Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2007

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2007


Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dieser Ausgabe startet das Schlafmagazin in den fünften Jahrgang . Und diese Publikation hat wie keine andere unsere Arbeit geprägt und verändert. Plötzlich ging es nicht mehr nur um das „Machen“ einer Zeitschrift, plötzlich wurden wir mit der Leserschaft konfrontiert – und das ganz schön massiv: Wir wurden getadelt, weil wir mal vergessen hatten, wichtige Namen und Adressen zu nennen. Wir wurden gelobt für unsere Beiträge. So manche Leidens- und Krankengeschichte hat man uns am Telefon erzählt, man wollte medizinischen Rat von uns und Hilfe bei der Suche nach einer Selbsthilfegruppe oder einem Arzt. 

Einige Firmen standen uns skeptisch gegenüber und hielten uns für eine Eintagsfliege. Manche waren sich so sicher, dass wir es nicht schaffen würden, eine Plattform für die zahlreichen Selbsthilfevereinigungen zu bilden, dass sie Blumensträuße und Abendessen versprachen, falls sie sich geirrt hätten. Allmählich wäre es für die Blumen und die Essen Zeit, denn mit nun 17 Ausgaben haben wir eigentlich bewiesen, dass sich alle Betroffenen – egal, welcher Vereinigung sie voranstehen – im Schlafmagazin wiederfinden können.

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Wir haben einen Kongress ins Leben gerufen, der uns die Gelegenheit gab, unsere Leser persönlich kennenzulernen. Und wir haben den „Somnus“ eingeführt, der mittlerweile dreizehn Schreibtische oder Regale schmückt. 

Hinter alldem steckt natürlich eine Menge Arbeit, aber wir haben viel Spaß bei dieser Arbeit. Einer der Gründe dafür sind Sie, unsere Leser. So möchten wir alle vom Schlafmagazin Ihnen danken. Für die vielen Briefe, Anrufe, für die positive wie auch negative Kritik. Einfach dafür, dass Sie so rege an jeder Ausgabe unseres Schlafmagazins teilnehmen. Wir versprechen Ihnen, dass wir Sie auch in Zukunft mit viel Interessantem aus dem faszinierenden Themenkomplex Schlaf konfrontieren werden!

In diesem Heft beginnen wir mit dem großen und wichtigen Thema Diabetes. Neueste Daten zum Thema Schlafapnoe und Diabetes haben klar ergeben, dass Patienten mit schlafbezogenen Atemstörungen zu häufig auch an einem Typ-2-Diabetes leiden. Leider ignorieren viele Kardiologen, aber auch die meisten Diabetologen die sich immer deutlicher abzeichnenden Zusammenhänge zwischen Schlafapnoe, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus. Dabei könnte man durch eine frühzeitige Diagnostik Betroffenen mit gezielten Behandlungsmaßnahmen helfen und dadurch so manche Folgeerkrankung – sowohl des Diabetes als auch der Schlafapnoe – verhindern. Lesen Sie die Artikel zu diesem Themenkomplex auf den folgenden Seiten.

Zur Schlafkultur Japans befragt, fällt den meisten von uns wohl der Futon ein, eine Art Schlafmatte, die abends auf dem Boden ausgerollt und am Morgen wieder zusammengerollt und in einem Schrank verstaut wird. Doch nicht nur in der Art der Schlafstätte unterscheidet sich die japanische von unserer Schlafkultur. Mehr dazu gibt es ab Seite 44.

Auf den Seiten 42 und 43 finden Sie einen Beitrag der etwas anderen Art, den wir Ihnen aber nicht vorenthalten wollten. Es geht um das Hotelbettspringen – sehen Sie es einfach als eine witzige Zugabe.

 

Viel Spaß beim Lesen

Ihre

Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2007
Inhalt

Diabetes, Schlafapnoe und Restless Legs

Diabetes – so können Sie vorbeugen

Wir fressen uns zu Tode – Ursachen von Diabetes und Schlafapnoe

Metabolisches Syndrom: Steckt eine „falsch tickende“ innere Uhr dahinter?

Studie belegt: Rauchen begünstigt Augen- und Nierenschäden bei Diabetikern

Aus der Diabetesforschung

Leser fragen

Komplexe Schlafapnoe: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

C-Flex-Therapie – eine Alternative zu CPAP

Ganz ohne Eitelkeiten: Die Arbeitsgruppe – Schlafapnoe – Norddeutschland

Aufbau einer Adressdatenbank für Narkolepsie-Patienten bzw. Patienten mit Narkolepsie-Verdacht

Neue Niederlassung Treffpunkt ResMed in Hannover

Ich bin müde – bin ich krank? 3. Patientenkongress des Schlafmagazins in Gerlingen

Sodbrennen ernst nehmen

Auch wenn alles schiefläuft: Glücklichsein ist möglich

Hotel Bed Jumping

Von Futon und Inemuri: Schlafen in Japan

Von Futon und Inemuri: Schlafen in Japan

Zur Schlafkultur Japans befragt, fallen den meisten Westeuropäern die Futon, eine Art Schlafmatte ein, die abends auf dem Boden ausgerollt und am Morgen wieder zusammengerollt und in einem Schrank verstaut werden. Doch nicht nur in der Art der Schlafstätte unterscheidet sich die japanische von unserer Schlafkultur.

von Simone Harland

Morgens um 5.30 Uhr ist die Nacht für Herrn Mukoguchi vorbei. Er lebt in einem Vorort von Tokio und muss morgens eine gute Stunde mit dem Zug zur Arbeit fahren. Eigentlich würde Herr Mukoguchi gerne etwas später aufstehen, aber einerseits muss er spätestens um 6.30 Uhr im Zug sitzen, andererseits hätte er ein schlechtes Gewissen, würde er dies tun – denn wer lange schläft, gilt in Japan als faul. Glücklicherweise kann er im Vorortzug noch ein Nickerchen machen, ohne Angst vor Dieben zu haben. 

Auch bei der Arbeit kann Herr Mukoguchi sich ein kleines Schläfchen zwischendurch erlauben, denn obwohl er laut Arbeitsvertrag nur einen Acht-Stunden-Tag hat, bleibt er in der Regel um einiges länger in der Firma. Anschließend geht er oft noch mit Arbeitskollegen etwas trinken oder Golf spielen. Und natürlich wird dabei auch noch über die Arbeit geredet. Vor 20 Uhr ist Herr Mukoguchi selten zu Hause, oft wird es sogar noch später. Auf der Zugfahrt schläft er daher meistens sofort ein. Daheim unterhält er sich noch ein wenig mit seiner Frau, schaut ein bisschen fern oder liest Zeitung. Ins Bett kommt er selten vor 24.00 Uhr. Obwohl Herr Mukoguchi häufig übermüdet ist, würde er an seinem Tagesablauf nichts ändern wollen – ganz im Gegenteil: Er ist stolz darauf, selten mehr als 7,5 Stunden am Tag zu schlafen, zeigt dies doch, dass er ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft ist.

Auch der Schlafplatz von Herrn Mukoguchi unterscheidet sich von dem der meisten Westeuropäer: Er liegt auf einem Futon, zwischen ihm und seiner Frau schläft der zweijährige Sohn. Auf Sex muss Herr Mukoguchi nicht verzichten: Der Kleine hat einen so festen Schlaf, dass ihn die Geräusche um ihn herum nicht stören. Allerdings kommt es vergleichsweise selten vor, dass Herr Mukoguchi und seine Frau miteinander schlafen. Der Grund: Beide sind einfach zu müde.

Zeitgewinn durch frühes Aufstehen
Herr Mukoguchi ist absolut kein Einzelfall; die meisten Japaner führen ein ähnliches Leben. So ist es auch kein Wunder, dass es in Japan ein eigens geschaffenes Wort für Tod durch Überarbeitung – karoshi – gibt. Schon die Schulkinder haben einen komplett durchorganisierten Tag. In aller Regel sind sie von morgens bis 15.00 oder gar 16.00 Uhr in der Schule, anschließend verbringen sie mit ihren Mitschülern oft noch wenigstens zwei Stunden in Freizeitclubs. Auch am Wochenende sind Arbeitsgemeinschaften angesetzt, in denen die Kinder und Jugendlichen Freizeitaktivitäten wie Musik oder Sport nachgehen. Viele Erwachsene arbeiten am Wochenende ebenfalls, weshalb sie auch dann nicht ausschlafen. Hinzu kommt, dass Ausschlafen, wie es am Wochenende z. B. bei vielen Deutschen üblich ist, in Japan verpönt ist. 

Doch warum ist das so? Ganz einfach: Der Zeitpunkt des Aufwachens stellt für die Japaner traditionell den Übergang vom privaten zum gesellschaftlichen Leben dar. Da es für Japaner einerseits sehr wichtig ist, ein Teil der Gemeinschaft zu sein, und andererseits möglichst viel Zeit für Arbeit und andere Tätigkeiten, die der Gesellschaft zugute kommen, zur Verfügung zu haben, wurde insbesondere in früheren Zeiten großer Wert aufs frühe Aufstehen gelegt. Hausfrauen beispielsweise galten als faul, wenn sie nicht vor dem Rest der Familie aufstanden. Mittlerweile hat sich diese Einstellung zwar ein wenig geändert, doch stehen nach wie vor die meisten Japaner vergleichsweise früh auf, z. B. um die Zeit vor der Arbeit für ihre eigenen Bedürfnisse (Zeitung lesen, fernsehen) zu nutzen. Langschläfer gelten zudem nach wie vor als unzuverlässig. Frauen, insbesondere berufstätige Hausfrauen, schlafen weniger als Männer, da sie den Haushalt erledigen und sich um die Kinder kümmern.

Das Schlafen in der Öffentlichkeit
So wenig Zeit die Japaner nachts schlafen, tagsüber legen sie wie Herr Mukoguchi häufiger mal ein Nickerchen ein. Vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln sieht man viele schlafende Menschen. Für den Schlaf in der Öffentlichkeit gibt es sogar einen eigenen Begriff, nämlich Inemuri. Diese Form des Nickerchens wird nahezu überall praktiziert, darunter auch am Arbeitsplatz, in der Schule und der Universität. Im Gegensatz zum Essen und Trinken während einer Vorlesung, das absolut verpönt ist, ist es völlig normal, zwischendurch kurzzeitig wegzudämmern. Kein Dozent würde etwas dagegen sagen. Auch das Nickerchen am Arbeitsplatz beweist dem Arbeitgeber nur, dass ein Mitarbeiter sich bis zur Übermüdung für die Firma einsetzt. Zudem ist dieses kleine Nickerchen oft so erfrischend, dass die Arbeitnehmer anschließend wieder mit neuer Kraft weiterarbeiten können.

Sogar Vorgesetzte „schlafen“ während einer Sitzung, allerdings täuschen sie das Nickerchen in der Regel vor. Diese „Schlafvariante“ heißt „Dachsschlaf“. Er soll die Mitarbeiter dazu veranlassen, ohne Angst vor dem Chef vorzutragen, was sie vorbereitet haben. Dennoch wissen selbstverständlich alle Mitarbeiter über den „Dachsschlaf“ Bescheid.

Schlafzimmer und Betten = Luxus
Schlafzimmer, wie wir sie kennen, sind in Japan noch nicht sehr lange verbreitet. Die traditionellen japanischen Häuser sahen keinen Raum vor, der ausschließlich dem Schlafen vorbehalten war. Stattdessen gab es in der Regel ein Zimmer, in dem die Familie oder zumindest die Mutter mit den Kindern auf Futon schlief, die abends auf den Boden gelegt und morgens zunächst ausgeschüttelt und/oder aufgehängt und schließlich zusammengerollt bis zum Abend im Schrank aufbewahrt wurden. Ein Schlafzimmer wurde als verschenkter Raum angesehen, weil es zu nichts anderem genutzt werden konnte; Betten galten als Luxus. 

Erst nachdem der westliche Lebensstil in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg bekannter wurde, nahm auch die Zahl der reinen Schlafzimmer zu. Mittlerweile schlafen rund 50% der Japaner in Betten, die andere Hälfte auf Futon. In den Großstädten und ihren Vororten sind die Mieten jedoch oft so teuer, dass ein Extra-Schlafzimmer purer Luxus wäre, weshalb gerade hier Futons noch häufig genutzt werden. Herr Mukoguchi beispielsweise ist der Ansicht, dass ein Schlafzimmer überflüssig ist.

Kinder schlummern bei der Mutter
So sehr es viele Europäer auch verwundern mag, dass das Kind von Herrn und Frau Mukoguchi zwischen den Eltern schläft – auch das hat Tradition in Japan. Die in westlichen Ländern oft praktizierte räumliche Trennung von Mutter und Baby während des Schlafs hat in Japan bislang keine Anhänger gefunden. In Japan schlafen Kinder in den ersten Lebensjahren traditionell bei ihrer Mutter, teilweise auf dem gleichen Futon bzw. im gleichen Bett, teilweise auf einem eigenen Futon bzw. in einem eigenen Bettchen neben dem der Mutter. Durch dieses Schlafarrangement wird die enge Bindung zwischen Mutter und Kind hervorgehoben. Während in früheren Jahrhunderten die Kinder teilweise bis zum Eintritt in die Pubertät bei ihrer Mutter schliefen, ist dieses Co-Sleeping heute oft mit dem Schuleintritt des Kindes vorbei. 

Ein großer Teil der japanischen Väter schläft mit Mutter und Kind in einem Zimmer, oft liegt das Kind dann in der Mitte. Einige Väter ziehen es jedoch vor, in einem anderen Raum zu übernachten, um nicht durch das Weinen des Kindes im Schlaf gestört zu werden. 

Durch dieses Schlafarrangement sind insbesondere diejenigen Kinder gezwungen, sich dem Schlafrhythmus der Eltern anzupassen oder Störungen beim Einschlafen bzw. während des Schlafs zu ignorieren, deren Eltern ein „Allzweckzimmer“ zum Wohnen und Schlafen besitzen. Sie werden von klein auf daran gewöhnt, auch in einer lauten Umgebung ein- und durchzuschlafen.

Nicht in Richtung Norden liegen
Bei der Ausrichtung der Schlafstatt achten viele Japaner darauf, dass ihr Kopfkissen nicht nach Norden zeigt. Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Die Toten werden traditionell mit dem Kopf in Richtung Norden gebettet und der Aberglaube verbietet es Lebenden, eben diese Schlafposition einzunehmen. Die meisten Japaner fühlen sich nicht sicher, wenn ihr Kopf im Schlaf nach Norden zeigt.

Inemuri-Regeln
In öffentlichen Verkehrsmitteln gilt es beim Inemuri, einige Regeln einzuhalten, um vor anderen nicht das Gesicht zu verlieren. Beispielsweise darf man nicht schnarchen, sabbern und – ganz wichtig – auf gar keinen Fall den Kopf an der Schulter des Sitznachbarn anlehnen. Frauen gelten als schlampig, wenn sie mit gespreizten Beinen schlafen. Und was ganz wichtig ist: Man sollte selbstverständlich aufwachen, wenn die eigene Haltestelle erreicht ist. Das gelingt jedoch den meisten Japanern problemlos, da es sich beim Inemuri nur um einen sehr leichten Schlaf handelt.

Kapselhotels – nichts für Menschen mit Platzangst
In japanischen Großstädten sind der Wohnraum rar und die Mieten teuer. Auch die Preise für eine Übernachtung im Hotel sind deshalb oft sehr hoch. Günstiger übernachten kann man in den so genannten Kapselhotels. Dort bekommt man für sein Geld kein richtiges Zimmer zugewiesen, sondern eine Schlafkabine von etwa zwei Quadratmetern Größe, die durch einen Vorhang geschlossen wird. Die Kabinen sind über- und nebeneinander angeordnet, so dass man das Schnarchen des Nebenmannes hören kann. Frauen und Männer schlafen in verschiedenen Etagen, gesetzt den Fall, dass Frauen der Zutritt überhaupt erlaubt ist. Viele Kapselhotels nehmen nämlich nur Männer als Übernachtungsgäste auf.