Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2009

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2009


Liebe Leserin, lieber Leser,

beim Begriff „Schichtarbeit“ denkt man wohl meistens an Fließbandarbeiter oder Fernfahrer. Doch von Schicht- und Nachtarbeit sind insgesamt sehr viele Berufe betroffen: Ärzte und Polizisten, Feuerwehrleute und Rundfunkmoderatoren, Bäcker und Piloten und viele mehr. Untersuchungen haben gezeigt, dass Schichtarbeiter nicht nur weniger schlafen, ihr Schlaf ist auch unruhiger und durch diverse Störungen fragmentiert. Der Tiefschlafanteil und der Traumschlaf verkürzen sich. Man braucht länger zum Einschlafen und wird häufiger wach. So baut sich mit der Zeit ein chronisches Schlafdefizit auf. Die Folge sind Müdigkeit und Konzentrationsprobleme während der Arbeitszeiten. 

Untersuchungen zufolge schlafen 85% aller Schichtarbeiter gelegentlich und 20% regelmäßig bei der Arbeit ein. Das ist unangenehm für die Betroffenen und kann auch gefährlich sein – dadurch steigt die Fehler- und Unfallhäufigkeit.

» weiterlesen

Wir liefern Ihnen in dem Schwerpunktthema dieser Schlafmagazin-Ausgabe zahlreiche Tipps für einen erholsamen Schlaf trotz Schicht- und Nachtarbeit. Sie erfahren, wie Sie sich vor Tageslärm schützen, welche Regeln der Schlafhygiene Sie befolgen sollten, wie Sie sich ernähren können und welche Bedeutung Ihre innere Einstellung zur Schichtarbeit hat.

Wer unseren Kongress im November 2008 besucht hat, konnte ihn den ganzen Tag als Moderator erleben ­– Prof. Rühle aus Hagen. Hier stellen wir diesen Pionier der pneumologischen Schlafmedizin ausführlich vor.

Wir berichten auch über zwei interessante Unternehmen: Die Firma Weinmann gehört zu den wenigen Herstellern von diagnostischem Equipment und Geräten für die Schlaftherapie und Heimbeatmung, die heute noch in Deutschland entwickeln und produzieren. Und das relativ junge Unternehmen Somnomedics bietet das Schlaflabor der Zukunft an.

Auch die Gesundheitspolitik ist wieder ein Thema. Rechtsanwalt Hackstein erläutert den Paragraphen 128, der zur Zeit für viel Unruhe und Unsicherheit sorgt. Und wir sprachen auch mit Walter Hirrlinger über die Probleme der Gesundheitsreform. Walter Hirrlinger ist zwar vor kurzem aus Altersgründen als langjähriger Präsident des Sozialverbands VdK zurückgetreten, doch er gehört nach wie vor zu den großen Analytikern und Kritikern gesellschaftlicher Probleme.

 

Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen 

Ihre

Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2009

Foto: © iotas/photocase.de
Inhalt

Nachtarbeiter 

Schichtarbeit: Tipps für einen erholsameren Schlaf

Fünfter Kongress des Schlafmagazins: „HERZ & SCHLAF“ 

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Rühle: Pionier der pneumologischen 

Schlafmedizin

Nachgedacht über Gesundheitspolitik

Das Homecare-Unternehmen Weinmann: Der Global Player aus der Hansestadt

Das Schlaflabor der Zukunft: Polysomnographie für die Kitteltasche

Lust auf besseren Schlaf?: Hier können Sie ihn gewinnen!

Im Gespräch mit Walter Hirrlinger: Die Gesundheitsreform ist komplett

 

§ 128: Die Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Leistungserbringern

Schichtarbeit und Schlafstörungen bei Brummifahrern

Das Homecare-Unternehmen Weinmann: Der Global Player aus der Hansestadt

Das Schlaflabor der Zukunft: Polysomnographie für die Kitteltasche

Lust auf besseren Schlaf?: Hier können Sie ihn gewinnen!

Im Gespräch mit Walter Hirrlinger: Die Gesundheitsreform ist komplett

§ 128: Die Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Leistungserbringern

Schichtarbeit und Schlafstörungen bei Brummifahrern

Verkürzen Schlafmittel die Lebenserwartung?

Amerikanische Studie kommt zu verblüffenden Ergebnissen

Von Marion Zerbst

Vor kurzem ist eine wissenschaftliche Untersuchung erschienen, die nicht nur Schlafmediziner, sondern auch von Schlafstörungen geplagte Patienten erschreckt und verwirrt: Die in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal veröffentlichte Studie beobachtete über 10 000 Patienten, die in den USA rezeptpflichtige Schlafmittel geschluckt hatten, rund zweieinhalb Jahre lang, um festzustellen, ob diese Leute eine geringere Lebenserwartung hatten als eine Kontrollgruppe von Menschen ohne Schlafmittelkonsum.

Tatsächlich war das so, und es galt selbst für Patienten, die nur bis zu 18 Schlafmitteldosen pro Jahr eingenommen hatten: Ihr Sterberisiko war während des Beobachtungszeitraums von zweieinhalb Jahren um das 3,6-Fache erhöht. Bei Menschen mit einem Konsum von 18 bis 132 oder über 132 eingenommenen Schlafmitteldosen stieg das Sterberisiko sogar um das Vier- bis Fünffache an. Auch die Häufigkeit von Krebserkrankungen nahm zu.

Andere Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit – beispielsweise Alter, Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht und frühere Krebserkrankungen – hatten die Autoren sorgfältig aus ihrer Studie „herausgerechnet“. Berücksichtigt wurden neben Benzodiazepinen wie z. B. Temazepam auch Benzodiazepinagonisten wie Zolpidem oder Zaleplon, außerdem Barbiturate und schlaffördernd wirkende Antihistaminika, also durchaus unterschiedliche Medikamentenklassen.
Diese Studie wirft viele Fragen auf: Haben Schlafmittel denn eine krebserregende oder anderweitig schädliche Wirkung? Wenn ja,
worauf könnte diese Wirkung zurückzuführen sein? Weshalb kommt sie schon bei einem relativ geringen Schlafmittelkonsum wie z. B. 18 Dosen pro Jahr zum Tragen? Und warum bei so unterschiedlichen Substanzklassen?

„Obwohl die Autoren nicht beweisen konnten, dass Schlafmittel einen vorzeitigen Tod verursachen, haben ihre Analysen viele andere mögliche Gründe ausgeschlossen. Deshalb werfen diese Ergebnisse wichtige Bedenken und Fragen über die Sicherheit von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten auf“, kommentiert die Chefredakteurin des Fachmagazins, Trish Groves, das Resultat der Studie.

Was für Konsequenzen hat das nun für die Patienten? Sollen Ärzte schlafgestörten Menschen künftig keine Schlafmittel mehr verschreiben – da sich ja offenbar schon 18 Tabletten pro Jahr negativ auf die Lebenserwartung auswirken? Oder ist es eher umgekehrt: dass die erhöhte Sterblichkeit der untersuchten Insomnie-Patienten nicht auf ihre Schlafmitteleinnahme, sondern auf die Schlafstörung selbst zurückzuführen ist? Immerhin weiß man aus früheren Studien, dass Menschen, die nachts nur zwei bis fünf Stunden schlafen, ein erhöhtes Krebs-, Dia-betes- und Arteriosklerose-Risiko haben. Denn schlechter Schlaf ist Stress für den Organismus, belastet Herz und Kreislauf und beeinträchtigt unter anderem auch das Immunsystem. Sollte man den Patienten also lieber mehr statt weniger Schlafmittel verschreiben, um ihr Sterberisiko zu senken? Wir fragten drei bekannte Schlafmediziner nach ihrer Meinung.

Kommentar von Prof. Dr. med. Ingo Fietze:

„Chronische Schlafstörungen – insbesondere die Kombination aus kurzer Schlafdauer und schlechter Schlafqualität – gehen mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko einher. Sie verursachen Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Krebs und viele andere Erkrankungen. Eine Therapie mit nur 18 bis 180 Tabletten pro Jahr ist keine effektive Behandlung, sondern allenfalls eine Bedarfstherapie. Damit lässt sich eine schwere Insomnie kaum behandeln. Und dann bleibt eben auch das Risiko bestehen, wie es von den Autoren der Studie festgestellt wurde.

Es fehlt in der Studie ein Vergleich der jeden Tag gut therapierten Insomniker mit dem Rest, also mit denen, die nur eine gelegentliche Schlafmitteltherapie bekommen haben bzw. anwenden. Ich spekuliere: Bei den permanent optimal therapierten Insomnikern wäre die Sterblichkeitsrate niedriger. Die Konsequenz muss lauten, schwere Insomnien konsequent und nicht halbherzig zu behandeln, denn bei einer insuffizienten Therapie bleibt das Risiko bestehen. Diese Studie ist nicht dazu geeignet, den vielen von Schlafstörungen Betroffenen die wirksame Schlaftablette zu verweigern oder zu entziehen.“

Kommentar von Dr. Hans-Günter Weeß:

„Zunächst einmal muss man feststellen, dass die Autoren der Studie eine sehr seriöse Untersuchung durchgeführt haben. Methodisch ist die Studie auf qualitativ hochwertigem Niveau und besitzt dadurch eine gewisse Aussagekraft. Trotzdem wird in der Wissenschaft Ergebnissen von einzelnen Studien keine absolut große Bedeutung zugeschrieben, bis diese nicht durch weitere wissenschaftliche Studien bestätigt worden sind.

Vom pharmakologischen Wirkprofil der untersuchten Substanzen her sind die Studienergebnisse überraschend. Gegenwärtig lassen sich die Ergebnisse – trotz eindeutiger Datenlage – pharmakologisch nur schwer erklären. Eventuell kommen bei der in der Studie festgestellten erhöhten Sterblichkeitsrate aber auch indirekte Effekte der Schlafmittel zum Tragen. Bekanntlich führen diese zu starker nächtlicher Sedierung (Ruhigstellung) und erhöhen infolgedessen bei älteren Menschen die Sturzgefahr bei nächtlichen Toilettengängen. Dabei kann es u. a. zu Oberschenkelhalsbrüchen kommen. Es wäre vorstellbar, dass Komplikationen bei der Behandlung des Oberschenkelhalsbruchs – wie z. B. Lungenentzündungen oder Ähnliches – zu der in der Studie festgestellten erhöhten Sterblichkeit geführt haben. Dies ist aber reine Spekulation.

Grundsätzlich sind die untersuchten Schlafmittel weiterhin als sichere, gut wirksame und nebenwirkungsarme Medikamente zu bewerten. Da Schlafmittel in Deutschland mit großer Vorsicht eingesetzt werden sollten, dürfte sich das Verordnungsverhalten der meisten Ärzte nur wenig verändern. Möglicherweise werden aber einzelne Ärzte ihren Patienten nun verstärkt den Einsatz von nicht-pharmakologischen Behandlungsmethoden, beispielsweise Verhaltenstherapien, empfehlen. Vielleicht werden auch die sogenannten sekundären Schlafmittel wie z. B. Antidepressiva und Neuroleptika jetzt mehr in den Behandlungsmittelpunkt gestellt. Aber auch für diese Medikamente gilt, dass sie sowohl positive Wirkungen als auch unerwünschte Nebenwirkungen aufweisen können. Pflanzliche Medikamente (sogenannte Phytopharmaka), aber auch neuere Melatoninprodukte könnten zukünftig vielleicht wieder einen größeren Stellenwert in der Behandlung von Insomnien bekommen.“

Kommentar von PD Dr. med. Christine Norra:

„Die neue Studie von Kripke und Mitarbeitern liefert einen weiteren Beleg für einen möglichen Zusammenhang zwischen Schlafmitteln und erhöhtem Sterberisiko, aber trotz guter wissenschaftlicher Qualität naturgemäß keinen Beweis. Untermauert werden die Befunde durch eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung, d. h. eine Korrelation zwischen der Anzahl der Schlafmittelverschreibungen und der Höhe des Sterblichkeitsrisikos. Allerdings lässt die Art der Erhebung (aus einem amerikanischen Gesundheitsregister, in dem Ambulanzkontakte, Diagnosen und Rezeptverordnungen verzeichnet sind) keinen Rückschluss auf die tatsächlich eingenommenen Schlafmittel zu oder darauf, ob die Rezepte überhaupt eingelöst wurden. Auch könnten sich unter den Personen ohne Hypnotika-Verordnungen solche befinden, die sich frei verkäufliche Schlafmittel wie z. B. Antihistaminika besorgt haben. Wie die Autoren richtig anmerken, würde eine derartige Über- bzw. Unterschätzung der Hypnotika-Einnahmen insgesamt sogar zu einem unterbewerteten Gesundheitsrisiko von Schlafmitteln führen.

Interessanterweise fanden sich bei Personen mit Schlafmittelverordnungen etliche im Verlauf neu aufgetretene Krebserkrankungsarten, ohne dass hieraus aber der Schluss gezogen werden könnte, dass Schlafmittel krebserregend wirken. Bekannt ist, dass Krebserkrankungen oft mit Schlaflosigkeit einhergehen, u. a. infolge der psychischen Belastung, der Chemotherapie und der reduzierten Lebensqualität. Auch bei anderen körperlichen Erkrankungen steigt das Risiko für Schlafmittelverordnungen um mehr als 4,5-Fache. Leider sind in derartigen Studien nie alle Einflussfaktoren erfassbar, die mit Schlafstörungen und Hypnotika-Bedarf einhergehen. Dies gilt insbesondere (und hier liegt eine weitere Einschränkung der Studienaussagen vor) für psychische Einflüsse und Erkrankungen wie Depression, Angststörung oder Selbstmordneigung, welche aus Datenschutzgründen hier nicht mit ausgewertet werden konnten.

Daher sollten Sicherheitsbedenken gegenüber Hypnotika nicht pauschal zur Ablehnung ihres Einsatzes führen; es kommt v. a. auf die Personengruppe an, der sie verordnet werden. Hier wären ausführlichere Untersuchungen sowie gezieltere schlafhygienische und andere nicht-medikamentöse Behandlungen erforderlich. Dazu gehört, dass (unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen) alternativ auf sedierende bzw. schlafregulierende Substanzen, etwa aus der Klasse der Antidepressiva, zurückgegriffen werden kann.“  

Nächtliches Zähneknirschen

Von Jiashou (Prof.) Shandong University, China, Dr. med. Frank Liebaug; Dr. med. Dent. Ning Wu

Mindestens jeder dritte erwachsene Deutsche knirscht laut Bundeszahnärztekammer im Schlaf mit den Zähnen oder presst sie fest aufeinander. Bei den meisten beginnt der „Bruxismus“ – so der Fachbegriff für diese immer häufiger auftretende Funktionsstörung – zwischen 30 und 45 Jahren; es gibt jedoch auch „Knirscher“ von klein auf.

Beim Zähneknirschen pressen oder reiben die Betroffenen ihre Zähne unbewusst aneinander, sodass Schäden an der Zahnsubstanz entstehen können. Zähneknirschen kann in jeder Altersstufe auftreten und ist häufig ein Zeichen starker psychischer Anspannung.

Zähneknirschen und das extrem feste Aufeinanderpressen der Zähne zählen zu den sogenannten Parafunktionen. Darunter versteht man Aktivitäten des Kausystems, die keinem funktionellen Zweck (wie zum Beispiel dem Zerkleinern der Nahrung beim Essen) dienen. Häufig bemerken die Betroffenen ihr Zähneknirschen oder -pressen gar nicht selbst, da dieser Prozess meist unbewusst abläuft.

Bereits bei kleinen Kindern kann Zähneknirschen auftreten. So berichten Eltern oft, dass sie nachts durch die lauten Reibegeräusche ihrer Kinder aus dem Schlaf geweckt werden. Doch auch junge Erwachsene können vermehrt von Bruxismus betroffen sein, wie Dr. Ning Wu in einer wissenschaftlichen Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen in China und Deutschland herausfand.
Zähneknirschen kann sowohl tagsüber als auch im Schlaf vorkommen. Nachts tritt Bruxismus vor allem während des REM-Schlafs auf.

Dabei presst oder knirscht der Betroffene mit einer vielfach stärkeren Kraft, teilweise mehreren hundert Kilogramm, als beim normalen Kauen nötig ist. In der Schlafmedizin zählt der Bruxismus deshalb auch zu den Parasomnien (nächtlichen Verhaltensauffälligkeiten).
Es wird vermutet, dass das Hirn­areal, welches für das Zähneknirschen verantwortlich ist, nahe beim sogenannten Traumzentrum in unserem Zentralnervensystem liegt.

Ursachen und Folgen
Ob der eigene Lebensstil, Veranlagung oder auch das psychische Wohlbefinden: Es gibt viele Faktoren, die Einfluss auf unsere Gesundheit haben. Oftmals ist Zähneknirschen ein Anzeichen für psychische Anspannung und tritt daher zumeist in geistigen bzw. seelischen Belastungsphasen oder in extremen Konzentrationsphasen auf.
Hält das Zähneknirschen über einen längeren Zeitraum an, kann der starke Druck auf die Zahnsubstanz Schäden am Zahnschmelz und Zahnhalteapparat verursachen. Je länger Bruxismus unbehandelt bleibt, desto stärker zeigen sich Schäden am Gebiss.  Mögliche Folgen sind unter anderem Schliff-Facetten auf den Kauflächen, im Extremfall bis zur Wurzel abgeriebene Zähne sowie Risse und Aussprengungen im Zahnschmelz.

Unter den zum Teil immens großen Kräften, die beim Bruxismus wirken, leiden aber nicht nur die Zähne, sondern auch die Kiefergelenke und Kaumuskeln. Durch die starke Muskelaktivität während des Zähneknirschens kann es zu schmerzhaften Verhärtungen und Spannungsschmerzen im Kopf-Hals-Bereich, Schmerzen in den Kiefergelenken, verspannten Nackenmuskeln sowie Gesichts- und Kopfschmerzen kommen. In manchen Fällen können auch Ohrgeräusche (Tinnitus) oder Schwindel die Folge von Zähneknirschen und Aufeinanderpressen der Zähne sein. Meist ist Stress der Auslöser. Deshalb trifft Bruxismus immer mehr Menschen, die als Leistungsträger in Beruf und Familie stark gefordert werden.

Wirksame Hilfe vom Zahnarzt
Eine vom Zahnarzt individuell angepasste Aufbissschiene aus Kunststoff, die man nachts trägt, schützt vor weiteren Zahnschäden und entlastet die Kaumuskulatur. Gute Erfolge bringen außerdem Selbstmassagen, Physiotherapie oder auch Akupunktur und tiefe Bindegewebsmassagen, die in der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) als Tuina bezeichnet und angewendet werden. Die eigenen Erfahrungen in unserer Praxis sowie Erkenntnisse aus Studienaufenthalten in China  zeigen, dass Akupunktur und Tuina bei den Patienten sehr gut anschlagen.  
Bei chronischen Schmerzen sollte unbedingt ein Orthopäde oder Schmerztherapeut zur Differenzialdiagnostik und interdisziplinären Therapie hinzugezogen werden.  Diese fachübergreifende Behandlung können wir unseren Patienten im Rahmen unseres Netzwerkes bieten. Der Patient kann auf diese Weise auch gezielt osteopathisch vorbehandelt werden, um die Muskulatur zu entspannen und so einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.

Zentraler Bestandteil der Bruxismus-Therapie ist das Erlernen von Entspannungstechniken, um Stress abzubauen. Jeder muss selbst herausfinden, was ihm guttut: progressive Muskelentspannung (z. B. nach Jacobson), autogenes Training,  Yoga oder Tai-Chi. Bei manchen Patienten hilft auch moderater Ausdauersport wie Walken oder Joggen. Ganz wegtherapieren lässt sich Bruxismus nur selten.

Langfristig vorbeugen
Hat man einmal mit dem Knirschen oder Pressen angefangen, tut man es immer wieder. Nämlich dann, wenn es im Leben ungemütlich wird. Deshalb: In Stressphasen prophylaktisch die Aufbissschiene tragen, nach der Behandlung mit dem Entspannungstraining weitermachen und sich regelmäßig selbst beobachten: Wie halte ich Zähne und Kiefer? Richtig ist die sogenannte Ruheschwebe, bei der zwischen Ober- und Unterkiefer ein Abstand von zwei bis drei Millimetern ist. Tipp: Als Erinnerungshilfe einen kleinen Aufkleber am Computer oder im Auto anbringen. Erwischt man sich beim Zähnezusammenbeißen, heißt es wieder „Lockerlassen!“

Mit Unterkieferprotrusionsschiene zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Wenn es sich bei den von Bruxismus betroffenen Patienten zudem um Menschen handelt, die an einer leicht- bis mittelgradigen Schlafapnoe leiden, dann hat sich die Eingliederung einer sogenannten Unterkieferprotrusionsschiene bewährt. Das Grundprinzip besteht darin, dass in beiden Kiefern die Zähne mit einer individuell angefertigten, abnehmbaren Schutzschiene überzogen werden. Beide Schienenteile sind jedoch durch einen speziellen Mechanismus so miteinander verbunden, dass ein Vorziehen des Unterkiefers in Bezug auf den Oberkiefer erfolgt. Hier gibt es einige für den jeweiligen Patienten und dessen Bezahnung und Kieferstellung bestmögliche Varianten von Schienenmodellen. Unser Beispiel zeigt eine Versorgungsmöglichkeit, die dem Patienten trotz der Verbindung noch relativ gute Seitenbewegungen ermöglicht, was sich in unserer Praxis vor allem für Patienten mit Platzangst bewährt hat. Ein Vorteil ist auch, dass der Patient die Position des Unterkiefervorschubs nach Einweisung und Eingewöhnungsphase selbst leicht korrigieren kann.

Eine zahnärztliche Nachkontrolle ist allerdings immer notwendig und auch dringend zu fordern, damit der Patient nicht über das Ziel hinausschießt und dentale Nebenwirkungen auftreten. Wir können aus unserem eigenen Patientengut bislang jedoch über keine negativen Folgen berichten.

Mit einer regelrecht angepassten und eingesetzten Unterkieferprotrusionsschiene kann der Patient keine krankmachenden Kaukräfte auf seine Zahnhartsubstanz oder die Kaumuskulatur mehr einwirken lassen. Die mehrschichtig hergestellten Spezialschienen bestehen aus einer relativ weichen und elastischen Innenschicht, die sich der natürlichen Zahnoberfläche gut anschmiegen soll, und einer relativ abriebfesten, glatten Außenhaut. So sind eine minimale Beweglichkeit und leichtes Gleiten trotz des Unterkiefervorschubs noch möglich.

Die Hauptsache ist jedoch die Straffung der Weichteile im Rachenbereich und somit die effektive Freihaltung der Atemwege für den lebensnotwendigen Luftstrom. Atemaussetzer, wie sie beim obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom auftreten, werden dadurch im Idealfall vermieden oder aber deren Anzahl wird deutlich vermindert, wie unsere Nachkontrollen im Schlaflabor regelmäßig zeigen.
Effektive und gute medizinische Behandlung kann heute nur noch interdisziplinär und im Team erfolgen. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle bei unseren beiden Zahntechnikern Manfred Liebaug und Hartmut Weisheit für die seit Jahren gewachsene konstruktive Mitarbeit bei der Umsetzung schwieriger prothetischer oder schlafmedizinischer Behandlungsfälle bedanken.