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Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2020


Liebe Leserin, lieber Leser,

ich muss zugeben, ich habe noch vor wenigen Wochen geglaubt, dass dieses Virus unser aller Leben bis zum Jahresende nicht mehr dominieren würde. Das war ganz offensichtlich zu optimistisch. Aber egal, es ist nun mal so und wir müssen da durch.

Und auch wenn so mancher von Ihnen das Thema Corona nicht mehr hören mag, haben wir in dieser Ausgabe des Schlafmagazins wieder interessante und wichtige Beiträge dazu. Es geht um die Folgeerkrankungen und Spätschäden nach einer COVID-19-Infektion. Eine der häufigsten und belastendsten Spätfolgen von Infektionserkrankungen wie beispielsweise Corona ist die Fatigue: eine unerklärliche Erschöpfung und Abgeschlagenheit, bei der einem schon die geringste körperliche Belastung unsagbar schwerfällt und man sich nach der kleinsten Anstrengung total „kaputt“ fühlt. 

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Wenn Kinder mit Schlafstörungen oder schlafbezogenen Erkrankungen unbehandelt bleiben, kann das zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen: Gedeihstörungen, Lernprobleme, ja sogar Verhaltensauffälligkeiten können die Folge sein. Und nicht zuletzt leidet auch die Nachtruhe der Eltern, wenn ihre Kinder nicht gut schlafen. Doch wie soll man solche Probleme diagnostizieren und behandeln, wenn es kaum Schlaflabore für die Kleinen gibt? Das renommierte Kinderkrankenhaus Olgahospital im Klinikum Stuttgart hat vor kurzem dazu beigetragen, diese Lücke zu schließen, und ein Kinderschlaflabor eröffnet. Dr. Markus Blankenburg (Chefarzt der Abteilung Pädiatrische Neurologie, Psychosomatik und Schmerztherapie am Olgahospital, Klinikum Stuttgart) beschreibt die häufigsten Schlafstörungen bei Kindern – und was man dagegen tun kann.

Etwa 12 Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten. Ein Großteil von ihnen ist einfach für uns da, leistet uns Gesellschaft, tröstet uns, bringt uns zum Lachen. Aber Hunde können auch lebenswichtige Begleiter im Leben von kranken und behinderten Menschen sein. Blindenführhunde etwa. Aber es gibt auch Assistenzhunde für zahlreiche andere Erkrankungen. So wachen viele Hunde unermüdlich über Herrchen oder Frauchen und achten darauf, dass diese keine Unterzuckerungen, Asthmaattacken oder epileptischen Anfälle bekommen. Selbst nächtliche Atemstillstände entgehen unseren vierbeinigen Freunden nicht. Auf dem Foto rechts sehen Sie die Assistenzhündin Nane, die ihr Frauchen (eine Narkolepsie-Patientin) Tag und Nacht begleitet.


Kommen Sie gut durch diese Wintermonate und freuen wir uns alle auf wieder gute Zeiten!

Dr. Magda Antonic


Coverbild: © Cdd20/pixabay

Das nächste Schlafmagazin erscheint im Februar 2021
Inhalt

6 Schlafstörungen bei COPD
Schlafapnoe, Restless Legs & Co.

10 Corona – eine unendliche Geschichte?
Folgeerkrankungen und Spätschäden nach COVID-19-Infektion

16 Fatigue – Wenn einem alles zu viel wird…

21 Corona – Schlafapnoe-Patienten sind womöglich besonders gefährdet

21 Amerikanische Schlafgesellschaft warnt:
Opioide stören Schlafarchitektur und können Schlafapnoe verursachen

24 Kontrollierte Nächte
Mittels kontinuierlicher Pulsoximetrie die Behandlung verfolgen und verbessern

26 Schlafstörungen bei Kindern – auch die Eltern leiden mit

31 Jedes fünfte Kind schläft schlecht!
Jugendliche aus sozial schwächeren Familien besonders häufig betroffen

32 Im Schlaf erstickt
Der plötzliche Kindstod

36 So wichtig ist gesunder Schlaf für Herz und Kreislauf!

40 Moderne Diabetestherapie
Neue Substanzen schützen Herz und Nieren

44 Mit der richtigen Bettdecke gut durch die Nacht

46 Der Lassie-Effekt
Wie Hunde über unseren Schlaf wachen

48 Die Traum-Kolumne
Was Stress mit unseren Träumen anstellen kann …

Fatigue


Wenn einem alles zu viel wird…

Marion Zerbst

Eine der häufigsten und belastendsten Spätfolgen von Infektionserkrankungen wie beispielsweise Corona ist die Fatigue: eine unerklärliche Erschöpfung und Abgeschlagenheit, bei der einem schon die geringste körperliche Belastung unsagbar schwerfällt und man sich nach der kleinsten Anstrengung total „kaputt“ fühlt.

Den britischen Arzt Professor Paul Garner traf es besonders schwer: Nach einer Corona-Infektion hat er sich bis heute nicht richtig erholt. 
„Endlich ist es vorbei, dachte ich…“, schreibt er im Mai dieses Jahres in einem Blogbeitrag für die medizinische Fachzeitschrift British Medical Journal (BMJ). „Nach der verrücktesten siebenwöchigen Krankheit, die ich je gehabt hatte – einer Achterbahnfahrt aus Erschöpfung, Ganzkörperschmerzen, Tinnitus, Kopfweh und Gehirnnebel –, fühlte ich mich zum ersten Mal wieder richtig wohl: Die Schmerzen waren verschwunden, ich war geistig hellwach, die Sonne schien.“ Also machte er ein paar Yogaübungen, um endlich wieder ein bisschen fitter zu werden. Keine gute Idee: Zwölf Stunden später lag Paul Garner buchstäblich flach – erschöpfter als je zuvor. Wieder litt er unter Schweißausbrüchen, Tinnitus und einem benebelten Gefühl im Kopf, kam drei Tage lang nicht aus dem Bett und sieben Tage lang nicht aus seinem Haus heraus. 

Als es ihm wieder besser ging, machte er seinen nächsten Versuch. Diesmal mutete er sich nur einen Spaziergang an der Sonne zu, den er aber dann, weil das Wetter so schön war, entgegen seinem ursprünglichen Plan auf drei Kilometer ausdehnte. „Was für ein Riesenfehler!“, schrieb er danach in sein Tagebuch. „Am nächsten Tag war die COVID-19-Fatigue wieder da.“ Erneut war Paul Garner zwei Tage lang ans Bett gefesselt. Danach ging er die Sache langsamer an: „Diese Woche bin ich gar nicht mehr aus dem Haus gegangen“, schreibt er, „und nächste Woche fange ich vielleicht mit 500 Metern an. Inzwischen arbeite ich auch nur noch ganz wenig und höre auf, bevor der Gehirnnebel mich wieder einhüllt. Ich habe festgestellt, dass es mir am Vormittag und Spätnachmittag ganz gut geht; zwischendurch ruhe ich mich aus.“ 
Im Juni – fast 100 Tage nach Beginn seiner Corona-Infektion – klingt sein Blogbeitrag immer noch alles andere als optimistisch: „Nach 14 Wochen haben meine Beschwerden sich sogar noch verschlimmert. Ich kann das Bett nicht für länger als drei Stunden hintereinander verlassen, meine Arme und Beine kribbeln – und immer wieder Klingeln in den Ohren, Gehirnnebel und drastische Stimmungsschwankungen. Ist das immer noch dieses Virus? Die Genesung“ – lautet sein Fazit – „ist ein Fulltime-Job. All meinen Leidensgenossen kann ich nur empfehlen: Glaubt nicht, dass ihr euer System blitzschnell wieder hochfahren könnt! Sorgt dafür, dass eure Freunde und Angehörigen begreifen, was ihr durchmacht. Wir alle brauchen in diesen schweren Zeiten viel Güte und Mitgefühl. Arbeitgeber sollten Verständnis haben und ihren Mitarbeitern die nötige Zeit zur Genesung geben.“ 

Seine eigene Zukunft sieht er alles andere als rosig: „Ursprünglich hatte ich gedacht, dass diese Krankheit bald vorbei sein würde“, schreibt er in seinem bisher letzten Blogbeitrag vom 4. September. „Heute – nach sechs Monaten – fühlt sie sich an wie ein Chronisches Fatigue Syndrom. Was werde ich wohl in sechs Jahren schreiben? Wird es mir dann besser gehen, oder werde ich wehmütig an mein schönes Leben zurückdenken, das eines Tages im März 2020 plötzlich zu Ende ging?“ 

Man kennt dieses Phänomen bereits von anderen Infektionserkrankungen: Schon ein normaler grippaler Infekt kann einen für längere Zeit außer Gefecht setzen. Obwohl die Erkältungssymptome eigentlich längst abgeklungen sind, fühlt man sich immer noch müde, schlapp und ausgelaugt. Nach einer richtigen Grippe dauert diese Erschöpfungsphase meist noch länger an; und wer schon einmal eine Lungenentzündung durchgemacht hat, weiß, dass der Körper danach unter Umständen wochenlang mit heftigen Folgeerscheinungen zu kämpfen hat. Grundsätzlich gilt: Je schwerer die Infektionserkrankung und der Verlauf, umso kranker und abgeschlagener fühlt man sich hinterher und umso länger hält dieser Zustand an. Ärzte empfehlen, dem Ruhe- und Erholungsbedürfnis seines Körpers in solchen Fällen einfach nachzugeben: Er braucht nach dem anstrengenden Kampf gegen die Krankheit eben ein bisschen Zeit, um wieder „auf die Beine zu kommen.

Die Beschwerden einer postinfektiösen Fatigue haben große Ähnlichkeit mit denen des berüchtigten Chronischen Fatigue Syndroms (CFS): Auch das CFS beginnt sehr oft nach einer Infektion – beispielsweise einem grippalen Infekt – und trifft in erster Linie junge, gesunde Menschen. Wo die postinfektiöse Fatigue herkommt, weiß man noch nicht genau – ziemlich sicher ist nur, dass dabei mehrere Faktoren zusammenspielen: Veränderungen in Stoffwechsel, Hormonhaushalt, Immunsystem und Gehirnfunktion, aber auch Entzündungsbotenstoffe, die den eigenen Körper angreifen und selbst nach Abklingen der Infektion immer noch vorhanden sind. Und natürlich kann auch das Virus selbst Schäden im Körper hinterlassen.

Und wenn die Fatigue nicht mehr aufhört?
All das ist relativ normal, und man braucht eben einfach ein bisschen Geduld, bis es überstanden ist. Aber was tun, wenn sich die Fatigue nach Monaten immer noch nicht gebessert hat?
Mit solchen Fällen hat Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz am Institut für Medizinische Immunologie der Berliner Charité, in letzter Zeit immer wieder zu tun: Patienten, die eine Corona-Infektion überstanden haben und oft noch nicht mal einen besonders schweren Verlauf hatten, kommen verzweifelt zu ihr, weil sie sich Monate nach ihrer Genesung immer noch zu nichts aufraffen können und kaum oder gar nicht arbeitsfähig sind. Nicht selten kommen zu dieser Erschöpfung auch noch Beschwerden wie Kurzatmigkeit, Konzentrationsstörungen oder Gliederschmerzen hinzu. Und oft handelt es sich bei den Patienten um junge Menschen, die vorher kerngesund und topfit waren. 
Leider weiß man vorläufig noch nicht viel über diese rätselhafte Post-Corona-Fatigue, sodass Prof. Scheibenbogen ihren Patienten natürlich auch nicht sagen kann, ob und wann ihr Zustand sich wieder normalisieren wird. Einziger Trost: Von bisherigen Fatigue-Fällen nach einer Infektion weiß man, dass diese quälende Abgeschlagenheit und Erschöpfung sich oft innerhalb von ein paar Monaten wieder zurückbildet.

Rätselhaftes Post-SARS-Syndrom 
Das muss aber nicht unbedingt immer so sein: Nach der SARS-Pandemie aus dem Jahr 2003 – ausgelöst durch ein Virus, das unserem heutigen Corona-Erreger ziemlich ähnlich ist – litten viele Menschen auch etliche Monate, manchmal sogar Jahre nach ihrer Infektion immer noch an Fatigue und anderen gravierenden Beschwerden. Viele konnten selbst nach der Teilnahme an einem Reha-Programm nicht wieder arbeiten.
Mit 22 dieser Patienten hat der kanadische Schlaf- und Schmerzforscher Harvey Moldofsky damals eine Untersuchung durchgeführt. Dabei stellte er folgende typische Beschwerden fest, für die er den Namen „chronisches Post-SARS-Syndrom“ geprägt hat: 

  • anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Abgeschlagenheit (Fatigue)
  • leichte Ermüdbarkeit
  • diffuse Muskelschmerzen
  • Kurzatmigkeit
  • Schwäche
  • Depressionen
  • Schlafstörungen
  • unerholsamer Schlaf.


Insgesamt, so stellte er fest, ähnelten die Symptome denen von Patienten mit chronischem Fatigue- und Fibromyalgie-Syndrom. Eine eindeutige Erklärung konnte Professor Moldofsky für diese Beschwerden schon damals nicht finden: Teilweise, so meinte er, seien sie sicherlich auf die traumatisierende Wirkung der schweren Infektionserkrankung zurückzuführen. Außerdem könnten sie auch direkt durch das Coronavirus bewirkt worden sein, denn man weiß, dass dieses Virus ins zentrale Nervensystem eindringen kann. Inzwischen sind Wissenschaftler der Ansicht, dass COVID-19 das Immunsystem nachhaltig verändert und dass die Post-Corona-Symptome zumindest teilweise auf diese Veränderungen zurückzuführen sind. Und man befürchtet, dass die nach Corona häufig auftretende postinfektiöse Fatigue mit der Zeit zumindest bei manchen Patienten in ein Chronisches Fatigue Syndrom übergehen könnte. Dass so etwas durchaus passieren kann, zeigt eine Studie mit über 230 SARS-Überlebenden in Hongkong: 40 Prozent dieser Patienten litten noch vier Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie unter chronischer Erschöpfung; bei über 25 Prozent wurde ein CFS festgestellt.

Plötzlich mitten aus dem Leben gerissen: das Chronische Fatigue Syndrom
Ähnlich wie die postinfektiöse Fatigue äußert sich auch das Chronische Fatigue Syndrom durch eine starke, krankhafte Erschöpfung, die sich nach Anstrengung (und zwar nicht nur nach körperlicher Aktivität, sondern auch nach geistiger Betätigung wie Lesen oder Fernsehen oder bei Stress) massiv verschlechtert, sodass die Menschen dann oft tagelang im Bett liegen und zu nichts mehr in der Lage sind. Viele Patienten mit chronischer Fatigue können ihren gewohnten Alltagsaktivitäten nicht mehr nachgehen; für etliche ist selbst das morgendliche Aufstehen und Zähneputzen schon eine Qual; manche werden arbeitsunfähig oder dauerhaft bettlägerig – kurzum: Das Leben der Betroffenen verändert sich von Grund auf. Ähnlich wie bei der postinfektiösen Fatigue machen ihnen zusätzlich zu der starken Erschöpfung oft auch Schlaf- und Gedächtnisstörungen, Konzentrationsprobleme, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen das Leben zur Hölle. Manche leiden auch unter Herzrasen, Schwindelgefühl, Benommenheit, schmerzhaften und/oder geschwollenen Lymphknoten und einer erhöhten Infektanfälligkeit. 

Und woher kommt das alles?
Die genauen Ursachen des Chronischen Fatigue Syndroms kennt man bisher leider noch nicht. Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung oder sonstige Fehlfunktion des Immunsystems handeln könnte. Vermutlich liegt auch eine Störung des Nervensystems und Energiestoffwechsels vor. Aller Wahrscheinlichkeit nach kommen bei dieser Erkrankung also gleich mehrere verschiedene Ursachen zusammen. 
Angesichts dieser allgemeinen Ungewissheit ist es eigentlich kein Wunder, dass es für diese Erkrankung bisher weder eine richtige Diagnostik noch eine adäquate Therapie gibt. Die Diagnose wird per Ausschlussverfahren gestellt: Wenn die Beschwerden des Patienten zu einem Chronischen Fatigue Syndrom passen und es keine andere Erklärung für seine Symptome gibt, geht man davon aus, dass er an einem CFS leidet.
Ähnlich unbefriedigend sind auch die Behandlungsmöglichkeiten: Bisher kann man nur die Beschwerden des Patienten (beispielsweise Schmerzen und Schlafstörungen) behandeln; eine ursächliche Therapie gibt es nicht. Neben symptomatischen Behandlungsmaßnahmen helfen nur Schonung und ein gutes Selbstmanagement: Der Patient muss einfach irgendwie lernen, mit seiner Krankheit zurechtzukommen.

Was tun?
Auch in dieser Hinsicht ähnelt das CFS der postinfektiösen Fatigue, bei der man ebenfalls noch nicht genau weiß, was dahintersteckt. Laut Fatigue-Expertin Prof. Scheibenbogen ist die postinfektiöse Fatigue im Grunde nichts anderes als eine Reaktion des Körpers auf die Erkrankung und ein Teil des Genesungsprozesses. Ob sie mit der Zeit chronisch werden, also in ein CFS übergehen kann, weiß man noch nicht genau. Dies ist unter anderem auch eine Frage der Zeit: Erst wenn die Fatigue-Symptome im Anschluss an eine Infektion länger als sechs Monate andauern, könnte aus der postinfektiösen Fatigue ein CFS geworden sein.
Was soll man als Patient also tun, wenn man ein halbes Jahr nach einer Corona-Infektion (oder sonstigen Infektionserkrankung) immer noch unter Fatigue leidet?
Erstens sollte man unbedingt ärztliche Hilfe suchen – am besten bei einem auf die Behandlung von Fatigue spezialisierten Facharzt oder einer der inzwischen schon ziemlich zahlreichen Post-COVID-Ambulanzen oder -Rehakliniken (siehe Seite 15). Dort kann zunächst einmal nach einer anderen möglichen Ursache für die Fatigue gesucht werden. Zum Beispiel könnte das Herz durch das Corona-Virus geschädigt worden sein; auch das kann Müdigkeit und Erschöpfung hervorrufen. Außerdem kann der Arzt bei Bedarf Schlaf- oder Schmerzmittel verschreiben.
Zweitens sollte man sich bei einer postinfektiösen oder chronischen Fatigue unbedingt schonen; sonst riskiert man eine Verschlechterung seines Zustands und verzögert wahrscheinlich auch den Genesungsprozess. Und nicht nur das: Durch Schonung kann man außerdem einer Chronifizierung der Fatigue vorbeugen. Allerdings braucht man dafür unter Umständen einen langen Atem: Die Lost Voices Stiftung, die sich für die Belange von Patienten mit CFS einsetzt, weist darauf hin, dass die ersten drei Jahre nach Beginn der Fatigue-Symptome wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge eine wichtige Rolle dafür spielen, ob die Fatigue chronisch wird oder nicht. Daher ist Schonung gerade in diesen ersten drei Jahren besonders wichtig.


Seine Grenzen kennen: Tipps fürs Energiemanagement 
Lernen Sie Ihren Körper kennen und versuchen Sie durch Selbstbeobachtung Ihre individuelle Belastungsgrenze herauszufinden. Überanstrengung ist unter allen Umständen zu vermeiden.

  • Ruhen Sie sich bei Aktivitäten, die Sie geistig oder körperlich anstrengen, zwischendurch immer wieder aus. Im Zweifelsfall legen Sie lieber zu viele als zu wenige Erholungspausen ein!
  • Denken Sie daran, dass Ihr Energielimit starken Schwankungen unterworfen sein kann. An manchen Tagen können Sie vielleicht problemlos einkaufen gehen, während Ihnen an anderen schon ein paar Schritte rund um den Häuserblock zu viel sind. Also haben Sie Geduld mit sich und denken Sie daran: Irgendwann kommt auch wieder ein guter Tag! 
  • Lernen Sie Nein zu sagen und nehmen Sie sich nicht zu viel vor (gegebenenfalls Aktivitäten und Pausen genau vorausplanen und in einen Kalender eintragen).
  • Gestalten Sie Alltagsaktivitäten so, dass sie möglichst wenig Kraft kosten (z. B. Kartoffelschälen, Gemüseputzen, Ein- und Ausräumen der Geschirrspülmaschine im Sitzen erledigen; anstrengende Tätigkeiten wie Gartenarbeit in einzelne Schritte unterteilen; Einkaufsliste schreiben, um nicht so oft in den Supermarkt gehen zu müssen, usw.).
  • Suchen Sie sich Hilfe! Falls Ihr Budget es erlaubt, könnten Sie anstrengendere Arbeiten an eine Haushaltshilfe delegieren und Essen bei einem Lieferservice bestellen, statt selbst zu kochen. Ansonsten: Nachbarschaftshilfe in Anspruch nehmen oder Freunde und Angehörige um Hilfe bitten.
  • Vergessen Sie Ihren Perfektionismus und setzen Sie Prioritäten! Dinge, die nicht so wichtig sind, kann man später erledigen oder ganz darauf verzichten. 
  • Muten Sie sich körperliche Aktivität nur im Rahmen des Möglichen zu und fangen Sie langsam damit an (z. B. mit einem gemütlichen Spaziergang). Bei Besserung Ihres Zustands können Sie die Intensität schrittweise steigern; bei Verschlechterung muss sie sofort wieder zurückgefahren werden.
  • Erlernen Sie eine Entspannungstechnik und praktizieren Sie diese regelmäßig, vor allem in belastenden Situationen. Aber wählen Sie eine einfache Entspannungsmethode, für die man nicht extra einen Kurs zu besuchen braucht (z. B. Fantasiereisen oder Atemmeditationen, die man anhand von Anleitungen auf einer CD erlernen kann)!
  • Falls es Sie nicht zu viel Kraft kostet, führen Sie ein Tagebuch, um Muster in Ihren Beschwerden zu erkennen: Was strengt Sie besonders an? Wann und wie oft müssen Sie Pausen einlegen? Helfen Ihnen mehrere kürzere, über den Tag verteilte Pausen besser als zwei oder drei längere? Um welche Tageszeit geht es Ihnen besonders gut? Das kann Ihnen helfen, Ihre Aktivitäten und Erholungspausen besser zu planen. 
  • Falls Sie noch krankgeschrieben sind, gehen Sie Ihre Rückkehr ins Berufsleben stufenweise an. Überfordern Sie sich nicht.



Fatigue ist nicht gleich Fatigue!
Nicht nur nach Infektionen oder im Rahmen eines Chronischen Fatigue Syndroms, sondern auch nach Krebs und bei verschiedenen anderen Krankheiten, z. B. einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) oder multiplen Sklerose, leiden viele Patienten unter dauerhafter Müdigkeit und Erschöpfung. Bei Fatigue nach Krebserkrankungen oder bei CED wird statt Schonung eher Sport empfohlen. Bei einer postinfektiösen Fatigue oder einem Chronischen Fatigue Syndrom dagegen sollte man es mit der körperlichen Aktivität – sofern man überhaupt dazu in der Lage ist – lieber vorsichtig angehen lassen. Bei diesen Formen der Fatigue ist Schonung angezeigt.


Referenzen:

„Droht nach der Corona- die CFS-Pandemie? Experten befürchten, dass die Häufigkeit durch SARS-CoV-2 stark ansteigt“ - Medscape - 22. Jun 2020

„Was ist ME/CFS?“ Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

https://blogs.bmj.com/bmj/2020/06/23/paul-garner-covid-19-at-14-weeks-phantom-speed-cameras-unknown-limits-and-harsh-penalties/

Jenny Jacques: “Purely Pacing”. “Pacing for people with M.E.”