Liebe Leserin, lieber Leser,
bereits in der letzten Ausgabe des Schlafmagazins haben wir über die neuesten Erkenntnisse in der Therapie der Schlafapnoe berichtet. Stichworte: Präzisionsmedizin und Phänotypisierung. In diesem Heft können Sie ausführlich über das Thema lesen. Mit seinen Forschungsprojekten zur Phänotypisierung von Schlafapnoe-Patienten leistet der australische Schlafforscher Prof. Dr. Danny Eckert Pionierarbeit. Viele der von ihm erforschten neuen diagnostischen Methoden und Therapieverfahren müssen erst noch im Rahmen größerer Studien getestet werden, bevor man Schlafapnoiker routinemäßig damit behandeln kann. Aber es könnte schon in den nächsten Jahren so weit sein, dass Schlafapnoe-Patienten, die mit ihrer derzeitigen Behandlung nicht zufrieden sind oder diese nicht vertragen, in den Genuss solcher neuen Therapiealternativen kommen. Wir haben den innovativen jungen Schlafmediziner interviewt und gefragt, wie die Zukunft aussieht.
» weiterlesenMit Prof. Oster von der Uni Lübeck sprachen wir über unseren inneren Rhythmus und wir berichten über das Restless Legs Syndrom (RLS): RLS ist gar nicht so leicht zu behandeln. Oft helfen die Medikamente nicht, reichen nicht aus oder haben unerwünschte Nebenwirkungen. Vor allem ein Phänomen macht vielen RLS-Patienten zu schaffen: die Augmentation, bei der die Beschwerden trotz Behandlung nach einer gewissen Zeit wieder schlimmer werden, zu einer früheren Tageszeit einsetzen oder sich von den Beinen auf die Arme oder andere Körperteile ausdehnen.
Viele Herzinsuffizienz-Patienten leiden unter einer Sonderform der zentralen Schlafapnoe: der Cheyne-Stokes-Atmung. Dabei gerät der nächtliche Atemrhythmus total durcheinander: Atemtiefe und Atemfrequenz schwellen während des Schlafs periodisch an und ab, wobei es zwischendurch immer wieder zu Atemstillständen (Apnoen) kommt. Bis heute ist leider noch nicht genau geklärt, ob – und wie – diese schlafbezogene Atemstörung behandelt werden sollte. Es gibt jedoch bereits einige vielversprechende Therapieansätze, die wir Ihnen hier vorstellen.
Zum Schluss noch ein Wort zu dem lustigen Pelztier hier: Das ist unser Azubi „Willi“. Er hat sich in jeder Hinsicht bewährt, sodass wir ihn in ein lebenslanges Familien- und Arbeitsverhältnis übernommen haben.
Ihnen allen einen schönen Sommer!
Ihre
Dr. Magda Antonic
14 Neue Schlafapnoe-Therapieansätze
könnten schon innerhalb der nächsten Jahre für viele Patienten zugänglich werden!
18 Leben nach dem eigenen inneren Rhythmus:
Warum Lerchen es in unserer Gesellschaft besser haben als Eulen
22 Altern – auch die innere Uhr tickt mit!
Warum wir im Alter schlechter schlafen und was man dagegen tun kann
27 Wenn nachts der Atem stockt
28 Neue Leitlinie bietet Orientierungshilfe
Therapieversagen bei Restless Legs Syndrom – was tun?
34 COPD-Beatmungsgerät aus der Ideenschmiede FLO
Das meistert Vigaro®
36 Cheyne-Stokes-Atmung
Soll man sie behandeln – und wenn ja: wie?
40 Das Problem mit der Hygiene
Maskenreinigung leicht gemacht
42 Nachdenken über Schlafzimmer & Bett
Chance für den erholsamen Schlaf
44 Lange Odyssee bis zur Schlafapnoe-Diagnose
44 Jubiläen
44 Leserbrief
46 Quiz: Pflege des Befeuchters
47 „Müde war gestern“
Ratgeber für Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen
Marion Zerbst, Werner Waldmann
Obstruktive Schlafapnoe – da denkt jeder gleich an übergewichtige Menschen mit hängendem Doppelkinn, das ihnen nachts die Luft abschneidet, mit fliehendem Unterkiefer oder mit Engstellen im Rachenraum aufgrund zu großer Gaumenmandeln oder einer zu dicken Zunge. Doch ganz so einfach ist es nicht: Es gibt auch Menschen mit ungünstigen Bedingungen in den oberen Atemwegen, die trotzdem nicht unter nächtlichen Atemaussetzern leiden. Denn neben verengten oberen Atemwegen kennt man inzwischen auch noch verschiedene nicht-anatomische Faktoren, die die Entstehung einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) begünstigen. Setzt man bei diesen Ursachen an, so lässt sich der Behandlungserfolg verbessern; außerdem könnte man damit vielleicht so manchem Schlafapnoiker die ungeliebte CPAP-Therapie ersparen. Noch steckt die individualisierte Schlafapnoe-Therapie leider in den Kinderschuhen; doch es gibt bereits erste verwertbare Erkenntnisse darüber, welcher OSA-Patient auf welche Therapie voraussichtlich gut ansprechen wird.
Anscheinend kommen viele kluge schlafmedizinische Köpfe aus Australien. Nach Colin Sullivan, dem legendären Erfinder der CPAP-Therapie, hat das Land der Kängurus und Krokodile nun einen weiteren Pionier in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe hervorgebracht. Prof. Danny Eckert forscht in seinem schlafmedizinischen Zentrum in Sydney an neuen diagnostischen Methoden, mit deren Hilfe sich Schlafapnoe-Patienten in verschiedene Untergruppen (sogenannte Phänotypen) einteilen lassen, und an Behandlungsverfahren, die eine individualisiertere Behandlung dieser schlafbezogenen Atmungsstörung ermöglichen sollen. Wichtige neue Ergebnisse seiner Forschungsarbeit präsentierte er im April dieses Jahres auf dem Kongress der International Surgical Sleep Society (ISSS) in München.
Eine lange Odyssee
„Beim Verdacht auf Schlafapnoe steht dem Patienten eine lange, beschwerliche Odyssee bevor“, sagt Prof. Eckert. „Er geht zunächst einmal zu seinem Hausarzt, um über seine Beschwerden zu sprechen. Dieser überweist ihn zur Diagnostik an einen Facharzt; dann folgt eine Untersuchung im Schlaflabor – und dann wird ihm meistens ein CPAP-Gerät, manchmal vielleicht auch eine Unterkieferprotrusionsschiene oder eine andere Therapie verordnet.“ Doch bei rund 50 % aller Patienten führen Gerät und Maske nicht zum gewünschten Behandlungserfolg, weil der Patient sie entweder von vornherein ablehnt oder aufgrund von Therapieproblemen nicht oder nur unregelmäßig nutzt.
„Kommt ein Patient mit der CPAP-Therapie nicht zurecht, so geht er vielleicht irgendwann zu einem anderen Schlafmediziner, und ihm wird jetzt möglicherweise eine Schienentherapie oder Operation empfohlen.“ Entscheidet er sich für eine Schiene, so muss er wiederum mehrfach zu einem Arzt – diesmal zum Zahnarzt, der zunächst untersucht, ob der Patient sich überhaupt für eine Schienentherapie eignet, ihm diese dann anpasst, ihn in den Umgang damit einweist und zu Kontrolluntersuchungen einbestellt. Doch auch bei der Schienentherapie ist der Erfolg alles andere als sicher: „Wir haben immer noch keine Prädiktoren dafür“, beklagt Prof. Eckert. Und auch bei den meisten chirurgischen Verfahren ist der Therapieerfolg oft unvorhersehbar.
„Viele Patienten werfen auf diesem langen Weg irgendwann das Handtuch oder wollen sich von vornherein nicht auf so eine Odyssee einlassen“, sagt Prof. Eckert. Deshalb hält er es für einen Fehler, alle OSA-Patienten über einen Kamm zu scheren: „Die optimale Therapie kann von Patient zu Patient sehr verschieden sein.“ Und das bisherige Arsenal an Behandlungsmethoden – CPAP, Zahnschienen, HNO-Chirurgie, Zungenschrittmacher – reicht bei weitem noch nicht aus, um der Komplexität dieses Krankheitsbildes gerecht zu werden.
Im Rahmen seiner Forschungsarbeit hat Prof. Eckert vier wichtige Ursachen für eine obstruktive Schlafapnoe herausgearbeitet, aus der sich verschiedene Therapieansätze ableiten lassen.
Die Hauptursache sind anatomische Beeinträchtigungen, die mit einer Verengung der oberen Atemwege einhergehen. Doch nicht jeder Patient mit solchen anatomischen Engstellen leidet auch tatsächlich an einer OSA. Es gibt nämlich drei nicht-anatomische Faktoren, die darüber entscheiden, ob jemand nächtliche Atemaussetzer entwickelt oder nicht.
„Um eine obstruktive Schlafapnoe effektiv behandeln zu können, müssen wir über diese Faktoren Bescheid wissen“, betont Prof. Eckert. „Denn wenn wir die individuellen Ursachen genau kennen, können wir die Erfolgsraten bereits bestehender Behandlungsmethoden verbessern und neue Therapien und Kombinationstherapien entwickeln.“
Bei der Diagnostik einer obstruktiven Schlafapnoe – und natürlich auch bei der daraus folgenden Therapieentscheidung – sollte sich der Schlafmediziner idealerweise vier verschiedene Fragen stellen:
1. Wie stark ist die Kollapsibilität der
oberen Atemwege (also ihre Neigung, während des Schlafs zusammenzufallen)?
2. Wie stark ist die muskuläre Antwort auf die Kollapsneigung, d. h. inwieweit können Muskeln, die für das Offenhalten der oberen Atemwege zuständig sind, „dagegenhalten“?
3. Wie niedrig bzw. wie hoch ist die Arousal-Schwelle des Patienten?
4. Wie stark ist seine Atemantwort auf Apnoen?
1. Wie stark ist die Kollapsibilität der oberen Atemwege?
Dafür gibt es verschiedene anatomische Ursachen: beispielsweise Übergewicht, das nicht nur zur Ablagerung von Fettgewebe im Halsbereich und in der Zunge führt, sondern (über das Bauchfett) auch das Lungenvolumen reduzieren kann. Auch ein zu schmaler oder zurückgesetzter Unterkiefer („fliehendes Kinn“) verengt den Atemweg und kann zur Entstehung einer obstruktiven Schlafapnoe führen.
Doch bei rund 20 % aller OSA-Patienten ist die Kollapsibilität der oberen Atemwege nicht stärker ausgeprägt als bei schlafgesunden Patienten. Schon allein das beweist, dass hinter einer obstruktiven Schlafapnoe mehr stecken muss als eine bloße Verengung des Atemwegs.2
2. Wie stark ist die muskuläre Antwort?
Wenn die atemwegserweiternden Muskeln gut funktionieren, können sie einem Kollaps der oberen Atemwege entgegenwirken und vor Apnoen schützen: Das heißt, die Atemwege fallen im Schlaf dann trotzdem nicht zusammen, weil sie von den Muskeln offengehalten werden. Eine besonders wichtige Rolle kommt dabei dem Kinn-Zungen-Muskel (Musculus genioglossus) zu. So ist es zu erklären, dass manche Menschen trotz ungünstiger anatomischer Verhältnisse in den oberen Atemwegen nicht unter nächtlichen Atemstillständen leiden.
Das hängt allerdings nicht von der Kraft dieser Muskeln, sondern von anderen Faktoren wie z. B. Koordination, Effizienz, Ermüdbarkeit und von ihrer Fähigkeit ab, auf Signale wie beispielsweise eine Verengung der Atemwege, eine Abnahme des Sauerstoff- und einen Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Blut zu reagieren. Liegt eine Fehlfunktion dieser Muskulatur vor, so kann sie nicht – oder nicht in ausreichendem Maß – gegen den Atemwegskollaps ankämpfen, und es kommt zu Apnoen.
3. Wie niedrig bzw. wie hoch ist die Arousal-Schwelle?
Bei jedem Schlafapnoe-Patienten führt ein obstruktives Ereignis – also eine Apnoe oder Hypopnoe – früher oder später zu einer kurzen Weckreaktion, einem sogenannten Arousal; denn sonst würde er ja an seinem Atemstillstand ersticken. Immer wenn der Unterdruck im Brustraum einen bestimmten Grad erreicht, wacht der Patient auf.
Dadurch werden die Muskeln im Bereich der oberen Atemwege aktiviert; der Patient holt mit einem lauten Schnarchen Luft und atmet dann wieder eine Zeitlang normal weiter.
Diese Weckschwelle ist von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägt. Ist sie zu niedrig, so hat das ungünstige Auswirkungen. Denn dann erwacht er schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit in seiner Atmung, auch wenn es vielleicht nur eine geringfügige Atemflusslimitation ist. Dadurch wird nicht nur sein Schlaf stark fragmentiert und unerholsam; er kommt auf diese Weise oft auch gar nicht erst in tiefere Schlafstadien hinein, in denen die Atmung stabiler ist und weniger oder gar keine Apnoen auftreten.
Außerdem bleibt bei zu raschem Aufwachen auch nicht genügend Zeit für die Aktivierung der Muskulatur der oberen Atemwege, die notwendig ist, um dem Kollaps entgegenzuwirken. Eine zu niedrige Arousal-Schwelle trägt also zur Aufrechterhaltung der Apnoen bei und verschlimmert die schlafbezogene Atemstörung. Untersuchungen zufolge liegt sie bei 30 bis 50 % aller Schlafapnoiker vor; bei den nicht fettleibigen OSA-Patienten beträgt der Anteil sogar über 85 %.
Offenbar ist die Höhe der Arousal-Schwelle genetisch bedingt – man kann als Patient also nichts dagegen tun. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Zurzeit werden Möglichkeiten erforscht, diese Schwelle medikamentös zu beeinflussen.
4. Wie stark ist die Atemantwort auf Apnoen?
Das zentrale Atmungskontrollsystem im Gehirn steuert die Aktivität der atemwegserweiternden Muskeln und reagiert dabei auf apnoebedingte Reize wie Sauerstoffmangel oder einen zu hohen Kohlendioxidgehalt im Blut. Auch hier gilt leider: Wer zu empfindlich reagiert, ist im Nachteil – denn wenn die Reaktionen dieses Steuerungssystems zu stark ausfallen, kommt es zu einer Instabilität der Atmungskontrolle, die den Schweregrad der Schlafapnoe verstärkt.
Bei Patienten mit schwerer Schlafapnoe fällt die Atemantwort auf Apnoen stärker aus als bei Patienten mit weniger schwerer OSA; oft reagiert ihr Atemzentrum schon auf geringe Veränderungen des Kohlendioxidspiegels im Blut mit einer starken Atemantwort. Das führt zu einem zu niedrigen Kohlendioxidgehalt im Blut (weil zu viel Kohlendioxid abgeatmet wird) und einer Senkung des Atemantriebs, wodurch sich der Kollaps der oberen Atemwege perpetuiert. Bei über einem Drittel aller Schlafapnoe-Patienten liegt eine solche respiratorische Instabilität vor.2
Die Drei-Drittel-Regel
Nach neuestem Forschungsstand weisen rund 70 % aller Schlafapnoe-Patienten einen oder mehrere nicht-anatomische Faktoren auf, die zu ihrer schlafbezogenen Atemstörung beitragen. Bei rund einem Drittel arbeiten die Muskeln, die die oberen Atemwege nachts offen halten, nicht effizient genug. Bei einem weiteren Drittel (37 %) ist die Arousal-Schwelle zu niedrig und beim letzten Drittel die Atmungskontrolle zu instabil. (Natürlich gibt es auch Patienten, bei denen mehrere nicht-anatomische Faktoren gleichzeitig vorliegen.)
Aus der Interaktion und Gewichtung der vier Schlafapnoe-Ursachen ergeben sich unterschiedliche OSA-Phänotypen und -Schweregrade: Bei manchen Patienten ist die Schlafapnoe in erster Linie anatomisch bedingt, während die anderen drei Faktoren kaum eine Rolle spielen. Andere weisen unterschiedliche Kombinationen aus anatomischen und nicht-anatomischen Ursachen auf.
Rein anatomische Behandlungsmethoden: nicht das Gelbe vom Ei
Leider stützt sich die Therapieentscheidung bei OSA derzeit vor allem auf den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und die Symptome des Patienten (z. B. das Ausmaß seiner Tagesschläfrigkeit). Den meisten Patienten wird zunächst eine CPAP-Therapie verordnet. Falls sie diese schlecht vertragen – was häufig der Fall ist –, werden normalerweise Zweitlinientherapien (z. B. Unterkieferprotrusionsschienen oder chirurgische Eingriffe an den oberen Atemwegen) ausprobiert – aber nicht zielgerichtet, sondern oft eher nach einem Versuch-und-Irrtum-Verfahren mit wechselndem Erfolg. Wenn wir bei jedem Patienten genau wüssten, welchen Beitrag die drei nicht-anatomischen Faktoren zu seinem Krankheitsbild leisten, könnten wir bestimmten Patientengruppen, die CPAP entweder nicht vertragen oder gar nicht erst ausprobieren möchten, zielgerichtete Nicht-CPAP-Therapien anbieten!1
Die meisten zurzeit existierenden Behandlungsmethoden der obstruktiven Schlafapnoe (CPAP, Unterkieferprotrusionsschiene, Gewichtsreduktion, Positionstherapie, chirurgische Eingriffe an den oberen Atemwegen) setzen nur bei den anatomischen Ursachen an. Oft lässt eine OSA sich damit nicht zufriedenstellend behandeln; die Therapieerfolge sind teilweise ziemlich variabel und nicht immer vorhersehbar. Außerdem haben diese Therapieverfahren diverse Nachteile und werden von vielen Patienten schlecht vertragen oder gar abgelehnt.
Auf dem Weg zu einer individualisierten Therapie
Trotz all dieser Nachteile muss die oberste Priorität – so betont Prof. Eckert – nach wie vor darin bestehen, gegen die anatomisch bedingte Verengung der oberen Atemwege vorzugehen, da diese die Hauptursache der Schlafapnoe ist. Daher ist es wichtig, die bereits bestehenden anatomischen Therapien zur Eröffnung der Atemwege nach Möglichkeit zu optimieren (z. B. mit Strategien zur Verbesserung der Compliance).
Doch auch die drei nicht-anatomischen OSA-Ursachen bieten wichtige Ansatzpunkte für eine Behandlung. Diese nicht-anatomischen Therapieansätze können den OSA-Schweregrad zwar nicht so wirksam reduzieren wie CPAP; doch wenn man sie zielgerichtet einsetzt (also genau die richtige Therapie für den richtigen Patienten findet), können sie in bestimmten Fällen durchaus zu einer Beseitigung der schlafbezogenen Atemstörung führen. So kann man manchem Schlafapnoe-Patienten die CPAP-Therapie ersparen und eine bequemere oder bessere Alternative anbieten.
Und nicht nur das: „Wenn man diese vier Patientencharakteristika quantifiziert, kann man genau vorhersagen, welche Behandlungsmethode bei welchem Patienten Erfolg haben wird und welche nicht“, so Danny Eckert. „Denn es ist naheliegend, dass die optimale Therapie (oder Therapien) für Patienten mit einer starken anatomischen Verengung der oberen Atemwege ganz anders aussieht als für Patienten mit nur leichter anatomischer Beeinträchtigung.“1 Je nach der bei ihnen vorliegenden Kombination und Gewichtung der vier verschiedenen OSA-Ursachen teilt Prof. Eckert die Patienten in mehrere Kategorien ein, die jeweils unterschiedlich behandelt werden sollten.
So bringt man die Muskeln auf Trab
Eine noch relativ neue OSA-Behandlungsmethode, die sich aber immer mehr etabliert, ist der Zungenschrittmacher. Dabei wird der Unterzungennerv, der den Kinn-Zungen-Muskel (Musculus genioglossus) innerviert, durch elektrische Impulse stimuliert. Dadurch lässt sich der AHI um über 50 % senken, und auch die Tagesschläfrigkeit lässt nach – allerdings nur bei Patienten, die bestimmte anatomische Voraussetzungen erfüllen. Nach derzeitigem Stand kommt diese Therapie daher für viele Patienten nicht in Frage.
Eine weitere Möglichkeit besteht in einem Training der Muskeln, die die oberen Atemwege erweitern. Dazu gibt es verschiedene Methoden. Untersuchungen zeigen, dass sich auch dadurch der AHI im Durchschnitt um etwa 50 % senken lässt und Schnarchen und Tagesschläfrigkeit nachlassen. Warum das so ist, weiß man nicht, da diese Trainingsmethoden noch nicht so genau erforscht sind; möglicherweise nehmen dadurch Fettablagerungen in der Zunge ab, wodurch die oberen Atemwege weiter werden.
Auch eine Verbesserung der muskulären Situation durch Medikamente ist denkbar. Einige Arzneimittel wurden bereits untersucht: So wirkt das trizyklische Antidepressivum Desipramin beispielsweise einer Abnahme der Muskelaktivität des Kinn-Zungen-Muskels während des Schlafs entgegen und reduziert bei gezielt ausgewählten Patienten den Schweregrad der Schlafapnoe, ohne sich negativ auf Schlafarchitektur oder -effizienz auszuwirken. Leider befindet sich dieser Therapieansatz aber noch im experimentellen Stadium: Bisher sind keine Substanzen für die Behandlung der OSA zugelassen.2, 6
So lässt sich die Arousal-Schwelle erhöhen
Bestimmte Schlafmittel können die Weckschwelle der Patienten erhöhen, sodass sie nicht gleich beim geringsten obstruktiven Ereignis wach werden. Das kann man z. B. durch Standarddosen von Eszopiclon (3 mg), Zopiclon (7,5 mg) oder Trazodon (100 mg) erreichen und den AHI auf diese Weise um 25 bis 50 % senken.
Bisher galt die Verabreichung von Schlafmitteln mit muskelentspannender Wirkung (zu denen auch Z-Substanzen wie Zopiclon und Eszopiclon gehören) bei Schlafapnoikern als nicht unbedingt empfehlenswert, weil zu befürchten ist, dass die Muskulatur der oberen Atemwege dadurch über Gebühr erschlafft und die Schlafapnoe sich verschlimmert. Dies scheint allerdings nicht bei allen diesen Substanzen der Fall zu sein: Neueren Untersuchungen zufolge reduzieren Standarddosen von Temazepam (10 mg), Zopiclon (7,5 mg) und Zolpidem (10 mg) die Aktivität des Kinn-Zungen-Muskels im Schlaf nicht. Durch Zolpidem erhöht sich die Muskelaktivität paradoxerweise sogar!2
Um herauszufinden, ob Schlafmittel eine niedrige Arousal-Schwelle bei OSA-Patienten erhöhen und gleichzeitig den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) senken können, führten Prof. Eckert und sein Team im Jahr 2011 eine Studie mit 17 OSA-Patienten durch, die abends vor dem Schlafengehen entweder 3 mg Eszopiclon oder ein Scheinmedikament (Placebo) erhielten und bei denen anschließend eine Polysomnografie durchgeführt wurde. (Bei Eszopiclon handelt es sich um eine Z-Substanz, die ähnlich wie das bei uns in Deutschland erhältliche Zopiclon wirkt.)
Im Vergleich zu Placebo erhöhte Eszopiclon die Arousal-Schwelle signifikant, verlängerte die Schlafdauer, verbesserte die Schlafqualität und senkte den AHI, ohne dass sich die Apnoen dadurch verlängerten oder Hypoxämien sich verschlimmerten. Die Schlafdauer verlängerte sich, und die Schlafqualität wurde besser. Bei den acht Patienten, bei denen zuvor festgestellt worden war, dass sie eine niedrige Arousal-Schwelle hatten, ließ sich der AHI durch das Schlafmittel am stärksten (nämlich um rund 45 %) senken. Allerdings sank der AHI nur bei zwei dieser acht Patienten von über auf unter zehn obstruktive Ereignisse pro Stunde. Daraus schließt Prof. Eckert, dass bei Patienten mit zu niedriger Arousal-Schwelle wohl auch noch andere Ursachen an der Entstehung der obstruktiven Schlafapnoe beteiligt sein müssen. Möglicherweise ließe sich der AHI bei diesen Patienten durch eine höhere Schlafmitteldosis noch weiter senken; doch das könnte sich wiederum negativ auf die Funktion der atemwegserweiternden Muskeln auswirken. Vielleicht werden für diese Patientengruppe auch ganz andere Schlafmittel notwendig sein, die den Schlafstadium-2- und Schlafstadium-3-Anteil noch mehr erhöhen, ohne die Muskulatur der oberen Atemwege zum Erschlaffen zu bringen.
Ferner ist bislang noch unklar, ob die durch die medikamentöse Erhöhung der Weckschwelle erreichte Stabilisierung der Atmung sich auch positiv auf das Herz-Kreislauf-Risiko bei OSA-Patienten auswirkt; schließlich könnte es ja sein, dass längere Phasen eines Unterdrucks im Brustraum aufgrund einer stabilen, aber eben doch leicht flusslimitierten Atmung das Herz belasten. Auch dies muss erst noch im Rahmen größerer Studien untersucht werden.4
In einer späteren Studie aus dem Jahr 2014 verabreichten Prof. Eckert und seine Kollegen 30 Schlafapnoe-Patienten mit niedriger bis mittelhoher Arousal-Schwelle einen Monat lang jeden Abend entweder 7,5 mg Zopiclon oder Placebo. Auch bei diesen Patienten sank der AHI durch das Zopiclon, allerdings nur leicht und statistisch nicht signifikant.5 „Und doch gab es eine sehr wichtige Veränderung: Die Schlafeffizienz der Patienten verbesserte sich, und sie litten nicht mehr unter Restschläfrigkeit bei Tage“, betont Danny Eckert. „Wir wissen, dass viele Schlafapnoe-Patienten gleichzeitig auch Ein- und Durchschlafstörungen haben; also könnte diese Konsolidierung des Schlafs durchaus eine wichtige Rolle spielen.“
Allerdings weiß man nicht, ob Hypoxämien (Sauerstoffentsättigungen im Blut) sich durch die Gabe solcher Medikamente nicht womöglich verschlimmern können; und bisher ließ sich die Arousal-Schwelle dadurch auch nur in recht geringfügigem Maß erhöhen. Und natürlich muss man auch an die mit solchen Schlafmitteln einhergehenden Risiken (Suchtgefahr, Toleranzentwicklung bei dauerhafter Einnahme) denken. Allerdings ist diese Gefahr bei Z-Substanzen geringer als bei Benzodiazepinen.2
Kurzum: Es sind noch weitere, auf einen längeren Zeitraum angelegte Studien erforderlich, um das Nutzen-Risiko-Profil von Schlafmitteln in dieser Indikation genauer zu untersuchen.2
Was hilft gegen eine Instabilität der Atmungskontrolle?
Solchen Patienten kann eine nächtliche Sauerstofftherapie helfen und den AHI um ungefähr 50 % senken, da sie die Chemosensibilität gegenüber Kohlendioxid reduziert. Allerdings handelt es sich dabei um eine etwas umständliche Behandlungsmethode, denn der Sauerstoff muss über eine Nasenkanüle verabreicht werden; und man weiß auch noch nicht, ob sie auch gegen Herz-Kreislauf-Begleiterkrankungen der Schlafapnoe wie beispielsweise einen zu hohen Blutdruck hilft.3
Der Carboanhydrasehemmer Acetazolamid, der normalerweise zur Senkung eines zu hohen Augeninnendrucks und zur Behandlung von Wasseransammlungen im Körper eingesetzt wird, aber auch die Atmung stimuliert und die atemwegserweiternden Muskeln rekrutiert, konnte in einer Studie die Atemantwort auf Apnoen bei rund 40 % der OSA-Patienten senken. Acetazolamid reduziert den AHI im Non-REM-Schlaf um ungefähr 50 %. Allerdings kann dieses Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Schwindel verursachen.
Ferner kann die Atemantwort auf obstruktive Ereignisse auch als Prädiktor für den Erfolg operativer Eingriffe im Bereich der oberen Atemwege dienen: Patienten, die auf solche Operationen gut ansprechen, haben im Allgemeinen ein sehr viel stabileres Atmungskontrollsystem.
Verschiedene Kategorien von Schlafapnoe-Patienten
Fettleibigen Apnoikern und Patienten mit sehr schwerer Schlafapnoe ist mit einer CPAP-Therapie am besten geholfen: Bei ihnen ist die Kollapsibilität der oberen Atemwege so ausgeprägt, dass andere Therapieansätze nicht ausreichen würden, um ihnen zu helfen.
Hingegen liegen bei Patienten mit nur leicht ausgeprägter anatomischer Verengung der Atemwege (diese machen knapp 20 % aller Schlafapnoiker aus) stets nicht-anatomische Ursachen vor, die man bekämpfen kann und sollte.
85 % aller OSA-Patienten haben eine mittelschwere anatomische Beeinträchtigung; bei zwei Dritteln dieser Patienten liegen wiederum gleichzeitig auch eine oder mehrere nicht-anatomische Schlafapnoe-Ursachen vor. Bei diesen Patienten wäre nach Meinung von Prof. Eckert eine Kombination aus anatomischen und nicht-anatomischen Behandlungsmethoden sinnvoll.
Schlank und trotzdem Atemaussetzer – was tun?
Auch das Gewicht des Patienten ist ein wichtiger Indikator dafür, welche Therapie ihm am besten helfen könnte. „Rund 50 % aller Patienten, bei denen eine obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert wird, sind nicht fettleibig“, betont Prof. Eckert, „und fast 90 % dieser nicht-fettleibigen Patienten haben eine niedrige Arousal-Schwelle.“
Diese Patienten sind mit CPAP schwer zu behandeln, weil sie aufgrund ihrer niedrigen Weckschwelle schon bei der geringsten Störung aufwachen und somit auch eine CPAP-Therapie – insbesondere die Maske und den Therapiedruck – als schlafstörend empfinden. Ihre Compliance ist daher sehr schlecht, während sie bei fettleibigen Patienten besser ist.
Da die Kollapsibilität der oberen Atemwege und die Schlafapnoe bei schlankeren Patienten normalerweise schwächer ausgeprägt sind, eignen sie sich gut für Nicht-CPAP-Therapien, z. B. Unterkieferprotrusionsschienen oder chirurgische Eingriffe an den oberen Atemwegen wie etwa die Implantation eines Zungenschrittmachers. Diese Therapien sind bei nicht-fettleibigen Patienten erfolgversprechender als CPAP. Solche Patienten überhaupt nicht zu behandeln, weil ihre Schlafapnoe ja nicht so schwer ist und sie die CPAP-Therapie offensichtlich nicht vertragen, wäre fatal, da sie laut epidemiologischen Daten stärker unter den negativen Auswirkungen der Schlafapnoe auf das Herz-Kreislauf-System zu leiden haben. (Unbehandelte nicht-fettleibige Schlafapnoe-Patienten haben also ein besonders hohes Herz-Kreislauf-Risiko.) Leider scheint dieser Fehler aber sehr häufig begangen zu werden, denn eine Studie zeigt, dass ungefähr die Hälfte aller unbehandelten OSA-Patienten eine zu niedrige Arousal-Schwelle hat.8
Vorläufig ist das alles leider noch Zukunftsmusik
Die meisten nicht-anatomischen Behandlungsmethoden der obstruktiven Schlafapnoe befinden sich zurzeit im experimentellen Stadium und müssen erst noch im Rahmen umfangreicherer Studien erforscht werden, bevor sie auf breiterer Basis – außerhalb klinischer Studien – zum Einsatz kommen können.
Ähnliches gilt für die diagnostischen Maßnahmen, mit denen man nicht-anatomische Ursachen einer obstruktiven Schlafapnoe erkennen und quantifizieren kann. Doch es wird bereits an der Entwicklung einfacherer Methoden zur Bestimmung dieser verschiedenen Schlafapnoe-Phänotypen gearbeitet; viele dieser Parameter lassen sich sogar aus Polysomnogramm-Daten ableiten, und eines Tages wird man ihre Untersuchung vielleicht sogar in eine Standard-Polysomnografie integrieren können.1
Kombinationstherapien
In Zukunft könnten verschiedene Kombinationen aus anatomischen und nicht-anatomischen Behandlungsmethoden eingesetzt werden: z. B. eine Schiene zur Behebung der anatomischen Engstelle, Sauerstoff zur Verbesserung der Instabilität der Atmungskontrolle und ein Schlafmittel zur Erhöhung der Weckschwelle. Dadurch würde sich in vielen Fällen auch die Compliance verbessern, vor allem, wenn der Patient ganz auf CPAP verzichten kann und zur Behandlung seiner Schlafapnoe lediglich ein Medikament und eine Schiene benötigt. Hierzu sind jedoch, wie gesagt, noch weitere Studien und vereinfachte diagnostische Methoden erforderlich.4
In einer Studie aus dem Jahr 2016 wurde OSA-Patienten mit leichter bis mittelschwerer Kollapsibilität der oberen Atemwege eine Kombination aus nächtlicher Sauerstofftherapie und 3 mg Eszopiclon verabreicht. Dadurch ließ sich die Atemantwort auf obstruktive Ereignisse reduzieren (also die Atmungskontrolle stabilisieren) und gleichzeitig die Weckschwelle erhöhen; der AHI sank bei diesen Patienten. Bei schwerer Schlafapnoe hilft eine solche Kombitherapie allerdings nicht, da hier die Verengung der oberen Atemwege im Vordergrund steht und auf jeden Fall einer anatomischen Therapie bedarf. Bei Patienten mit minimaler Kollapsibilität der oberen Atemwege war die Kombination aus Sauerstoff und Eszopiclon am wirksamsten.7
Quellen
1) Danny J. Eckert: Phenotypic approaches to obstructive sleep apnoea – New pathways for targeted therapy. Sleep Medicine Reviews, Februar 2018, vol. 37, S. 45–59
2) Jayne C. Carberry et al.: Personalized Management Approach for OSA. CHEST 2018; 153(3):744-755
3) Daniel J Gottlieb et al.: CPAP versus Oxygen in Obstructive Sleep Apnea. The New England Journal of Medicine 2014; 370:2276-2285; doi: 10.1056/NEJMoa1306766
4) Danny J. Eckert: Eszopiclone increases the respiratory arousal threshold and lowers the apnoea/hypopnoea index in obstructive sleep apnoea
patients with a low arousal threshold. Clin Sci (Lond). 2011 Jun;120(12):505-14. doi: 10.1042/CS20100588.
5) Sophie G. Carter et al.: Effects of One Month of Nightly Zopiclone on Obstructive Sleep Apnea Severity and Symptoms: A Randomized,
Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 2017;195:A6971
6) Luigi Taranto-Montemurro et al.: Desipramine Increases Genioglossus Activity and Reduces Upper Airway Collapsibility during Non-REM Sleep in Healthy Subjects. Am J Respir Crit Care Med. 2016 Oct 1;194(7):878-885. doi: 10.1164/rccm.201511-2172OC
7) Bradley A Edwards: The Combination of Supplemental Oxygen and a Hypnotic Markedly Improves Obstructive Sleep Apnea in Patients with a Mild to Moderate Upper Airway Collapsibility. Sleep. 2016 Nov 1;39(11):1973-1983. doi:
10.5665/sleep.6226
8) Emma L. Gray et al.: Obstructive Sleep Apnea without Obesity Is Common and Difficult to Treat: Evidence for a Distinct Pathophysiological
Phenotype. J Clin Sleep Med. 2017 Jan 15; 13(1): 81–88. doi: 10.5664/jcsm.6394
9) Bradley A Edwards: Obstructive Sleep Apnea in Older Adults is a Distinctly Different Physiological Phenotype. Sleep, Volume 37, Issue 7, 1. Juli 2014, S. 1227–1236A, doi.org/10.5665/sleep.3844
10) Atul Malhotra et al: Aging influences on pharyngeal anatomy and physiology: the predisposition to pharyngeal collapse. Am J Med 119(1):
72 e79-14. doi: 10.1016/j.amjmed.2005.01.077
11) Stefania Redolfi et al.: Relationship between overnight rostral fluid shift and Obstructive Sleep Apnea in nonobese men. Am J Respir Crit Care Med. 2009 Feb 1;179(3):241-6. doi: 10.1164/rccm.200807-1076OC.