Das Schlafmagazin: Ausgabe 2/2016

Das Schlafmagazin: Ausgabe 2/2016


Liebe Leserin, lieber Leser,

jeder von uns träumt etwa zwei Stunden pro Nacht. Manchmal erinnern wir uns an die Träume, manchmal nicht. Und jeder träumt anders: Der eine komponiert Musik, der andere schüttelt am nächsten Morgen den Kopf über den Quatsch, den er da wieder geträumt hat. Nicht jeder hat kreative oder tiefgründige Träume, die ihm neue Erkenntnisse bringen. Aber man kann lernen, seinem nächtlichen „Kopfkino“ offener gegenüberzustehen und einen Teil dieser geheimnisvollen Botschaften zu entschlüsseln. Früher glaubte man, dass wir nur in bestimmten Schlafphasen (dem sogenannten REM-Schlaf) träumen. Inzwischen weiß man, dass uns unser Gehirn die ganze Nacht über in Atem hält. Die Frage ist nur: Was fangen wir mit den Träumen an? Wie können wir sie besser verstehen und vielleicht sogar etwas aus ihnen lernen? Über die spannende Welt unserer Träume sprachen wir mit dem renommierten Traumforscher Professor Michael Schredl.

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Leiden Sie morgens unter schleimigem Husten? Kommen Sie beim Treppensteigen leicht aus der Puste? Fällt Ihnen auf, dass Sie im Winter öfter Infekte bekommen als früher? Dahinter könnte eine Lungenerkrankung stecken, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte: COPD. Vor allem Raucher laufen Gefahr, daran zu erkranken. Kommt dann noch Schnarchen oder gar eine obstruktive Schlafapnoe dazu, verschlimmern sich die Atemwegsprobleme. Wir sprachen über beide Erkrankungen mit Professor Helmut Teschler von der Essener Ruhrlandklinik. Und in dieser Ausgabe können Sie auch ein interessantes Interview mit dem Geriater und Schlafmediziner PD Dr. Helmut Frohnhofen über das Thema Demenz und Schlafapnoe lesen.

Bald ist es wieder soweit, am 21. Juni 2016 ist die Sommersonnenwende und rund um dieses Datum wird im nördlichen Europa gerne und viel gefeiert. Und warum auch nicht, schließlich ist dies der längste Tag beziehungsweise die kürzeste Nacht des Jahres. Wir erklären Ihnen, wer eigentlich wo was in dieser wunderbaren Zeit feiert – und warum man sich auch am bzw. im Wasser in Acht nehmen muss.

Die niedlichen Schafe hier sind übrigens unsere Maskottchen für den diesjährigen 

Thementag Schlaf am 19. November in Stuttgart. Merken Sie sich den Termin am 

besten gleich vor.

 

Wie immer wünsche ich Ihnen eine informative Lektüre

Ihre

Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 2/2016

Foto: © pixabay.com
Inhalt

6 Was wir aus unseren Träumen lernen können -
Das Gehirn schläft nicht!

9 Schmerzen, Schlafstörungen und RLS – eine unheilige Allianz 

10 Träume als Wegweiser
Was bedeutet unser nächtliches Kopfkino?  

14 Hätte Caesar doch nur auf Calpurnia gehört…
Können Träume Leben retten? 

16 Abends an etwas Schönes denken – oder lieber doch nicht?
Von Gedanken zu Alpträumen  

18 Warum ich mich bei meinem Unterbewusstsein entschuldigen musste …
… als ich meine Träume endlich verstanden habe
Ein Erfahrungsbericht   

21 Ein Konzert der anderen Art
Einladung zum Schlafkonzert

23 Zungenschrittmacher als Therapie-Alternative
Keine Maske, kein Schlauch, kein Lärm  

24 Schlafstörungen und posttraumatische Belastungsstörung nach Herzinfarkt  

24 Tipps von der AGR
Gartenarbeit: Es geht auch ohne Hexenschuss!  

 

25 Postoperatives Risiko für Patienten mit Schlafapnoe26 Neues Atemtherapiegerät von Respironics
Traumhafte DreamStation  

30 Schlafapnoe verändert die Chemie im Gehirn  

31 Mit Didgeridoo gegen die Schlafapnoe  

32 Entwicklung einer Schlafweste gegen Schnarchen
Vom Problem zum Produkt

34 Wenn Volkskrankheiten zusammenkommen
Schnarchen, Schlafapnoe und COPD

37 Kolumne Dr. Weeß
Vom Schlaf bei Frauen und Männern …  

38 Schlafapnoe: neu entdeckter Risikofaktor für eine Demenz?
Was man tun kann, um sein Gehirn bis ins hohe Alter fit zu halten

42 Patientenberatung – effizient und kostengünstig
Bessere Compliance durch Telemonitoring  

46 „Here comes the sun …“
Johannisnacht – Polartag – Mittsommer – Weiße Nächte  

47 Kunst und Poesie verführen in die Nacht  

47 Schlaf als Business-Revolution
Die amerikanische „Sleep Economy“  

Was wir aus unseren Träumen lernen können


Das Gehirn schläft nicht!

Genau wie die von Frank Sinatra besungene „city that never sleeps“ sind auch unsere grauen Zellen immer aktiv – selbst im Schlaf. Und das äußert sich manchmal in recht bizarren Träumen. Früher glaubte man, dass wir nur in bestimmten Schlafphasen (dem sogenannten REM-Schlaf) träumen. Inzwischen weiß man, dass unser Kopfkino uns die ganze Nacht über in Atem hält. Die Frage ist nur: Was fangen wir damit an? Wie können wir unsere Träume besser verstehen und vielleicht sogar etwas daraus lernen? Darüber sprach Werner Waldmann mit dem renommierten Traumforscher Michael Schredl.


Spielt bei Ihrer Tätigkeit als Traumforscher auch persönliches Interesse eine Rolle? Sie haben im Lauf Ihres Lebens ja viele eigene Träume notiert und gesammelt.

Prof. Dr. Schredl: Meine Beschäftigung mit Träumen begann tatsächlich mit einem privaten Interesse an diesem Thema. Ich habe zunächst einmal Elektrotechnik studiert und mich während meines Studiums mit psychologischen Themen auseinandergesetzt, unter anderem mit Erich Fromm. Dieser Psychoanalytiker hat ein Buch mit dem Titel „Märchen, Mythen, Träume“ geschrieben; dadurch bin ich auf dieses Thema gestoßen. Später habe ich mir dann noch ein zweites, praxisorientierteres Traumbuch gekauft. Seit 1984 schreibe ich meine eigenen Träume auf und bin jetzt bei über 12 000 Träumen, die ich auch auswerte. Nach dem Elektrotechnik-Studium habe ich dann angefangen, Psychologie zu studieren, und hatte das Glück, eine Anstellung im Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim zu bekommen. Seitdem beschäftige ich mich auch beruflich mit der Traumforschung.


Wie kommt man hinter die Bedeutung von Träumen? Die moderne Traumdeutung begann ja schon Anfang des 20. Jahrhunderts mit Sigmund Freud und C. G. Jung. Wie haben diese beiden Psychologen den Sinn und die Funktion unserer Träume gedeutet?

Prof. Schredl: Auf Sigmund Freud geht die Idee zurück, dass sich im Traum die Dinge widerspiegeln, die uns beschäftigen. Letztendlich ist der Traum also ein Zugangsweg zum inneren Erleben. Aber wie man diesen Zugang am besten findet, davon hat jeder seine eigene Vorstellung. Freud hat z. B. eine Assoziationsmethode entwickelt: Wenn seine Patienten ihm einen Traum erzählten, sollten sie alles berichten, was ihnen dabei sonst noch durch den Kopf ging. Auch C. G. Jung hatte spezielle Methoden der Traumanalyse, z. B. die Amplifikation: Man sollte sich Gedanken über Geschichten, Märchen und Mythen machen, die etwas mit dem Trauminhalt zu tun haben. Heute haben wir ganz andere Ansätze, aber die Grundidee – dass der Trauminhalt mit der Person des Träumenden zusammenhängt – ist immer noch die gleiche.


Wie sieht Ihre Methode der Traumarbeit aus?

Prof. Schredl: Der Vorteil meiner Art, mit Träumen zu arbeiten (ich verwende nur sehr ungern den Begriff „Traumdeutung“), besteht darin, dass diese Vorgehensweise kaum theoretische Vorkenntnisse erfordert. Bei den klassischen psychoanalytischen Verfahren ging man mehr oder weniger davon aus, dass der Traumdeuter oder Analytiker eine sehr lange Ausbildung braucht, um Träume und die Zusammenhänge, in die sie eingebettet sind, zu verstehen. Bei der modernen Art der Traumarbeit wendet man eher Strategien an, die man schon im Wachzustand gelernt hat. Wenn ich tagsüber etwas Unangenehmes erlebe, denke ich darüber nach: Warum habe ich mich so verhalten? Was könnte ich in Zukunft besser machen? Wenn man diese Prinzipien auf die Traumarbeit überträgt, kann jeder mit seinen Träumen arbeiten, ohne dass man dafür eine Ausbildung in Psychologie oder Symboldeutung braucht. Ich suche nicht so sehr nach klassischen Symbolen oder unbewussten Trauminhalten; mein Ansatz besteht eher darin, zu überlegen: Was wurde im Traum erlebt? War es angenehm oder unangenehm? Und wenn es unangenehm war: Warum konnte ich mich im Traum nicht anders verhalten, um das zu verhindern? Für mich ist die Traumarbeit ein ähnliches Vorgehen wie die Beschäftigung mit Dingen, die man im Wachzustand tut; nur dass der Traum eben oft bizarrer ist als das, was im Wachleben passiert. Aber das Prinzip ist das gleiche: Wenn ich im Traum vor etwas weglaufe, das mir Angst einjagt, oder eine schwierige Aufgabe nicht anpacken will, dann ist das keine gute Strategie. Deshalb kann man Träume ganz gut nutzen, um sich zu überlegen: Was könnte ich besser machen? 


Womit beschäftigt sich die internationale Traumforschung heute?

Prof. Schredl: Es gibt mehrere Bereiche, die beforscht werden. Zum einen das Thema Alpträume. Internationale Studien zeigen, dass 5 % aller Menschen in der erwachsenen Bevölkerung unter Alpträumen leiden; das ist also ein wichtiges Thema. Wie Alpträume aussehen, was Alpträume verursacht und wie man sie behandeln kann, dazu gibt es inzwischen auch eine ganze Reihe von Behandlungsstudien, die sehr gute Erfolge aufweisen. Ein zweites wichtiges Thema, das die internationale Traumforschung bearbeitet, ist die Bewusstseinsforschung. Wir schlafen ja während des Träumens. Trotzdem ist das Gehirn dabei sehr aktiv und das subjektive Erleben sehr ausgeprägt. Die Forschung interessiert sich natürlich auch dafür, was in unserem Gehirn während des Schlafs abläuft.
 

Hat man darüber schon nähere Erkenntnisse gewonnen?

Prof. Schredl: Wir haben zwar subjektiv den Eindruck, zu schlafen; aber das Gehirn schläft natürlich nicht. Das ist ähnlich wie beim Herzen, das auch immer schlägt, egal ob wir wach sind oder nicht. Was sich aber verändert, ist die Art und Weise, wie das Gehirn aktiviert ist. Das hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass das Gehirn während des Schlafs andere Aufgaben erfüllt. Eine wichtige Aufgabe ist die Gedächtniskonsolidierung: Das, was wir tagsüber gelernt haben, wird nachts noch einmal bearbeitet, verarbeitet und besser abgespeichert. Dabei sind bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert als im Wachzustand: z. B. das limbische System, das für die Emotionen zuständig ist, und der Hippocampus, der bei der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle spielt. Das planerische Denken, das man im Wachzustand häufig braucht, ist im REM-Schlaf dagegen weniger aktiv.
 

Mit welchen Techniken arbeitet die Traumforschung? Lassen Träume sich auch mit bildgebenden Verfahren dokumentieren?

Prof. Schredl: Die einzige Möglichkeit, Trauminhalte zu dokumentieren, besteht darin, den Schlafenden zu wecken und nach seinem Traum zu befragen oder ihn aufschreiben zu lassen. In einer japanischen Studie hat man versucht, diese subjektiven Berichte mit der jeweiligen Aktivierung des Gehirns zu vergleichen. Und da gab es tatsächlich Unterschiede. Man kann aufgrund der Gehirnaktivierung zwar nicht feststellen, was die Person geträumt hat; aber wenn sie von einem Haus geträumt hat, war die Aktivierung doch ein bisschen anders, als wenn sie von Personen träumte. Und es gibt auch noch andere Zusammenhänge: Wenn man im Traum die Hand bewegt, ist der Motorkortex der gegenüberliegenden Gehirnhälfte, der für diese Hand zuständig ist, aktiv. Aber eine genaue Abbildung der Inhalte durch bildgebende Untersuchungen ist bisher noch nicht möglich. Das ist ein sehr komplexes Thema, und die Traumforschung steht auf diesem Gebiet noch ganz am Anfang. 

Da ist man mit der Untersuchung der Gehirnaktivität im Wachzustand schon weiter: Bei einem wachen Menschen kann man z. B. allein aufgrund der Gehirnaktivierung feststellen, ob die betreffende Person gerade meditiert oder nicht.


Früher nahm man an, dass der REM-Schlaf (also die Schlafphase mit den schnellen Augenbewegungen) mit dem Traumschlaf identisch ist. Sie haben in einer Studie gezeigt, dass das nicht so ist.

Prof. Schredl: Der REM-Schlaf wurde ja um die Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt. Wenn man junge Menschen aus diesem Schlafstadium weckte, berichteten sie mit einer 80- bis 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit einen intensiven Traum. Das hat die Schlafforscher zu der Vermutung verleitet, dass hauptsächlich im REM-Schlaf geträumt wird. Inzwischen weiß man, dass das nicht so ist: Wenn man Versuchspersonen aus anderen Schlafphasen aufweckt, kommt man – je nach Studie – auch auf 50 bis 60 % Traumerinnerungen. Wir vermuten, dass die Traumerinnerung deshalb niedriger ist, weil jemand, den man aus dem Tiefschlaf weckt, viel länger braucht, um wach zu werden. Dadurch geht viel von der Traumerinnerung verloren. Aber wir gehen heute davon aus, dass subjektives Erleben eine Basisfunktion des Gehirns ist und dass es keinen Zustand gibt, in dem dieses Erleben nicht vorhanden ist. 

 
Träume scheinen sehr dynamisch und abwechslungsreich zu sein und sehr schnell abzulaufen – ganz anders als im Wachleben, wo man oft stundenlang am Schreibtisch oder vor dem Fernseher sitzt. Im Traum passiert immer etwas. Woran liegt das?

Prof. Schredl: Es ist tatsächlich so, dass längere monotone Tätigkeiten im Traum nicht vorkommen. Das liegt eben daran, dass die Träume eine andere Funktion haben: Es geht nicht darum, die erlebte Wirklichkeit eins zu eins nachzuspielen, sondern darum, neue Verknüpfungen zu schaffen; und da wäre es sinnlos, eine Stunde lang gemütlich herumzusitzen und gar nichts zu tun. Deshalb sind unsere Träume voller Action.
 

Welche Funktion erfüllen Träume für unsere Psyche? Weiß man darüber schon etwas?

Prof. Schredl: Zu den Funktionen des Träumens gibt es eine ganze Reihe von Hypothesen. Das Hauptproblem ist, dass man das nicht so genau untersuchen kann. Natürlich kann man Menschen fragen, was sie geträumt haben, und dann nachprüfen, ob diese Trauminhalte irgendetwas bewirken. Eine amerikanische Forscherin hat Frauen während der Scheidung untersucht und festgestellt: Den Frauen, die von ihrem Exmann geträumt haben, ging es nach einem Jahr besser als denjenigen, die von etwas anderem träumten. Natürlich könnte man jetzt sagen: Diese Frauen haben die Scheidung im Traum verarbeitet; deshalb ging es ihnen anschließend besser. Es könnte aber auch sein, dass die Frauen, die der Forscherin ihren Traum erzählten, über den Trauminhalt nachgedacht haben und es ihnen deshalb besser ging – weil sie sich eben noch einmal mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. Man kann nicht wissenschaftlich sauber unterscheiden, ob der positive Effekt von dem Traum in der Nacht herrührt oder davon, dass das Wachbewusstsein über den Traum nachgedacht hat. Deshalb ist es so schwierig, in einem Experiment nachzuweisen, ob Träume tatsächlich positive Effekte haben. Wenn man über seine Träume nachdenkt, kann man auf jeden Fall davon profitieren; das ist inzwischen schon ganz gut untersucht. Aber bei der Frage, ob der Traum selbst eine Funktion hat, bewegt man sich heute noch auf der Hypothesenebene.
 

Können Träume auch die Kreativität beeinflussen?

Prof. Schredl: Ja. Es gibt viele Beispiele von Künstlern, die kreative Träume haben. Wir haben dieses Phänomen auch in der Normalbevölkerung untersucht und festgestellt, dass auch hier bis zu 8 % der Träume kreative Ideen beinhalten. Das können ganz banale Dinge sein, z. B. dass einem im Traum eine gute Idee für ein Geschenk oder ein schönes Urlaubsziel kommt. Manchmal träumen Studenten, die Probleme mit ihrer Diplomarbeit haben, nachts davon und können das Problem dann lösen. In einer Studie forderten wir unsere Probanden auf, sich abends mit einem Thema zu beschäftigen, bei dem sie das Gefühl hatten, der Traum könnte ihnen eine kreative Lösung dazu bieten. Diese Personen hatten dann tatsächlich mehr kreative Träume. Man kann seine Traumwelt also tatsächlich anzapfen, um sich kreative Anregungen zu verschaffen.

 

Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. Michael Schredl ist weltweit einer der führenden Traumforscher. Er ist Wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg).

Wenn Volkskrankheiten zusammenkommen:


Schnarchen, Schlafapnoe und COPD

Leiden Sie morgens unter schleimigem Husten? Kommen Sie beim Treppensteigen leicht aus der Puste? Fällt Ihnen auf, dass Sie im Winter öfter Infekte bekommen als früher? Dahinter könnte eine Lungenerkrankung stecken, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte: COPD. Vor allem Raucher laufen Gefahr, daran zu erkranken. Kommt dann noch Schnarchen oder gar eine obstruktive Schlafapnoe dazu, verschlimmern sich die Atemwegsprobleme. Wir sprachen mit Professor Helmut Teschler von der Essener Ruhrlandklinik. 
 

Wodurch entsteht eine COPD?

Prof. Teschler: Die häufigste Ursache ist das Rauchen. Außerdem gibt es genetische Faktoren; und auch die Zeit im Mutterleib, die Umstände der Geburt und die ersten Lebensjahre sind von großer Bedeutung. War die Geburt kompliziert, ist das Neugeborene lange Zeit im Brutkasten gewesen, musste es in den ersten Tagen und Wochen seines Lebens beatmet werden? All das erhöht das Risiko für eine spätere COPD.


Was sind denn die ersten Symptome einer COPD? Wann sollte man zum Arzt gehen?

Prof. Teschler: Das klassische Symptom eines Patienten mit COPD ist Atemnot unter Belastung. In Ruhe hat der Patient keine Probleme; aber wenn er im Treppenhaus mehrere Etagen steigen muss, kommt er aus der Puste.


Normalerweise sagt man sich bei Atemnot: „Das liegt am Übergewicht“ oder „Ich werde auch nicht jünger“. Kurzatmigkeit ist normalerweise kein Symptom, bei dem man zum Arzt geht. Woran kann man erkennen, ob dahinter etwas Besorgniserregendes steckt?

Prof. Teschler: Es gibt viele Krankheiten, die Atemnot verursachen. Gerade deshalb sollte man solche Beschwerden unbedingt ärztlich abklären lassen. Bei der COPD gehen die Atembeschwerden stets mit Auswurf und einer erhöhten Infektionsneigung einher.


Meinen Sie mit Auswurf diesen Raucherhusten, den man vor allem morgens hat?

Prof. Teschler: Ja. Klassischerweise ist es ein morgendliches Hüsteln, normalerweise nicht mit einer sehr großen Menge Auswurf. Das Sekret, das da abgehustet wird, ist häufig eher schaumig, ein bisschen klumpig, aber keinesfalls blutig und auch nicht gelb oder grün. Gelbgrüner Auswurf deutet eher auf einen Infekt hin.


Welche diagnostischen Maßnahmen führt der Hausarzt durch?

Prof. Teschler: Der Hausarzt sollte den Patienten zunächst einmal genau befragen: In welchem Zusammenhang tritt die Atemnot auf? Gibt es Auswurf, und wenn ja: wie sieht er aus? Darüber hinaus sollte er eine Spirometrie, also eine Lungenfunktionsuntersuchung durchführen, bei der die sogenannte Ein-Sekunden-Luft gemessen wird: Kann der Patient innerhalb einer Sekunde so viel ausatmen, wie er sollte, oder ist diese Ausatemkapazität eingeschränkt? Natürlich sollte er auch Basisblutuntersuchungen durchführen, um eine genetische Form der COPD festzustellen oder auszuschließen. Je nach Ergebnis sollte er außerdem eine Röntgenuntersuchung veranlassen, vor allem, wenn der Patient über blutigen Auswurf oder schleimigen Husten in Verbindung mit Fieber klagt. Und man muss sich auch die Frage stellen: Ist die Atemnot durch COPD bedingt, oder hat sie eine andere Ursache? Der Hausarzt muss also auch den Blutdruck und die Herzfunktion überprüfen; er sollte ein EKG schreiben und in Abhängigkeit von den Befunden eventuell weitere Untersuchungen veranlassen.

 
Was passiert, wenn die Diagnose COPD feststeht?

Prof. Teschler: Zunächst sollte der Hausarzt mit dem Patienten besprechen, ob er sich bei einem Lungenfacharzt vorstellen möchte. Dieser Lungenfacharzt oder Pneumologe wird die Diagnose bestätigen, den Schweregrad der Erkrankung beurteilen und einen Behandlungsvorschlag machen. Außerdem ist darüber nachzudenken, ob der Patient nicht in ein Disease-Management-Programm für COPD eingeschrieben werden sollte, das heute alle Krankenkassen anbieten.
 

Worin besteht der Vorteil solcher Programme?

Prof. Teschler: Wenn der Patient an einem Disease-Management-Programm teilnimmt, kann er sicher sein, dass er nach vorgegebenen, etablierten Standards behandelt wird. Außerdem erhält er die Möglichkeit zu regelmäßigen Schulungen; er bekommt also mehr Informationen über sein Krankheitsbild, und zwar systematisch vermittelt von hierfür ausgebildeten Trainern. Diese Schulungsprogramme wurden von den medizinischen Fachgesellschaften und der Deutschen Atemwegsliga entwickelt und haben sich sehr bewährt. Darüber hinaus wird die Krankenkasse in ihren Computersystemen auch gelegentliche Abfragen durchführen, um festzustellen, ob es Ungereimtheiten in der Behandlung gibt. Ein klassisches Beispiel: Bekommt ein Patient sehr viel Kortison, dann nimmt ein Mitarbeiter mit dem behandelnden Arzt Kontakt auf und fragt ihn nach dem Grund dafür. Insgesamt wird die Behandlung in den Disease-Management-Programmen sehr viel strukturierter und leitliniengerechter durchgeführt.
 

Dann müssten sich ja eigentlich viele COPD-Patienten für so ein Programm entscheiden …

Prof. Teschler: Richtig. Wir haben in Deutschland Hunderttausende von Patienten, die in ein Disease-Management-Programm für COPD eingeschrieben sind.
 

Grundsätzlich könnte aber auch der Facharzt die Behandlung weiterführen?

Prof. Teschler: Der Facharzt wird dem Hausarzt im Regelfall eine Behandlungsempfehlung geben, und der Hausarzt wird dann die weitere Therapie des Patienten steuern. Natürlich kann es auch sein, dass es sich um ein sehr schweres Krankheitsbild handelt oder viele Begleiterkrankungen vorliegen, sodass dieser Patient grundsätzlich vom Facharzt behandelt werden muss. Doch die meisten Patienten haben eine leichte COPD, die auch vom Hausarzt weiterbetreut werden kann.


Welche Medikamente stehen heute für die Behandlung einer COPD zur Verfügung, und wie wirken sie?

Prof. Teschler: Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten. Die wichtigsten dieser Arzneimittel haben die Aufgabe, die Atemwege weit zu stellen. In der medizinischen Fachsprache heißen sie Bronchodilatatoren. Es gibt kurz- und langwirksame Bronchodilatatoren.
 

Wie oft muss ein COPD-Patient diese Substanzen pro Tag inhalieren?

Prof. Teschler: Das hängt von der Wirkdauer ab. Bei den langwirksamen Bronchodilatatoren gibt es mittlerweile Substanzen, die er nur morgens zu inhalieren braucht. Die kurzwirksamen Substanzen sollte er eigentlich nicht als Basistherapie verwenden, sondern nur akut, also wenn er unter Atembeschwerden leidet. Die wirken kurz und rasch; er wird sie also häufiger anwenden müssen, spürt die Wirkung aber bereits nach wenigen Minuten.


Das heißt, er sollte diesen kurzwirksamen Bronchodilatator eigentlich immer dabei-haben, gewissermaßen als Notfallmedikament für den Fall, dass er Atemnot bekommt?

Prof. Teschler: Das kurzwirksame Spray hat er in der Hosentasche; das langwirksame Spray sollte er im Regelfall zu Hause aufbewahren.
 

Viele COPD-Patienten wenden ihren Inhalator falsch an, was den Therapieerfolg beeinträchtigt. Wie kommt es zu diesen Fehlern?

Prof. Teschler: Viele Ärzte schulen ihre Patienten eben leider nicht ausreichend. Der Apotheker tut das ebenfalls nicht; er verkauft die Produkte nur. Und die Berufsfachgruppen, die in dieser Hinsicht große Erfahrung haben – beispielsweise Atmungstherapeuten – sind leider nicht flächendeckend vorhanden. Auch deshalb ist die Teilnahme an einem Disease-Management-Programm sinnvoll. Aber natürlich ist hier auch die Eigeninitiative des Patienten gefragt. Er sollte zu seinem Arzt oder Apotheker sagen: „Die erste Anwendung würde ich gerne von Ihnen gezeigt bekommen.“ Und wenn ein Patient zur Untersuchung zum Arzt kommt, sollte er ihm seine Inhalationstechnik vorführen. Außerdem gibt es mittlerweile in Deutschland für alle Inhalationsgeräte Filme auf YouTube, in denen die Anwendung gezeigt wird. Man braucht nur den Namen des Medikaments einzugeben. 


Manchmal treten auch phasenweise Verschlechterungen der COPD (sogenannte Exazerbationen) auf. Wie kommt es dazu?

Prof. Teschler: Die Ursachen hierfür sind bis heute nicht genau bekannt. Es können virale oder bakterielle Infekte oder auch Entzündungen dahinterstecken. Im Herbst und Winter kommen solche Exazerbation besonders häufig vor.


Dann muss der Patient seinen Arzt aufsuchen?

Prof. Teschler: Nicht jeder Patient mit einer Exazerbation muss zum Arzt gehen. Es kommt immer darauf an, wie ausgeprägt die Exazerbation ist. Einige Patienten haben bereits während der Schulung im Rahmen des Disease-Management-Programms Informationen erhalten, wie sie mit einer solchen Verschlechterung ihrer Erkrankung umgehen können. Ist die Exazerbation mild (das heißt, der Patient hat zwar vermehrt Atemnot und vielleicht auch etwas mehr Auswurf, ist in seiner Lebensqualität aber nicht stark beeinträchtigt), dann muss er seine Sprays eventuell häufiger anwenden. Vielleicht hat er von seinem Arzt auch die Anweisung erhalten, dass er dann für vier oder fünf Tage Kortison in Tablettenform einnehmen soll. Wenn das Problem dadurch nicht innerhalb von ein paar Tagen besser wird, muss er seinen Arzt aufsuchen. Wenn ein Patient im Rahmen einer Exazerbation schwergradige Atemnot bekommt oder unter einer schweren COPD mit Begleiterkrankungen leidet, muss er auf jeden Fall zum Arzt gehen und vielleicht sogar ins Krankenhaus eingewiesen werden.

 
Was kann man als Patient tun, um seinen Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen?

Prof. Teschler: Am wichtigsten ist es, alle Ursachen für die COPD auszuschalten. Insofern muss ein Rauchstopp tatsächlich der erste Schritt sein. Da COPD-Patienten sich häufig mit Pneumokokken infizieren und dann an einer Lungenentzündung erkranken, sollten sie außerdem eine Pneumokokkenimpfung erhalten. Eine regelmäßige Grippeschutzimpfung ist ebenfalls zu empfehlen. Die dritte wichtige Maßnahme besteht darin, bereits in einem frühen Krankheitsstadium die körperliche Aktivität zu intensivieren. Dazu gibt es in Deutschland Lungensportgruppen. Der Lungensport kann vom Arzt verordnet werden.


COPD-Patienten leiden ja auch oft unter Begleiterkrankungen … 

Prof. Teschler: Richtig. Viele dieser Probleme stehen mit Bewegungsmangel oder einer Kortisontherapie in Verbindung: Hier spielen unter anderem Osteoporose, Gelenkprobleme und muskuläre Defizite eine Rolle. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. koronare Herzerkrankung, Herzmuskelschwäche oder Bluthochdruck) kommen bei COPD-Patienten häufiger vor, weil das Rauchen nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz-Kreislauf-System schädigt. In fortgeschrittenen Stadien der COPD – finden sich – vor allem bei übergewichtigen Patienten – nicht selten erhebliche nächtliche Probleme im Schlaf bis hin zu schweren Sauerstoffmangelsituationen im Traumschlaf oder gar einer obstruktiven Schlafapnoe. Auch das muss im Gesamtbehandlungskonzept mitberücksichtigt werden.

Eine weitere wichtige Begleiterkrankung bei COPD, die die Patienten dem Arzt oft schamhaft verschweigen, ist Inkontinenz. Dieses Problem betrifft Frauen häufiger als Männer. Durch Vermeidung von Hustenanfällen und Beckenbodengymnastik bekommt man es aber gut in den Griff.


Gibt es eigentlich auch Zusammenhänge zwischen Schnarchen und COPD?

Prof. Teschler: Bei normaler Atmung herrscht in den oberen Atemwegen – sowohl in Ruhe als auch unter Belastungsbedingungen und im Schlaf – eine Luftströmung ohne Turbulenzen. Wenn man nun zu schnarchen anfängt, es also zu Vibrationen in den oberen Atemwegen kommt, entsteht dadurch eine turbulente Luftströmung, bei der Bestandteile der Mund- und Rachenflora mit dem Luftstrom in die Tiefe der Atemwege gerissen werden. Dadurch gelangen mehr Keime aus den oberen in die tiefen Atemwege. Je ausgeprägter das Schnarchen ist – je länger und je häufiger pro Woche man schnarcht –, umso größer ist das Risiko für das Fortschreiten einer COPD und für die Entstehung von Exazerbationen infolge von Infekten und entzündlichen Veränderungen.


Ein Schnarcher, der unter COPD leidet, sollte also etwas gegen diese nächtliche Atemstörung tun, weil er damit auch seine COPD positiv beeinflussen kann?

Prof. Teschler: In erster Linie ist das Schnarchen ja ein soziales Problem. Es kann aber auch mit Atemaussetzern einhergehen. Dann liegt eine sogenannte obstruktive Schlafapnoe – krankhaftes Schnarchen mit nächtlichen Atemstillständen – vor. Das sollte bei Schnarchern unbedingt abgeklärt werden. Hierfür gibt es eine sehr einfache Untersuchungsmethode: die Polygrafie, die niedergelassene Lungenfachärzte ambulant (also beim Patienten zu Hause) durchführen können. Finden sich bei dieser Polygrafie Hinweise auf eine Schlafapnoe, muss der Patient zur weiteren Abklärung und Behandlung in ein Schlaflabor.

Handelt es sich nur um bloßes Schnarchen oder um eine leichte Schlafapnoe, so sollte man dieses Problem bei COPD-Patienten meiner Meinung nach ebenfalls therapieren. Dazu braucht man aber nicht immer eine Überdruckbeatmung, bei der der Patient nachts eine Maske auf der Nase tragen muss. Denn das CPAP-Gerät ist ja für viele Patienten ein Schrecken. Im Regelfall ist diese Therapie heute bei leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe und bei schwerem Schnarchen nicht mehr unbedingt die Methode der Wahl. Inzwischen gibt es andere Behandlungsmöglichkeiten. Protrusionsschienen, die den Unterkiefer vorziehen und den Schlund weiten, können zum Beispiel sehr hilfreich sein.

 

Professor Dr. Helmut Teschler ist Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik in Essen, einem Fachkrankenhaus für die medikamentöse und operative Behandlung von Erkrankungen der Atmungsorgane.

Ruhrlandklinik
Tüschener Weg 40
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Tel.: 0201 433-01
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