben wir selbst Studien durchgeführt. Man kann auf einer neuen, schönen, modernen Matratze definitiv besser schlafen als auf einer abgelegenen oder einer einfachen Standardmatratze.“ 
Weniger Klarheit herrschte bisher dagegen auf einem ganz anderen, eifrig diskutierten Gebiet: Viele Menschen sind ja felsenfest davon überzeugt, dass sie mit Fiffi oder Mieze im Bett besser schlafen können. Im Jahr 2023 wurde jedoch eine Untersuchung veröffentlicht, die genau das Gegenteil beweist: „Haustiere stören unseren Schlaf“, warnt Prof. Cajochen. „Ein Drittel aller Amerikaner schlafen mit Katze oder Hund im Bett, und die schlafmedizinische Empfehlung lautet, das tunlichst sein zu lassen. Erstens kann das Haustier im Bett sich negativ auf den Schlaf seines Besitzers auswirken, und zweitens kann der schlecht schlafende oder schnarchende Schläfer auch den Schlaf des Tieres stören.“ Beide Seiten sind also in getrennten Schlafstätten besser aufgehoben.

Leiden wir morgens alle unter Kaffee-Entzug?
Kommen Sie morgens ohne Kaffee nicht in die Gänge? Würden Ihnen nach dem Mittagessen am Schreibtisch die Augen zufallen, wenn sie nicht zwei oder drei Tassen Latte Macchiato in sich hineinkippen würden?
Alles Einbildung, sagen Wissenschaftler.  
Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls neueste Untersuchungen zur Wirkung von Koffein: Diese Substanz hat vor allem dann eine wachmachende Wirkung, wenn wir zu kurz geschlafen haben oder bereits sehr lange wach sind. Dann unterstützen koffeinhaltige Getränke wie Kaffee oder Tee das Wachheitsgefühl. Ansonsten aber macht Koffein uns wahrscheinlich nicht wacher, als wir ohnehin schon sind.  
Unser Eindruck, dass der morgendliche Kaffee uns einen „Wachheitskick“ gibt, kommt daher, dass die meisten Menschen sogenannte chronische Koffein-Konsumenten sind. Das bedeutet, dass sie täglich (egal ob zu unterschiedlichen Zeiten oder nur einmal) Kaffee zu sich nehmen. Dadurch gewöhnt unser Gehirn sich an den Wirkstoff; und in der Nacht kann sich dann ein Mini-Entzug einstellen. Der macht uns müde; und dann hat der Morgenkaffee bei Menschen, die täglich Kaffee trinken, schon allein deshalb einen positiven Effekt. 
Wollen wir durch Kaffee (oder andere koffeinhaltige Getränke) wirklich wach werden, so dürfen wir sie nicht jeden Tag trinken. Denn wir reagieren umso stärker auf Koffein, je seltener wir es unserem Körper zuführen. „Wenn wir einen wachmachenden Effekt von Kaffee und Co. haben möchten, dann dürfen wir ihn nicht chronisch konsumieren“, empfiehlt Dr. Carolin Reichert (stellvertretende Leiterin des Zentrums für Chronobiologie der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel). Allerdings kommen bei seltenerem Kaffeekonsum auch die negativen (schlafstörenden) Effekte des Koffeins eher zum Tragen. Das hat eine neue wissenschaftliche Untersuchung des Teams von Prof. Dr. Hans-Peter Landolt vom pharmakologischen Institut der Universität Zürich gezeigt: Schon vier Tage Ab­stinenz reichen aus, um mit einer morgendlichen Koffeineinnahme einen reduzierten Tiefschlaf in der darauffolgenden Nacht hervorzurufen. 
Auch eine aktuelle Publikation von Wissenschaftlern aus Seattle und Berkely (USA) zeigt, dass pro Tasse Kaffee tagsüber/abends die Schlafzeit um zehn Minuten abnehmen kann. Schlafgestörte Menschen sollten sich selbst also genau beobachten, um herauszufinden, ob Kaffee sich negativ auf ihren Schlaf auswirkt. Es gibt nämlich auch genetische Unterschiede, die darüber entscheiden, wie empfindlich wir auf Koffein reagieren.
Dr. Reichert rät aber, nicht nur auf den wachmachenden Effekt des Kaffees zu schauen: „In manchen Studien gibt es Anzeichen dafür, dass regelmäßiger Koffeingenuss vor neurodegenerativen Erkrankungen schützen könnte.“ So gibt es beispielsweise eine neue Untersuchung aus Italien, der zufolge Espresso der Verklumpung von Tau-Proteinen vorbeugen kann, die bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz eine wichtige Rolle spielt. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Kaffee das Parkinson-Risiko senkt.
Auch im psychiatrischen Bereich, zum Beispiel bei affektiven Störungen (krankhaft veränderter Gefühlslage wie etwa Depressionen), weisen manche Studien nach, dass regelmäßiger Kaffeekonsum sich positiv auswirken kann.
Und natürlich spielt auch das kulturell gewachsene positive Gefühl, das wir Menschen mit dem Kaffeetrinken verbinden, eine Rolle, sodass oft schon der Duft von frisch gebrühtem Kaffee aufmunternd auf uns wirkt: „Koffein hat einen Einfluss auf das Dopaminsystem“, erklärt Dr. Reichert. „Dadurch könnte es ein Gefühl der Belohnung vermitteln und uns sogar dazu bringen, die Dinge nach Kaffeekonsum motivierter anzu-
packen.“

 

(1) Nähere Infos zu den beiden DiGAs finden Sie unter somn.io und 
hellobetter.de/online-kurse/schlafen/

(2) Eine Liste mit Anlaufstellen für die Alptraum-
therapie gibt es auf der Homepage der DGSM (www.dgsm.de) unter der Rubrik
Patienteninformationen => Ratgeber Schlafstörungen.