Liebe Leserin, lieber Leser,
wir alle reden gerne davon, wie wichtig und gesund Schlaf ist. Es gibt aber auch einen gefährlichen, nicht selten tödlichen Schlaf: den Sekundenschlaf. Dieses ungewollte Einnicken kann 0,2 oder auch 5 Sekunden dauern. Oder auch länger: Bei Zugführern sollen es auch schon mal 30 Sekunden gewesen sein, bei Piloten bis zu 2 Minuten. Sekundenschlaf tritt ein, wenn sich Monotonie breit macht, beispielsweise auf Autobahnen. Besonders betroffen sind da LKW-Fahrer. Sie müssen ihren Brummi mit gleichmäßigem Tempo steuern, meistens auf der rechten Spur, meistens in Kolonne mit anderen LKW-Kollegen. Da kann es leicht passieren, dass die Augen kurz zufallen. Die Folgen können fatal sein.
Es gibt viele Ursachen für die Schläfrigkeit, die dann zum Einschlafen am Steuer führen kann. Eine davon ist die Schlafapnoe. Bleibt diese unbehandelt und verursacht der Betroffene durch Einschlafen am Steuer einen Verkehrsunfall, muss er mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Wie die rechtliche Situation bei Sekundenschlaf aussieht und was man konkret gegen Sekundenschlaf tun kann, können Sie in unseren beiden ersten Beiträgen lesen.
» weiterlesenSekundenschlaf war auch ein wichtiges Thema auf dem diesjährigen Kongress der Schlafmediziner in Mannheim. Wir haben den Kongress für Sie besucht und informieren Sie hier über Interessantes aus der Fachwelt des Schlafes. Eine wichtige Erkenntnis ist: Die CPAP-Therapie für Schlafapnoiker gilt zwar immer noch als Goldstandard, doch die Protrusionsschienen haben sich bei leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe inzwischen etabliert und werden auch in der neuen Leitlinie empfohlen.
Burn-out, totale Erschöpfung, damit einhergehende Schlafprobleme – erschreckend viele Menschen scheinen in unserer Zeit davon betroffen zu sein. Es ist nicht immer einfach, diesen Menschen zu helfen. Das gilt vor allem für die Wirtschaftsklientel: Sie reagiert auf Ratschläge und Vorschläge oft skeptisch, eine Psychotherapie ist für sie gleichbedeutend mit einer Niederlage. Wie soll man da also vorgehen? Dieser Frage widmete sich Business-Coach Lucie Neumann. Sie berichtet über das Einzel-Coaching „Zurück zum Schlaf-Genuss“ als Alternative zum schlafhygienischen Training.
Ich denke, wir haben in dieser letzten Ausgabe des Schlafmagazins in diesem Jahr viele verschiedene und wichtige Themen zusammengetragen, und hoffe, dass Sie die Lektüre genießen werden.
Zum Schluss möchte ich Sie jetzt schon zu unserem Kongress einladen: Der „Thementag Schlaf 2012“ findet am 5. Mai statt. Wieder in Filderstadt. Wieder mit vielen interessanten Vorträgen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen und entspannten Jahresausklang, besinnliche Feiertage und alles Gute für 2012, vor allem einen erholsamen Schlaf!
Ihre
Dr. Magda Antonic
Sekundenschlaf: Schlafattacken, die Leben kosten
Brummifahrers Alltag: Schlaflos, stressig und ungesund
14. Deutscher Lungentag
Wer ist bei einer falschen oder abgelehnten Therapie haftbar?
Neue Wege in der Schlafmedizin: Schlafkongress in Mannheim
Neue Wege in der Schlafapnoe-Therapie: Wasserbetten?
Auch bei Patienten mit reduzierter Zahnzahl möglich!: Unterkieferprotrusionsschienen gegen Schlafapnoe
Aufwach-Schlaganfall durch Alkohol und Schlafapnoe
Atemluftkonditionierung – eine physikalische Betrachtungsweise
Für ä tüüfä gsundä Schlaaf: Schlafkunst made in Switzerland
Kommentar: Aus drei mach eins
Innovative Matratze bringt Allergikern Erleichterung
„Zurück zum Schlaf-Genuss“ : Neue Wege in der Burn-out-Prävention und -Intervention
Interdisziplinär und patientenfreundlich: Das neue Schlaflabor in Leonberg
Seminar für Schlafapnoe-Patienten: Hilfe bei Therapieproblemen
Erektionsstörungen nachhaltig behandeln: Es muss nicht immer gleich Viagra und Co. sein
Buchtipp: In vier Schritten zum guten Schlaf
Schlaf gilt als Balsam für unsere Seele. Wer gut schläft, fühlt sich tagsüber super, voller Elan und Tatendrang. Doch Schlaf kann auch tödlich sein – und zwar im Straßenverkehr, meistens auf der Autobahn. Gemeint ist der berüchtigte Sekundenschlaf. Die Wissenschaftler bezeichnen ihn auch als Mikroschlaf.
Werner Waldmann
Schwere Verletzungen hat ein vierundzwanzig Jahre alter Mann aus dem Ruhrgebiet bei einem Unfall am Donnerstag gegen 2.55 Uhr auf der Autobahn zwischen den Anschlussstellen Neuenkirchen-Vörden und Holdorf erlitten. Der Mann war nach Polizeiangaben mit seinem mit Trockeneis beladenen LKW mit Anhänger aus ungeklärter Ursache nach rechts von der Fahrbahn abgekommen. Das Fahrzeug durchbrach die Leitplanke und den Wildschutzzaun, kippte um und blieb auf dem Dach liegen.“
„Schon ein paar Sekunden Schlaf am Steuer können teuer werden. Diese Erfahrung musste auf der A 6 ein Lastwagenfahrer machen. Nach dem Einnicken verlor er in Höhe der Ortschaft Birgland die Kontrolle über sein Gespann. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, kam der LKW nach links von der Fahrbahn ab und walzte auf einer Länge von mehr als 20 Metern die Mittelleitplanke platt.“
„Bei einem Horror-Unfall auf der Brenner-Autobahn starb eine dreiköpfige Familie aus Düsseldorf. Zu dem Unfall kam es am Samstag gegen 8.30 Uhr. Der Audi prallte bei voller Fahrt auf einen LKW aus Tschechien, der in einer Haltebucht stand. Am Steuer saß die Mutter. Der Tacho soll nach dem Crash auf 200 km/h gestanden haben. Weil die Polizei keine Bremsspuren entdeckte, gehen die Ermittler von Sekundenschlaf aus. Der Aufprall war so stark, dass das Auto teilweise unter den Lastwagen rutschte und Teile des PKWs bis zu 100 Meter weit flogen.“
Guter Schlaf ist erholsam, Sekundenschlaf kann tödlich sein, wenn einen die winzige Müdigkeitsattacke in einer kritischen Fahrsituation erwischt, etwa in einer Kurve, aus der man sich selbst ins Abseits katapultiert, besonders bei hoher Geschwindigkeit, oder auf einer gerade verlaufenden Landstraße, auf der einen die Schlafattacke für Bruchteile von Sekunden auf die Gegenfahrbahn geraten lässt und so in einer tödlichen Frontalkollision mit dem entgegenkommenden Fahrzeug endet. Früher stand im Protokoll der Polizei, dass der Fahrer wohl einen Fehler begangen habe, oder schlicht: Ursache unbekannt. Heute ist man klüger und weiß um die Gefahren des Sekundenschlafs.
Sekundenschlaf ist ein ganz banales Phänomen, nämlich ungewolltes Einnicken, das nur wenige Sekunden dauert. Ursachen dafür gibt es viele. Sekundenschlaf tritt im Straßenverkehr bei übermäßig langen und monotonen Fahrten auf. Das ist in erster Linie auf Autobahnen der Fall.
Man braucht nicht viel Fantasie dazu, sich die Monotonie vorzustellen, der ein Fahrer ausgesetzt ist. Besonders einer, der einen LKW steuert. Mit dem Personenwagen kann man mal schneller, mal langsamer fahren, man überholt – man ist in ständiger Aktion. Das hält wach. LKW-Fahrer müssen ihr Vehikel mit regelmäßigem Tempo steuern, meistens auf der rechten Spur, meistens in Kolonne mit anderen LKW-Kollegen. Und wenn ein LKW einmal auf die Überholspur wechselt, dann hupen und blinken die PKWs, weil sie sich gestört fühlen und für kurze Zeit abbremsen müssen.
Besonders gefährlich sind Nachtfahrten zwischen 2 und 5 Uhr morgens. Das hängt mit unserer inneren Uhr zusammen, mit dem Biorhythmus. In dieser Zeit ist der Körper, ob er darf oder nicht, auf Schlaf eingestellt und so steigt die Wahrscheinlichkeit, einmal kurz wegzunicken. Der Sekundenschlaf dauert beim Autofahren nur sehr kurz. Gemessen wurden Zeiträume von 0,2 bis 5 Sekunden. Von Zugführern dagegen ist bekannt, dass sie sich auch einmal bis zu 30 Sekunden verabschieden. Bei Airlinepiloten können das sogar bis zu 2 Minuten sein.
Wie lässt sich Wachheit feststellen? Lässt sich Müdigkeit messen und woran kann man selbst erkennen, wie wach man gerade ist? „Wachheit oder Schläfrigkeit kann man ganz schwer von außen durch Beobachtung oder Untersuchung des Betroffenen feststellen“, so Prof. Barbara Wilhelm von der Universitäts-Augenklinik in Tübingen, die sich seit Jahren mit dieser Thematik beschäftigt. „Man kann ihn natürlich fragen, aber die meisten Menschen können nicht gut oder überhaupt nicht beurteilen, wie einschlafgefährdet sie sind. Darin liegt gerade die Gefahr des Sekundenschlafs. Es gibt unterschiedliche Verfahren, z. B. in schlafmedizinischen Zentren, Schläfrigkeit zu messen. Man kann dies tun, indem man den Betroffenen mehrmals am Tag in einem dunklen Raum hinlegt und unter Ableitung der Hirnströme feststellt, wie lange es dauert, bis er einschläft. Das ist recht zeitaufwendig: Dazu braucht man Personal, und der Betroffene muss sich einen ganzen Tag lang bereithalten. Oder man kann durch bestimmte Konzentrations- oder Leistungsaufgaben indirekt festzustellen versuchen, wie schläfrig jemand ist. Doch das funktioniert nur sehr ungenau.“
Barbara Wilhelm hat mit ihrem Team ein Testgerät entwickelt, den Pupillografen, mit dem man relativ zuverlässig den Grad der Wachheit oder Schläfrigkeit eines Menschen messen kann. „In einem Teil unseres Gehirns, dem Hirnstamm, gibt es einen Wachheit steuernden Kern“, erläutert Wilhelm, „und dieser Kern, eine Gruppe von Nervenzellen, steuert maßgeblich unser Wach- und Schlafverhalten. Und genau dieser Kern ist dafür zuständig, wie sich unsere Pupille in Dunkelheit verhält. Wenn dieser Kern also Schläfrigkeit signalisiert, dann bewegt sich unsere Pupille im Dunkeln hin und her. Das heißt, die Pupille wird kleiner und wieder größer. Es ist so, als würden wir aus einem Luftballon dann Luft herauslassen und langsam wieder hineinblasen. Dieses Phänomen kann man auch mit dem bloßen Auge bei der Untersuchung feststellen und in bestimmten Messgrößen erfassen.“
Schläfrigkeit kann viele Ursachen haben. Diplompsychologin Sabine Eller, Leiterin des Schlaflabors der Klinik Schillerhöhe: „Teilweise können wir etwas dafür, teilweise tritt sie gegen unseren Willen ein. Es kann zum Beispiel sein, dass die Missachtung bestimmter Regeln, die dem gesunden Schlaf zuträglich sind, unseren Schlaf beeinflusst. Das wäre etwa eine zu kurze Ruhezeit, die wir sträflicherweise über Tage, über Wochen durchhalten. Es können aber auch Folgen von Schichtarbeit sein, die uns nicht regelmäßig schlafen lassen und dann, wenn wir schlafen könnten, durch den Rhythmus, der uns nicht gemäß ist, vielleicht zu Schwierigkeiten führen.
Es gibt auch Verhaltensweisen wie starkes Rauchen vor dem Schlafengehen oder große Essensmengen, auch starker Alkoholgenuss, Koffein, Tein oder Aufputschmittel, die wir bewusst oder unbewusst zu uns nehmen und die die Schlafqualität beeinträchtigen. Ferner wissen wir, dass auch Krankheiten unseren Schlaf beeinträchtigen. Dies könnte die Krankheit der unruhigen Beine sein, die manche bewusst beim Einschlafen noch wahrnehmen, woran viele aber selbst nach einem erschwerten Einschlafen in der Nacht noch weiter leiden. Diese unruhigen Beine verändern die Schlafqualität, vermindern sie und lassen die Betroffenen erst in den frühen Morgenstunden in Schlaf fallen.“
Die Augen beginnen langsam zu brennen, das Augenzwinkern wird häufiger, gleichzeitig aber auch langsamer, und die Pupillen verengen sich zunehmend. Außerdem beginnt man zu frösteln. Man gähnt überdurchschnittlich viel, reagiert nicht mehr so schnell wie sonst und macht mehr Fehler beim Fahren, übersieht Verkehrsschilder oder Ausfahrten. Es fällt einem schwer, die Spur zu halten. Ein weiteres typisches Anzeichen ist schlechte Laune – man wird plötzlich nervös oder aggressiv und regt sich über Sachen auf, die einen normalerweise kalt lassen würden. Oft kann man sich gar nicht mehr an die letzten gefahrenen Kilometer erinnern oder hat das Gefühl, nicht zu wissen, wo man ist. Und vielleicht fallen einem sogar für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zu – das ist aber dann wirklich schon Alarmstufe Rot. Wer jetzt nicht auf seinen Körper hört und eine Pause macht, läuft Gefahr, dass er sein Auto – wenn auch nur für kurze Zeit – führerlos und damit unkontrolliert lässt.
Es ist sehr wichtig, auf die ersten Warnzeichen von Schläfrigkeit zu achten, wenn man fährt, denn die Gefahr besteht darin, dass wir gar nicht sicher bemerken und nicht einschätzen können, wie nah wir an einem Einschlafereignis sind. Doch dass wir müde sind, merken wir, und dies ist eigentlich unser bestes Frühwarnsystem.
Doch auch der Sekundenschlaf mit offenen Augen ist tückisch, denn in diesem Zustand verarbeitet das Gehirn die Wahrnehmungen der Augen so gut wie gar nicht mehr bzw. zu langsam, sodass eine Reaktion zu lange dauert. So verlängert sich die Reaktionszeit schon nach einer vierstündigen Nonstop-Fahrt um 50 %. Das bedeutet, dass sich das Unfallrisiko verdoppelt. Nach sechs Stunden Fahrt ohne Unterbrechung steigt es sogar auf das Achtfache. Ein müder Fahrer reagiert nicht nur langsamer und beurteilt Situationen häufig falsch, sondern er überschätzt auch die eigene Leistungsfähigkeit.
Das beste Mittel gegen Schläfrigkeit ist zunächst einmal, dass man vor einer weiten Fahrt nach einem langen Arbeitstag ausreichend schläft. Das ist natürlich nicht immer möglich, vor allem dann, wenn Fahrer in ihrem Fahrzeug in unbequemen Kabinen Lärm und Hitze ausgesetzt sind. So schläft man schlecht. Dagegen hilft nur ein Kurzschlaf. Auch bei Tag! Dieses Powernapping von zehn bis fünfzehn Minuten ist das Allerwirksamste, was man gegen Schläfrigkeit tun kann. Besonders wirksam ist es, diesen Kurzschlaf mit Koffein zu kombinieren. Den Kaffee sollte man schon vor dem Kurzschlaf trinken. Er braucht ungefähr 20 Minuten, um seine Wirkung zu entfalten.
Akute Schläfrigkeit rechtzeitig zu erkennen und dann nicht einfach weiterzufahren, sondern etwas dagegen zu tun, ist das eine. Aber damit ist das Problem nur vorübergehend gelöst. Wer nachts schlecht schläft und sich dadurch tagsüber ständig unausgeruht fühlt, der leidet möglicherweise an einer Schlafstörung, die ärztlich diagnostiziert und behandelt werden muss. Besonders häufig ist es eine Schlafapnoe, also das krankhafte Schnarchen mit den immer wiederkehrenden Atemaussetzern. Wer unter Schlafapnoe leidet und das weiß, macht sich strafbar, wenn er sich hinter das Steuer setzt und einen Unfall verursacht. Schlafapnoe lässt sich leicht diagnostizieren und behandeln.
Dr. jur. Ingo E. Fromm
Gemäß § 3 I des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ergänzt die Bestimmungen des StVG. Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen laut § 11 FeV die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. In § 46 I FeV heißt es, dass die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Der Gesetzgeber hat in Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (zu den §§ 11, 13 und 14) vermeintlich klare Regelungen zur Eignung und bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen für Menschen mit chronischen Schlafstörungen aufgenommen (dazu: Fromm, Änderungen der Fahrerlaubnisverordnung zulasten von Schlafapnoe-Kranken, Das Schlafmagazin 04/2007, S. 22–25). Differenziert wurde nach Ziffer 11.2.1 im Wesentlichen in unbehandelte und behandelte Schlafstörungen. Weiter ergibt sich aus der Tabelle, unter welchen Voraussetzungen eine Eignung bzw. bedingte Eignung vorliegt. Ist der Betroffene bedingt geeignet, so unterliegt er Beschränkungen/Auflagen. Die Fahrerlaubnis von chronisch Erkrankten ist (ggf. nachträglich) mit entsprechenden Auflagen/Bedingungen zu versehen. Unbehandelte Schlafstörungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nach Ziffer 11.2.1 zur Fahruntauglichkeit führen, wenn eine messbar auffällige Tagesschläfrigkeit vorliegt. Nur Betroffene mit behandelten Schlafstörungen sollen bedingt fahrtauglich bleiben, unter der Voraussetzung, dass keine messbar auffällige Tagesschläfrigkeit mehr vorliegt. In jedem Fall fordert der Gesetzgeber bei Schlafstörungen als Auflage auch nach einer Behandlung regelmäßige Kontrollen von Tagesschläfrigkeit.
Unabhängig von den verwaltungsrechtlichen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde kann jedoch etwa das Einschlafen am Steuer als Folge krankhafter (Schlaf-)Störung, etwa Schlafapnoe, auch zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft führen. Oft verrät sich der Betroffene am Unfallort im Rahmen von „Spontanäußerungen“unüberlegt selbst, noch bevor er von den Strafverfolgungsorganen über sein Schweigerecht belehrt wurde. Der Begriff der Schlafstörung ist im Strafgesetzbuch – im Gegensatz zu den Regelungen des Verwaltungsrechts – nicht erwähnt. Werden durch einen Unfall andere Verkehrsteilnehmer verletzt oder – in schweren Fällen – getötet, droht neben einer Entziehung der Fahrerlaubnis im Fahrerlaubnisrecht eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 Strafgesetzbuch) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 Strafgesetzbuch). Die Fahrlässigkeit des Schlafapnoe-Erkrankten kann darin bestehen, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dadurch außer Acht gelassen zu haben, dass er trotz der Schlafstörung die Gefährdung Dritter hingenommen hat, insbesondere sich über von ihm erkannte Vorzeichen des Einnickens, sog. Prodromal-Erscheinungen, hinweggesetzt hat (Oberlandesgericht Oldenburg, NJW-RR 1999, 469). § 222 StGB sieht als Rechtsfolge eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Die fahrlässige Körperverletzung kann geahndet werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe. Es muss aber für eine strafrechtliche Verurteilung nicht unbedingt zum Schlimmsten, dem Unfall, kommen: Hat der Beschuldigte den Leib oder das Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert durch gesundheitliche Mängel konkret gefährdet, kann der Straftatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315 c StGB erfüllt sein. Die extreme Übermüdung kann einen Mangel in diesem Sinne darstellen (BGH VRS 14, 284, Cramer/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 27. Aufl. 2006; Jagusch-Hentschel, § 315 c StGB Rdnr. 14; Rüth, in: LK-StGB, § 315 c Rdnr. 24). Allerdings führt nicht jede Übermüdung eines Kraftfahrers zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung des § 315 c I Nr. 1 b StGB, zu verlangen ist vielmehr ein solcher Übermüdungszustand, welcher für den Beschuldigten die erkennbare Erwartung eines nahen Sekundenschlafs mit sich bringt (BayObLG, NJW 2003, 3499). Neben den Hauptstrafen des StGB kann die Freiheits- oder Geldstrafe einhergehen mit einem Fahrverbot oder einer Entziehung der Fahrerlaubnis. Beim Fahrverbot gemäß § 44 StGB wird dem Beschuldigten verboten, für eine bestimmte Dauer mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Bei einem Fahrverbot wird der Führerschein für die Dauer des Verbotes bei einer Behörde verwahrt und nach Ablauf der Verbotsdauer wieder an den Beschuldigten ausgehändigt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt, so entzieht ihm das Gericht gemäß § 69 I 1 StGB die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Allerdings führt auch die Tatsache, dass der Täter Schlafapnoiker ist, nicht unbedingt zu der Annahme, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (Landgericht Traunstein, Beschl. v. 08.07.2011, 1 Qs 225/11). Im Falle der Entziehung der Fahrerlaubnis erlischt – mit der Rechtskraft des Urteils – die behördliche Erlaubnis des Beschuldigten, ein Kraftfahrzeug zu führen (§ 69 III StGB), und der Führerschein wird eingezogen und unbrauchbar gemacht.
Die im Folgenden dargestellten Fälle, die sich jüngst in unterschiedlichen Regionen Deutschlands tatsächlich zugetragen haben, geben einen Überblick darüber, dass Verkehrsunfälle, die auf Schlafstörungen beruhten, völlig unterschiedliche Sanktionen zur Folge haben können. Dies wirft letztlich auch die Frage auf, ob derartige Diskrepanzen und eine stark abweichende Anwendungspraxis im Strafrecht noch „gerecht“ sind.
Ein Lkw-Fahrer richtete im Mai in Bonn einen schwerwiegenden Sachschaden (35 000 EUR) an, als er plötzlich am Steuer einschlief. Er konnte einer lang gezogenen Rechtskurve aufgrund seiner Übermüdung nicht mehr folgen und kam über den Überholstreifen nach links von der Fahrbahn ab. Der Sattelzug prallte mit der linken Seite gegen die Mittelschutzplanke und mit dem linken Außenspiegel gegen den dortigen Lichtmast. Die Staatsanwaltschaft warf dem Beschuldigten daraufhin eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c StGB vor. Im Falle einer Verurteilung hätte er die Entziehung der Fahrerlaubnis befürchten müssen. Man einigte sich nach einem Gerichtstermin vor dem zuständigen Amtsgericht schließlich auf eine Verfahrenseinstellung wegen geringen Verschuldens. Der Beschuldigte musste nur eine Geldstrafe von 500,00 EUR entrichten.
Ähnliches ereignete sich im April 2011 in Bayern. Ein Pkw-Fahrer kam, nachdem er eingeschlafen war, über die Gegenfahrbahn hinaus nach links von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug fuhr eine Böschung hinunter, überrollte ein Verkehrsschild und hob dann aufgrund einer leichten Erhöhung vom Boden ab, flog einige Meter durch die Luft und landete direkt in einem Spargelverkaufsstand. Der Autolenker wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Die Verkäuferin des Standes hatte großes Glück, sie blieb unverletzt: Sie sah das herbeifliegende Auto und konnte sich in letzter Sekunde retten. Der Beschuldigte erhielt einen Strafbefehl, die Geldstrafe wurde auf über 6 000 EUR beziffert. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein wurde sogar direkt nach dem Vorkommnis einbehalten (§ 111 a Strafprozessordnung). Der Beschuldigte ließ jedoch Einspruch einlegen. Auf die erfolgreiche Beschwerde beim Landgericht gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wurde ihm die Fahrerlaubnis zurückgegeben. Damit steht fest, dass er immerhin bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen darf. Dieser Fall weicht dadurch von dem ersten ab, dass die Post der Fahrerlaubnisbehörde nicht lange auf sich warten ließ. Die Behörde wollte ein ärztliches Gutachten anordnen (§ 11 Fahrerlaubnisverordnung). Für den Fall, dass der Betroffene die Bedenken gegen die körperliche Eignung nicht durch Vorlage eines ärztlichen Gutachtens ausräumen kann, wurde bereits angekündigt, ihm hilfsweise verwaltungsrechtlich die Fahrerlaubnis entziehen zu wollen. Bei Nichtvorlage eines Gutachtens wäre auf die Nichteignung geschlossen worden. Die Fahrerlaubnisbehörde beging jedoch den Verfahrensfehler, dass sie nicht zunächst den Ausgang des Strafverfahrens abwartete, bevor sie zu Maßnahmen des Verwaltungsrechts griff (§ 3 III Straßenverkehrsgesetz).
Bei durchaus vergleichbarem Personen- und Sachschaden wurde in einem weiteren Falle nur eine Geldbuße nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in Höhe von – nicht im Verkehrszentralregister eintragungspflichtigen – 35,00 EUR verhängt („Zwei Personen bei Unfall auf A 31 bei Heede schwer verletzt“, Neue Osnabrücker Zeitung vom 04. April 2011). Hier hatten ein Mann und eine Frau bei einem Verkehrsunfall im April dieses Jahres schwere Verletzungen auf der Autobahn A 31 bei Heede erlitten. Der Pkw war von der Fahrbahn abgekommen und in den Seitengraben geschleudert worden. Die Beifahrerin wurde bei dem Unfall in dem Autowrack eingeklemmt. Einsatzkräfte der Feuerwehren aus Heede und Dörpen befreiten die Frau aus dem total zertrümmerten Fahrzeug. Der Fahrer und die Beifahrerin wurden mit Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. Der Fahrzeugführer war nach dem Einnicken auf gerader Strecke nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und in den Seitenraum geraten. Der Pkw schlingerte noch ein ganzes Stück durch einen Graben, bevor er zum Stehen kam. Nachdem der Betroffene die Geldbuße entrichtet hatte, ordnete die Behörde ein ärztliches Gutachten an (§ 11 Fahrerlaubnisverordnung). Erfreulicherweise bestätigte ihm der zuständige Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation die körperliche Eignung zum Führen von Fahrzeugen.
Drei Fälle, drei unterschiedliche Sanktionen bzw. einmal gar keine strafrechtlichen Folgen. Die Folgen für das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung sind nicht zu unterschätzen, es kommt nicht nur bei Beschuldigten der Eindruck auf, in ungerechtfertigter Weise und eher zufällig verurteilt worden zu sein bzw. zu Unrecht eine derart hohe Sanktion erhalten zu haben.
In jedem Falle sollte die Hilfe eines im Straf- und Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden. Die Fälle haben gezeigt, dass es zum einen von der unterschiedlichen Sanktionspraxis abhängt, welche Strafe der Beschuldigte davonträgt. Zum anderen zeigt schon der Überblick, dass die Vorschriften in diesem Bereich höchst komplex sind und der Laie ohne anwaltliche Unterstützung in der Regel überfordert ist.
1. Fahrerlaubnisinhaber müssen die für eine Fahrerlaubnis notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt. Die Eignung ist bei Schlafstörungen (laut Anlage 4, Ziffer 11.2) nicht gegeben, wenn eine messbar auffällige Tagesmüdigkeit vorliegt. Wird die Schlafstörung dagegen wirksam behandelt, ist von einer Beseitigung der Tagesmüdigkeit auszugehen. Das heißt, die Fahrerlaubnis kann aufrechterhalten bleiben, wenn sich der Betroffene regelmäßig schlafmedizinisch untersuchen lässt. 2. Derjenige, der infolge seiner Erkrankung einen Verkehrsunfall verursacht hat, kann sich wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 Strafgesetzbuch), fahrlässiger Tötung (§ 222 Strafgesetzbuch) und Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315 c StGB strafbar machen. 3. Ergibt sich zusätzlich aus der Tat, dass der Betroffene zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, so wird die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter gemäß § 69 StGB angeordnet. 4. Bei unterbliebener Fahrerlaubnisentziehung im Strafrecht gemäß § 69 StGB darf die Fahrerlaubnisbehörde – nach Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 3 III StVG – die Fahreignung nochmals überprüfen. Der Beschuldigte muss sich daher auf einen doppelten Kampf (einmal im Strafverfahren und später im Verwaltungsrecht) gefasst machen. Ausnahmsweise darf die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein nicht entziehen, wenn dies mit dem Inhalt des Strafurteils nicht vereinbar wäre, dort etwa festgehalten wurde, dass das Gericht aus bestimmten Gründen keine Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet hat, vgl. § 3 IV 1 StVG. 5. Die Sanktionspraxis ist derzeit in Deutschland sehr unterschiedlich. Auch hier gilt das „Nord-Süd-Gefälle“. Dies haben die vorgestellten Fälle exemplarisch belegt. Unbedingt sollte ein spezialisierter Rechtsanwalt aufgesucht werden. So besteht eine größere Chance, als Gewinner aus dem Sitzungssaal zu gehen.
Trucker sei der spannendste Beruf der Welt. Das hört man auch heute noch hin und wieder von den Burschen, die mit ihren tonnenschweren Lastzügen durch die Gegend kurven. Aber ihre Lebensumstände haben sich doch sehr verschlechtert. Wer sich heutzutage seine Brötchen hinterm Steuer eines LKWs verdient, ist hohen Belastungen ausgesetzt. Termindruck, unregelmäßige Arbeitszeiten, harter körperlicher Einsatz, Schlafmangel. Da bleibt die Gesundheit oft auf der Strecke. DocStop, ein medizinisches Versorgungsangebot für Trucker, sorgt dafür, dass die Fahrer im Krankheitsfall unterwegs wenigstens rasche Hilfe finden.
Werner Waldmann und Marion Zerbst
Berufskraftfahrer führen ein stressiges Leben. Neben körperlichen Belastungen wie Nacht- und Schichtarbeit und Schlafmangel leiden sie auch unter psychischen Stressfaktoren: Der „Brummifahrer“ verbringt seinen Berufsalltag allein auf der Straße, getrennt von Partnerin und Familie, ohne echte soziale Kontakte. Die Verhältnisse auf Autobahnen und Rastplätzen sind stressig, und der Zeit- und Termindruck nimmt immer weiter zu. Kein Wunder, dass Berufskraftfahrer überdurchschnittlich häufig gesundheitliche Probleme bekommen.
Einer der Hauptstressfaktoren ist der ständige Schlafmangel: Falsch angelegte Parkplätze, Verkehrslärm und laufende Kühlaggregate machen einen erholsamen Schlaf so gut wie unmöglich. „Die Parkplätze für die LKW-Fahrer zeigen fast alle mit der Schnauze zur Autobahn“, klagt Brummifahrer Dieter Wahl, der schon seit über 30 Jahren „on the road“ ist. „Am schlimmsten ist es im Sommer. Nachts geht es noch halbwegs, da kühlt es sich doch immer wieder ein bisschen ab. Aber der LKW-Fahrer, der tagsüber schlafen muss, das ist, auf Deutsch gesagt, ein armes Schwein. Er hat die heißen Sommertemperaturen und keinen Schatten. Macht er die Fenster auf, damit ein bisschen Luft reinkommt, hört er den ganzen Krach von der Autobahn. Manche Fahrzeuge haben inzwischen zum Glück eine Standklimaanlage, die den Fahrern wenigstens einen halbwegs guten Schlaf beschert.“ Aber auch das ist noch längst nicht an der Tagesordnung. Speditionsunternehmen müssen sparen. Konkurrenz- und Kostendruck werden immer höher.
Zu all dem Stress kommt oft noch eine ungesunde Ernährung: Was an den Autobahnraststätten so angeboten wird, ist häufig zu fett und zu kalorienreich. Viel Zeit für die Suche nach gesünderen Ernährungsangeboten hat man als LKW-Fahrer nicht, und das Budget für die tägliche Verpflegung ist auch begrenzt; also schiebt man sich eben schnell mal eine Currywurst oder eine Portion Bratkartoffeln rein, bevor es wieder weitergeht. Untersuchungen zufolge neigen Berufskraftfahrer – vor allem Fernfahrer – besonders stark zu Übergewicht, mit allen damit verbundenen Gesundheitsrisiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
Nur ein gesunder Fahrer ist ein sicherer Fahrer. Leider kümmern sich Berufskraftfahrer viel zu wenig um ihre Gesundheit. Sie verdrängen Beschwerden und Alarmsignale ihres Körpers lieber – weil sie schlicht und einfach keine Zeit haben, solchen Problemen nachzugehen. Viele Fernfahrer leiden unter Dauerkopfschmerzen, weil sie durch das lange Sitzen am Steuer Nackenverspannungen bekommen oder weil sie eigentlich eine Brille bräuchten. Doch statt sich einen Termin beim Orthopäden oder Augenarzt geben zu lassen, fahren sie weiter und werfen in Eigenregie irgendwelche Schmerztabletten ein, die sie womöglich noch mehr in ihrer Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Und zum Betriebsarzt gehen Fernfahrer verständlicherweise nicht gern, weil sie Angst haben, ihren Führerschein zu verlieren, wenn sich bei der Untersuchung herausstellen sollte, dass sie fahruntauglich sind.
Besonders groß ist das Problem im akuten Krankheitsfall. Was soll ein Fernfahrer tun, wenn er kurz vor Fahrtantritt oder mitten auf der Autobahn plötzlich Fieber, Durchfall, Hexenschuss oder furchtbare Zahnschmerzen bekommt? Auf die Schnelle findet er in der Regel keinen Kollegen, der seinen Auftrag für ihn zu Ende führen kann. Außerdem ist das Zeitfenster für die geplante Lieferung meist eng, und womöglich herrscht auf den Straßen auch noch Stau. Direkt an der Autobahn einen Arzt zu finden, ist schwierig, und mit einem 40-Tonnen-LKW in die nächste Stadt zu fahren und vor der nächsten Arztpraxis zu parken, geht auch nicht. Außerdem muss man oft mit längeren Wartezeiten rechnen, wenn man unangemeldet in eine Arztpraxis kommt.
Da hilft nur eins: Augen zu und durch. Viel zu groß ist die Angst des LKW-Fahrers, sich Ärger mit seinem Arbeitgeber einzuhandeln, falls er seinen Fahrauftrag unterbricht. Also fährt er lieber in krankem Zustand weiter und versucht sich mit irgendwelchen Medikamenten bei der Stange zu halten, deren Nebenwirkungen er meist gar nicht kennt. Denn wer hat bei diesem mörderischen Stress und Termindruck auch noch Zeit, Beipackzettel zu lesen? Wer krank oder durch Medikamente benebelt Auto fährt und dabei womöglich auch noch übermüdet ist, hat natürlich ein erhöhtes Unfallrisiko.
Seit ein paar Jahren gibt es nun ein Serviceangebot für kranke Berufskraftfahrer: DocStop. Ein perfekt durchorganisiertes Netzwerk aus vielen Partnern, ehrenamtlichen Mitarbeitern und Sponsoren ermöglicht es den Fahrern, schnell zum Arzt zu kommen und dort auch umgehend behandelt zu werden.
„DocStop ist durch die bundesweiten Fernfahrerstammtische der Autobahnpolizei zustande gekommen, bei denen die Polizei es sich zur Aufgabe gemacht hat, durch aktives Zuhören die Probleme der Fahrer einmal etwas näher zu beleuchten. Und von denen kam die Aussage: Wir fühlen uns medizinisch unterversorgt“, erklärt Rainer Bernickel, stellvertretender Vorsitzender und Initiator von DocStop. „Daraufhin habe ich bundesweit eine Studie durchgeführt, in der tausend LKW-Fahrerinnen und -Fahrer befragt wurden. Das Endergebnis: Tatsächlich klagten 85 % der Befragten über medizinische Unterversorgung. Daraufhin begannen wir ein Konzept zu entwickeln, das letztendlich in DocStop mündete und mittlerweile von den Fahrern gut angenommen und von vielen Medizinern und Krankenhäusern unterstützt wird.“
DocStop ist eine Serviceleistung des gemeinnützigen Vereins „DocStop für Europäer e. V.“, der zur Förderung einer besseren medizinischen Unterwegsversorgung von Berufskraftfahrern gegründet wurde. Das geht ganz einfach: Ein Fahrer, bei dem unterwegs gesundheitliche Probleme auftreten, ruft eine Hotline (01805 112024) an und erfährt dort, welcher Arzt bzw. welches Krankenhaus in seiner Nähe zu den DocStop-Partnern gehört. Außerdem werden ihm Öffnungszeiten und Parkplatzmöglichkeiten genannt. Meist sind das Rast- oder Autohöfe ganz in der Nähe des Krankenhauses oder der Arztpraxis. „Beim Arzt angekommen, erklärt der Fahrer, dass er DocStop-Patient ist“, erklärt Rainer Bernickel. „Die Mediziner haben sich alle bereit erklärt, solche Patienten zeitnah dranzunehmen.“
Wer für den Krankheitsfall bestens gerüstet sein möchte, kann sich auch schon mal vorab im Internet informieren. Unter http://www.docstoponline.eu/cms/front_content.php?idcat=52 können Kraftfahrer sich eine Liste aller DocStop-Partnerärzte und -kliniken downloaden. Außerdem tragen viele Anlaufstellen (Autohöfe etc.) bereits das DocStop-Logo, sodass die Trucker gleich wissen: Hier kann ich anhalten und das Servicepersonal um Rat fragen. Oft bekommt der Fahrer nicht nur Adressen von Arztpraxen und Krankenhäusern im Umkreis von höchstens vier Kilometern genannt, sondern man hilft ihm auch dabei, zu diesen Partnern zu gelangen.
Medizinisch versorgt kann der Fahrer dann schon nach kurzer Zeit seine Tour wiederaufnehmen, statt sich mit seinen Beschwerden durch den Arbeitstag zu quälen und dadurch womöglich sich und andere zu gefährden, weil er in diesem Zustand eigentlich gar nicht fit genug ist für seinen verantwortungsvollen Job. Und das ist nicht nur aus menschlichen, sondern auch aus juristischen Gründen wichtig.
„Schlafmedizin: Standards und Alternativen“, so lautete das Motto der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Mannheim. Denn gerade in einer sehr interdisziplinär ausgerichteten Wissenschaft wie der Schlafforschung ist es wichtig, über den Tellerrand der allgemein üblichen Diagnostik und Therapie hinauszuschauen.
Marion Zerbst
Medizinischer Fortschritt ist nur möglich, wenn die geltenden Standards immer wieder hinterfragt und neue Alternativen entwickelt werden. Ab und zu etabliert sich so eine Alternative mit der Zeit dann sogar zum neuen Therapiestandard.
Einen solchen Paradigmenwandel erleben wir zurzeit in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA). Beim noch bis vor kurzem unumstrittenen Goldstandard der Schlafapnoe-Therapie – der nasalen Überdruckbeatmung (nCPAP) – ist die Compliance ein großes Problem: Nicht jeder Patient mag ein Leben lang mit Gerät und Maske schlafen. Außerdem gibt es Therapieversager. Nicht zuletzt deshalb spielen nachts getragene Protrusionsschienen, die den Unterkiefer vorverlagern und so die oberen Atemwege erweitern, in der Schlafapnoe-Therapie eine immer wichtigere Rolle.
„In den ersten fünf Jahren brechen zirka 30 % der Patienten ihre Therapie ab“, erläuterte Holger Wöhrle in seinem Vortrag beim ResMed-Symposium „Was tun, wenn CPAP versagt?“ Und man weiß inzwischen auch schon sehr genau, bei welchen Patienten das der Fall sein wird: „Diejenigen, die in den ersten drei Monaten Probleme mit der Therapie bekommen, haben eine extrem hohe Abbruchrate.“ Mit solchen Patienten sollte man über sinnvolle Alternativen sprechen.
Eine weitere Problemgruppe sind Schlafapnoiker, die nicht unter Symptomen (Tagesschläfrigkeit etc.) leiden, für die eine Therapie aber dennoch ratsam ist, um das Herz-Kreislauf-Risiko zu senken oder einen schwer einstellbaren Bluthochdruck besser behandeln zu können. Auch hier kann eine Unterkieferprotrusionsschiene eine sinnvolle Alternative sein. Denn: Je geringer die Beschwerden, umso schlechter die CPAP-Compliance.
Die Schienen haben sich bei leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe inzwischen bereits etabliert und werden auch in der neuen S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ empfohlen. Studien haben nämlich gezeigt, dass die Ergebnisse einer Schienentherapie bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Schlafapnoe in jeder Hinsicht so gut sind wie mit CPAP: Die Tagesschläfrigkeit, beurteilt anhand eines Fragebogens (Epworth Sleepiness Scale), lässt sich dadurch genauso effektiv lindern, nämlich um zwei Punkte. Und der Blutdruck sinkt im Schnitt um 2 mmHg – ebenso wie bei einer CPAP-Therapie.
„CPAP ist bei milder bis moderater Schlafapnoe nicht mehr der Goldstandard – die Daten sind vergleichbar“,lautet das Fazit von Holger Wöhrle. Wichtig ist nur, dass man die richtigen Kandidaten für eine Schienentherapie heraussucht. Erfolgversprechend sind Protrusionsschienen bei so genannten „Peanuts“ (Menschen mit fliehendem Kinn) und bei Patienten mit großer Zunge und kleinem Unterkiefer. Auch bei positionsabhängiger Schlafapnoe ist eine Schiene vielversprechend, während sie bei stark übergewichtigen Patienten eher nicht zum Erfolg führt.
Auch die Art der Schiene ist wichtig: Studien zeigen eindeutig, dass titrierbare Schienen (also solche, bei denen der Unterkiefer je nach Bedarf stärker oder schwächer vorverlagert werden kann) am effektivsten sind. Und natürlich muss man die Therapie auch richtig einstellen: „Das Ausmaß der Protrusion ist für den Therapieerfolg entscheidend“, betont Holger Wöhrle und empfiehlt eine allmähliche Titration. „Es ist genau wie mit Stretching-Übungen: Da fängt man ja auch nicht gleich mit der maximalen Dehnung an“, erklärt er. „Sonst haben die Patienten morgens Schmerzen. Wir geben unseren Patienten die Schienen in den ersten Tagen sogar ohne jegliche Protrusion, damit sie sich erst mal daran gewöhnen können.“
Nebenwirkungen (z. B. Kieferbeschwerden, empfindliche Zähne, entzündete oder gereizte Wangenschleimhaut und übermäßiger Speichelfluss) treten erfahrungsgemäß hauptsächlich zu Beginn der Therapie auf und lassen mit der Zeit nach.
Wöhrle arbeitet bei seinen Patienten auch gerne mit Kombi-Therapien: So kombiniert er beispielsweise Schienen und Rückenlageverhinderungswesten. „In Seitenlage ist der Protrusionseffekt einfach besser“, meint er. Und Patienten, die einen hohen CPAP-Druck nicht tolerieren oder bei denen sich die Atemwege selbst durch CPAP nicht ausreichend öffnen lassen, verschreibt er auch schon mal eine Kombination aus Beatmungsgerät und Schiene.
Eigentlich erfordern schlafbezogene Atmungsstörungen aber einen ganz anderen Ansatz: Prävention statt Therapie. Das erläuterte der „Star“ des Kongresses, Prof. Christian Guilleminault, der das Phänomen der obstruktiven Schlafapnoe in den Siebzigerjahren des 20. Jahrunderts entdeckte und erstmals beschrieb. Guilleminault war extra aus dem kalifornischen Palo Alto angereist, um Schlaf- und Zahnmedizinern zu erklären, dass man die Entstehung einer obstruktiven Schlafapnoe bei Erwachsenen in vielen Fällen verhindern kann, indem man schon bei Babys und Kleinkindern auf schlafbezogene Atmungsstörungen achtet.
Die jetzige schlafmedizinische Diagnostik und Therapie, so Guilleminault, setzt erst an, wenn schon eine irreversible chronische Erkrankung vorliegt: Bei OSA-Patienten sind Nerven und Muskulatur der oberen Atemwege durch die Gewebsvibrationen beim Schnarchen bereits irreparabel geschädigt, sodass in der Regel eine lebenslange Therapie erforderlich ist. Das muss nicht sein. Denn Schlafapnoe entsteht nicht nur durch Übergewicht. Oft stecken Gesichts- und Kieferfehlbildungen bzw. -fehlentwicklungen im frühen Kindesalter dahinter, die später zwangsläufig zu einer obstruktiven Schlafapnoe führen, wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt und behandelt.
Guilleminault zeigt uns das Foto eines schlafenden Babys, das mit unnatürlich überstreckter Halswirbelsäule auf der Seite liegt, den Kopf weit in den Nacken gelegt. „Diese Haltung nehmen Kinder ein, um ihre Atemwege zu öffnen, wenn sie während des Schlafens nicht genügend Luft bekommen“, erklärt er. Nächstes Foto: Ein Kleinkind, ebenfalls mit überstrecktem Kopf, das sich im Schlaf wild herumwirft. Das sind Alarmsignale, bei denen Eltern hellhörig werden sollten – ebenso natürlich, wenn ihr Kind schnarcht. „Jedes Kind, das schnarcht, muss untersucht werden“, fordert Guilleminault kategorisch.
Ein weiteres Warnsignal ist die Mundatmung: Offener Mund und häufiges Durch-den-Mund-Atmen können auf eine beeinträchtigte Nasenatmung hindeuten. Außerdem können Gesicht und Kiefer sich bei Mundatmung nicht richtig entwickeln.
Weitere mögliche Symptome für schlafbezogene Atemstörungen im Kindesalter sind übermäßiges Schwitzen im Schlaf, Schlafwandeln, Verhaltensauffälligkeiten in der Schule, Konzentrationsstörungen und Hyperaktivität – das so genannte „Zappelphilipp-Syndrom“. Und oft verrät schon die Gesichtsform alles. Guilleminault zeigt uns sein nächstes Bild: Zwei Profile, Vater und dreijähriger Sohn – beide mit dem gleichen stark fliehenden Kinn. Dass dieses Kind später einmal eine schlafbezogene Atmungsstörung entwickeln wird, ist jetzt schon vorprogrammiert. „10 bis 36 % unserer Gesichtsdimensionen ererben wir von unseren Eltern“, erklärt Guilleminault.
Was tun? „Heute werden bei Kindern mit schlafbezogenen Atemstörungen normalerweise als Erstes die Rachen- und Gaumenmandeln entfernt“, kritisiert er. „Wenn das nichts bringt, versucht man eine CPAP-Therapie.“ Kein optimales Vorgehen: Denn die operative Entfernung der Rachen- und Gaumenmandeln (Adenotonsillektomie) ist nur in 35 bis 50 % aller Fälle erfolgreich. Eigentlich müsste hier eher der Kieferorthopäde ‘ran. Mit Spangen lässt sich beispielsweise ein zu enger Kiefer erweitern, sodass sich das Gesicht (und damit auch die oberen Atemwege) normal entwickeln können. Eine solche Korrektur muss aber frühzeitig erfolgen: Bereits in den ersten vier Lebensjahren prägen sich nämlich 60 % unseres „Erwachsenengesichts“ aus. Ein begleitendes Training für die Gesichts- und Zungenmuskulatur hilft Kindern, von der Mundatmung wieder auf Nasenatmung umzustellen und den Mund geschlossen zu halten. Nur so ist – durch den Druck der Zunge auf den Oberkiefer – ein normales Kieferwachstum möglich.
Ein weiteres klassisches Beispiel dafür, dass man mit den etablierten, standardmäßigen Diagnostik- und Therapieverfahren nicht unbedingt immer weiterkommt, sind ältere Patienten. Denn im Alter herrschen besondere Gegebenheiten, die der Arzt berücksichtigen muss.
Das zeigt sich zum Beispiel an einer der beliebtesten Methoden zur Messung von Tagesschläfrigkeit, der Epworth Sleepiness Scale (ESS): Bei diesem Fragebogen muss der Patient beantworten, wie hoch seine Wahrscheinlichkeit, einzunicken, in bestimmten Situationen ist – zum Beispiel beim Lesen, vor dem Fernseher oder als Autofahrer an einer roten Ampel. Eine Studie mit alten und hochbetagten Patienten hat gezeigt, dass nur ein Drittel der Befragten diesen Fragebogen überhaupt ausfüllte – und 38 % dazu gar nicht mehr in der Lage waren. Viele beantworteten die letzte Frage nicht, weil sie in ihrem hohen Alter nicht mehr Auto fuhren. Wenn man einfach eine Frage weglässt, stimmt aber die Punktzahl (und damit auch die Auswertung) nicht mehr.
Das zeigt, dass in der Diagnostik von Tagesschläfrigkeit bei älteren, insbesondere pflegebedürftigen Menschen andere Wege eingeschlagen werden müssen. Deshalb wurde jetzt der Essener Fragebogen Alter und Schläfrigkeit entwickelt, der nicht auf Patientenaussagen basiert, sondern von Pflegepersonal oder pflegenden Angehörigen ausgefüllt wird. Abrufbar ist er auf der Homepage der DGSM unter www.charite.de/dgsm/dgsm/fachinformationen_frageboegen_efas.php?language=german.
Auch in der Therapie von Schlafstörungen und schlafbezogenen Erkrankungen müssen bei Senioren vielfach neue Wege beschritten werden. Eine CPAP-Therapie scheitert bei hochbetagten Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe beispielsweise häufig daran, dass ihre Atempumpfunktion nicht mehr richtig funktioniert. In solchen Fällen ist als Kompromisslösung eine reine nächtliche Sauerstofftherapie zu erwägen.
Dies gilt beispielsweise für Schlaganfallpatienten, die naturgemäß meistens älter sind. Viele Menschen entwickeln nach einem Schlaganfall eine obstruktive Schlafapnoe. Man weiß, dass diese Atmungsstörung ihre Genesungschancen verschlechtert und ihre Lebenserwartung senkt. Eine CPAP-Therapie kann die kognitive Funktion solcher Patienten verbessern; ob sie langfristig etwas bringt, ist jedoch ungewiss. Soll man einem Patienten, der ohnehin schon durch den durchlittenen Schlaganfall in seiner Funktion und Lebensqualität eingeschränkt ist, nun auch noch zumuten, dass er Nacht für Nacht mit Gerät und Maske schläft? Erfahrungsgemäß ist die CPAP-Compliance solcher Patienten relativ schlecht. Auch hier kann es sinnvoll sein, Alternativen ins Auge zu fassen – z. B. die bereits erwähnte nächtliche Sauerstoffgabe oder eine Vermeidung der Rückenlage.
Falls der Patient ein erhöhtes Risiko für einen weiteren Schlaganfall hat, sollte man dieses möglicherweise lieber auf medikamentösem Weg (durch Gabe eines Gerinnungshemmers) senken als durch eine CPAP-Therapie.
Die nasale Überdruckbeatmung (nCPAP) ist nach wie vor der Goldstandard in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe. Aber es gibt immer wieder Patienten, die diese Therapie nicht akzeptieren oder bei denen sie nicht wirkt. Deshalb sind Schlafmediziner ständig auf der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten für schlafbezogene Atemstörungen.
Prof. Dr. Karl-Heinz Rühle
Die CPAP-Therapie wurde in den drei Jahrzehnten seit ihrer Erfindung kontinuierlich verbessert: Die einst 20 bis 30 kg schweren, potthässlichen Beatmungsmonster haben sich zu handlich kleinen, fast schon elegant wirkenden Geräten gemausert. Der ursprüngliche Geräuschpegel konnte auf ein Viertel reduziert werden: Mit etwa 24 Dezibel sind die heutigen CPAP-Geräte beinahe flüsterleise. Außerdem gibt es mittlerweile eine große Auswahl unterschiedlicher Therapiemodi: Neben den ursprünglichen Geräten, die einen konstanten Druck abgeben, werden inzwischen vielfach automatische CPAP-Geräte verwendet, die ihren Druck flexibel dem jeweiligen Bedarf des Patienten anpassen. Damit kann man ungefähr 2 mbar Therapiedruck pro Nacht einsparen. Das macht die Therapie angenehmer und verbessert die Compliance. Denn der Schweregrad der Obstruktionen variiert von Nacht zu Nacht und sogar von Stunde zu Stunde – je nach Schlafphase, Schlafposition, abendlichem Alkoholkonsum und anderen Einflussfaktoren.
Ferner gibt es CPAP-Geräte mit flexibler Druckabsenkung (C-Flex). Sie wurden entwickelt, weil viele Patienten es als unangenehm empfinden, gegen den Therapiedruck des Geräts auszuatmen. Diese Geräte senken den Beatmungsdruck genau zu Beginn der Ausatmung ab; beim Einatmen steigt der Druck wieder an. Viele Patienten empfinden das als Entlastung, weil sie jetzt nicht mehr gegen einen „Widerstand“ anatmen müssen.
Auch die Masken – die Schnittstellen zwischen Patient und Gerät, die besonders häufig Probleme bereiten – wurden in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert: Inzwischen gibt es so viele verschiedene Maskentypen, dass nahezu für jeden Patienten etwas Passendes dabei ist.
Aber es werden auch immer mehr Alternativen zur CPAP-Therapie erforscht und entwickelt. Neben diversen HNO-ärztlichen Eingriffen und Zahnschienen, die den Unterkiefer nach vorn verlagern, spielen Vorrichtungen zur Verhinderung der Rückenlage eine wichtige Rolle: Bei vielen Schlafapnoikern nimmt die Anzahl der Apnoen nämlich zu, wenn sie auf dem Rücken liegen. Da war es natürlich naheliegend, sich etwas auszudenken, was die Patienten von der Rückenlage abhält. Angefangen hat es mit provisorischen Lösungen wie dem berühmten in die Schlafanzugjacke eingenähten Tennisball: wirkungsvoll, aber nicht besonders bequem. Die heutigen Rückenlageverhinderungswesten (umgangssprachlich auch als „Schnarchrucksäcke“ bezeichnet) sind sehr viel komfortabler, was auch für die Schlafqualität wichtig ist: Denn was nützt es dem Patienten, wenn er zwar nicht mehr schnarcht, aber dafür bei jedem Umdrehen hellwach wird?
Ein neu entwickelter Lagerungsgürtel kommt aus den USA: Der per Klettverschluss schließbare Gürtel besteht aus leichtem synthetischem Schaumstoff und soll bald auch in Deutschland erhältlich sein. Er eignet sich für Patienten mit leichter bis mittelschwerer (Apnoe-Hypopnoe-Index: unter 20) und lageabhängiger Schlafapnoe.
Einer Studie zufolge haben 92 % der untersuchten Patienten von dieser Methode profitiert: Sie schliefen mit dem Gürtel tatsächlich nicht mehr auf dem Rücken, sondern nur noch auf der Seite und ihre Atmung normalisierte sich. Bisherige Studien zur Lageabhängigkeit zeigen, dass der AHI sich in Seitenlage immerhin um rund 50 % reduziert. Allerdings liegt nur bei etwa 35 % aller Schlafapnoiker eine Lageabhängigkeit vor, und zwar besonders häufig bei leichten bis mittelschweren schlafbezogenen Atemstörungen.
Ferner gibt es Ventile, die nachts in die Nasenöffnungen geschoben werden und beim Einatmen geöffnet sind (sodass der Patient genügend Luft bekommt), sich bei der Ausatmung aber verengen. Auf diese Weise erhöht sich der Druck in den Atemwegen beim Ausatmen, wodurch (so vermutet man wenigstens) die Kollapsneigung der oberen Atemwege im Schlaf auch noch während der Einatmung verhindert wird. Tatsächlich ließ sich in einer Studie der AHI durch diese Nasenventile von 24,8 auf 14,2 senken. Auch das Schnarchen wurde von 26,9 % auf 9,4 % des Nachtschlafs reduziert, und die Patienten waren tagsüber weniger schläfrig. Allerdings ist diese Therapie nicht ganz billig: Es handelt sich nämlich um Einwegventile, und zehn Nächte kosten 20 Dollar – also vielleicht doch eher eine Alternative für Reisen, aber keine Dauertherapie. Außerdem sind die Nasenventile zurzeit nur in den USA, Hongkong, Indien, Australien und Neuseeland erhältlich.
Auch die transnasale Insufflation (TNI) bewirkt eine Druckerhöhung in den oberen Atemwegen. Dabei wird dem Patienten über eine einfache Nasenkanüle mit hohem Fluss (20 Liter/Minute) auf 32 bis 33 °C angewärmte Luft in die Nasenlöcher geblasen. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch: Sie liegt bei mindestens 80 %. Der zuführende Schlauch, der bei CPAP-Geräten einen Durchmesser von 1,5 bis 2 cm hat, liegt bei der TNI unter 1 cm Durchmesser, wirkt also weniger störend. Außerdem entfällt natürlich auch die Beatmungsmaske, mit der viele Patienten Probleme haben.
Allerdings erreicht man mit diesem offenen Beatmungsverfahren keinen so hohen Therapiedruck. Und die Behandlung ist auch nur bei bestimmten Patientengruppen gut wirksam, nämlich bei Schlafapnoikern mit geringgradiger Atemstörung, die eher Hypopnoen als Apnoen entwickeln – bei denen sich die Atemwege also nicht völlig verschließen, sondern nur verengen. Bei solchen Patienten kann man mit dem ausgeübten Druck tatsächlich verhindern, dass die Atemwege weiter zugehen, insbesondere im REM-Schlaf. Wer also besonders viele Atemstörungen im REM-Schlaf (der Schlafphase mit lebhaften Träumen und schnellen Augenbewegungen) und viele Hypopnoen hat, profitiert von der Therapie. Die höchste Erfolgsrate ist bei leichten Schlafapnoe-Formen zu erwarten. Bei zentralen Apnoen wirkt die TNI nicht; außerdem sind noch Untersuchungen zur Langzeitanwendung erforderlich, um die Anwendungsgebiete und den klinischen Nutzen genauer abzusichern. Ob die Krankenkassen die Kosten für diese Therapie übernehmen oder nicht, ist Verhandlungssache.
Über die automatische CPAP-Therapie, welche die Obstruktionen nur im Bedarfsfall bekämpft, wurde bereits gesprochen – der flexibel an die jeweilige Atemwegssituation angepasste und insgesamt niedrigere Druck wird von vielen Patienten als angenehm empfunden. Eine weitere Erleichterung für Schlafapnoiker bieten Geräte mit Wachphasenerkennung, die den Druck im Wachzustand absenken. Denn dieser Druck ist (v. a. bei längeren Wachliegephasen) für viele Patienten unangenehm und erschwert ihnen das Wiedereinschlafen.
Geräte mit der SensAwake™-Technologie von Fisher & Paykel „merken“ anhand der unregelmäßigen Atmung des Patienten, dass er wach ist, und senken den Druck dann blitzschnell ab. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass die Geräte tatsächlich 61,2 % aller längeren Wachphasen erkennen. Das verbessert Patientenkomfort und Therapieakzeptanz und kann Therapieabbrüchen vorbeugen.
Wer mit seiner CPAP-Therapie also beim besten Willen nicht zurechtkommt oder sie zumindest als so unangenehm empfindet, dass er sein Gerät manchmal am liebsten in die Ecke stellen würde, dem bieten C-Flex und SensAwake™ vielleicht eine gewisse Therapieerleichterung. Es auszuprobieren, lohnt sich auf jeden Fall. Denn CPAP ist nach wie vor die wirksamste Behandlungsoption gegen obstruktive Schlafapnoe; und da diese schlafbezogene Atemstörung sich bislang nicht heilen lässt, muss das Gerät regelmäßig jede Nacht benutzt werden, um zu wirken. Gerade Patienten mit leichteren Schlafapnoe-Formen sollten, wenn sie Probleme mit der CPAP-Therapie haben, ihren Arzt aber ruhig auch einmal nach anderen, weniger belastenden Behandlungsmöglichkeiten fragen.
Man nimmt am besten das Auto. Mit der Eisenbahn ist es wahrscheinlich nicht ganz so einfach. Also an Zürich vorbei, und die Landschaft wird langsam richtig schwyzerisch. Landstraßen, Wiesen mit weißen Reihern, putzige Dörfchen, eine beeindruckende Bergkulisse. Leider führt uns der Weg nicht in Alpenhöhen hoch. Schänis ist erreicht. Das Industriegebiet liegt vor der kleinen Gemeinde, und die weitläufige Fabrikanlage von bico müssen wir nicht lange suchen. Martin Frutig, der Chef der Firma bico, steht schon unten und öffnet die Glastür. Eigentlich ist jetzt Mittagspause, und da ist die Tür normalerweise verschlossen. Frutig ist ein ruhiger, gemütlicher, äußerst sympathischer Schweizer. Im Konferenzsaal weiht er uns in die Geheimnisse der Bettenproduktion von bico ein und erzählt uns Dinge, von denen wir bisher nicht die geringste Ahnung hatten.
Werner Waldmann
Das bico-Team hat es ausgerechnet: Es kommen mehr als dreieinhalb Millionen Stunden zusammen, die die Schweizer pro Jahr auf bico-Matratzen verbringen. Dieses Jahr haben die Schweizer Bettenmacher ihr Jubiläum gefeiert; auf immerhin anderthalb Jahrhunderte blickt man zurück! So exotisch der Markenname bico in unseren Landen noch sein mag, so allgegenwärtig ist er in der Schweiz. Dort ist bico ein Traditionsunternehmen. Mit bico-Matratzen assoziiert der Schweizer Bürger angenehme Träume, einen entspannten Rücken, schlichtweg solide Schlaftradition. Wenn man „solide“ sagt, meint man oft auch ein Verharren auf erreichten Positionen, ein Festhalten am Alten und Bewährten. Tradition bedeutet bei bico jedoch: nach vorne blicken, bisher Geschaffenes übertreffen, innovativ sein. Über das Geheimnis eines guten, erholsamen Schlafs weiß man heute zwar noch lange nicht alles, jedoch so viel, dass Schlaf auch durch intelligente Liegesysteme gefördert wird. bico nimmt für sich in Anspruch, das erste Unternehmen gewesen zu sein, das die Faktoren Hygiene und Bettklima – wichtige Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf – in neuen Produkten umsetzte.
Frutig erzählt, wie er regelmäßig in kleiner Runde mit den Ressortleitern für Marketing, Administration und Entwicklung Ideen sammelt, wie sie sich austauschen, leidenschaftlich debattieren und auch verrückt klingende Lösungen keinesfalls verwerfen. Eine eigene Abteilung für Produktstrategie denkt ständig darüber nach, wie man mit neuen, noch nie dagewesenen Konzepten das nächtliche Wohlbefinden heben und den Schlafkomfort noch weiter erhöhen kann. Um das zu erreichen, hören die Schweizer Matratzenspezialisten gerne auf die Ratschläge renommierter Schlafforscher und Schlafkliniken und arbeiten eng mit dem Zürcher Zentrum für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene zusammen.
Frutig erinnert sich, wie er einmal einem Jungen zuschaute, der mit einem Fußball spielte, der offensichtlich ein Loch hatte. Immer wenn dieser Junge gegen den Ball trat, dellte der sich ein, saugte sich dann aber selbständig wieder mit Luft voll. Diese Beobachtung faszinierte Frutig. Genauso müsste ein Federsystem für eine Matratze funktionieren, dachte er. Man müsste also eine Feder entwickeln, die sich durch die Körperbewegungen während des Schlafs zusammenpresst, jedoch bei Druckentlastung eigenständig durch ihre Rückstellkraft wieder mit Luft vollsaugt. Ein solches Federsystem innerhalb der Matratze hätte noch einen zusätzlichen Effekt: Indem die Federn Luft ausströmen, wird warme Luft hinausgeblasen und frische Luft angesaugt. Der Matratzenkern würde also ständig durch die Luftimpulse der einzelnen Luftfederelemente durchlüftet. Ein rundumlaufendes Klimaband an der Matratze müsste einen ständigen Luftaustausch ermöglichen, ebenso wie ein speziell zu entwickelndes Matratzenstoffgewebe, das deutlich luftdurchlässiger sein müsste. Dies ist das Geheimnis der von bico entwickelten ClimaBalance-Matratze. Im Kern der Matratze befinden sich 60 solcher Federelemente, die den Körper nicht nur punktgenau bei jeder Bewegung unterstützen, sondern den Matratzenkern belüften und so die Wärme gleichmäßig verteilen. Nicht ohne Stolz resümiert Martin Frutig: „Wir waren die Ersten, die statt Metallfederelementen ermüdungsfreie Kunststofffederelemente zum Einsatz brachten; die Ersten, die sich um Bettklima und Hygiene kümmerten; und die Ersten, die waschbare Bezüge und Produkte für Allergiker entwickelten.“
Jeder Schläfer deckt sich zu und legt den Kopf auf ein Kissen. Frierend legt man sich im Winter ins Bett, zieht sich warme Socken an, weil man mit kalten Füßen so schlecht einschläft. Nach ein paar Stunden wacht man auf, schweißgebadet. Da nützt die ClimaBalance-Matratze auch nicht viel, wenn die Zudecke zwischen Matratze und Decke das Klima nicht ebenso perfekt ausbalanciert. bico hat sich mit der Firma Sanders aus Bramsche (Deutschland) zusammengetan. Gemeinsam bieten die beiden Unternehmen raffinierte Bettwaren an. Sozusagen eine Komplettlösung für den erholsamen Schlaf. Das Bramscher Traditionsunternehmen Gebr. Sanders bietet eine Produktfamilie aus Bettdecken, Kopfkissen und Matratzenauflagen an, die dank einer Kombination aus feinen Gänsedaunen und eingebauten Klimazonen Luftfeuchtigkeit rasch abtransportiert und die nötige Wärme mit Hilfe von Luftpolstern am Körper des Schläfers konstant hält – das Resultat ist ein trocken-warmes Bettklima, in dem man nicht schwitzt.
Dr. Christoph Wölk vom Schlaflabor der Universität Osnabrück urteilt, dass diese ClimaBalance-Produkte „genau die vom Entwickler intendierte Wirkung erbringen: eine gleichmäßigere und als deutlich angenehmer erlebte Verteilung der Wärme“. Neun Wochen lang wurde dafür das Schlafverhalten von 27 Personen untersucht und in einem Schlafprotokoll festgehalten. Danach stellten die Wissenschaftler den Testschläfern eine Reihe qualitativer Fragen als Ergänzung zu den quantitativen Ergebnissen. Die verbesserte Wärmeverteilung ließ die Personen deutlich rascher einschlafen, sie wachten in der Nacht seltener auf und waren tagsüber munterer als sonst. Prof. Siegfried Ripperger (Technische Universität Dresden) verglich herkömmliche Bettdecken mit der ClimaBalance-Technik: „Bei Bettdecken ohne Klimazonen wird Wasserdampf nur durch Diffusion, bei der Bettdecke mit Klimazonen wird Wasserdampf zusätzlich durch Konvektion, also Strömung, abgeführt.“
Ein Stück Schweizer Tradition
Vor 150 Jahren fing alles an. Im schwyzerischen Reichenburg begann im Jahr 1861 der gelernte Polsterer Meinrad Birchler mithilfe von Wasserkraft Polsterwatte herzustellen, welche die Sattler brauchten, um ihre Polstermöbel zu fertigen. Mit Ideen und Fleiß kommt man weiter: Birchlers kleines Geschäft florierte. Weitere Produkte kamen dazu: Matratzenwolle sowie geleimte und ungeleimte Baumwollwatte.
Seit Mitte der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts lief das Geschäft mit der Matratzen- und Polsterwatte immer schleppender. Die Händler wollten fertige Matratzen. Birchler & Co reagierten schnell und stellten eine eigene Matratzenfabrik in Schänis hin. Das Unternehmen war jedoch eher ein kleines Nähatelier, das bescheidene zehn Matratzen am Tag produzierte – heute verlassen jeden Tag 800 Matratzen die Fertigung. Im Jahr sind es annähernd 120 000 Matratzen! 1964 wurde die Birchler & Co in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Inhaber Herbert und Manfred Birchler werden älter. Sie denken an die Zukunft. 1988 verkaufen sie die Firma. In der Folgezeit wechseln die Besitzer. bico ist heute nach 140 Jahren Schweizer Firmengeschichte Teil der weltweit agierenden Hilding Anders Group. Von der Firmenzentrale in Malmö aus agiert die Gruppe in Europa und Asien. Das eröffnet bico natürlich auch international interessante Märkte.
150 Jahre bico – das ist das Geheimnis der meisten Schweizer Schlafzimmer. Jede fünfte Maratze, die in der Schweiz genutzt wird, stammt aus Schänis. Doch Qualität allein macht ein Produkt nicht unbedingt zur Marke. Die Schweizer hatten jahrelang – genau von 1973 bis 1991 – mit den Zwillingsbrüdern Müller in der Schweiz markante, witzige Werbespots geschaltet, die den Slogan „Für ä tüüfä gsundä Schlaaf“ mit liebenswürdigem Charme und tiefgründigem Humor ins Schweizer Bewusstsein beförderten. Diese TV-Werbung ist Kult. Die Brüder sind längst tot, doch die Werbung sitzt in den Köpfen.
Wichtiger als Maschinen: der Mensch
Die Produktionshallen von heute sind mit modernsten Maschinen ausgestattet. Doch das ist auch bei den Mitbewerbern der Fall. Martin Frutig weiß, dass sein eigentliches Kapital die Mitarbeiter sind. Sie werden gefordert, doch nicht überfordert. Wenn, so Frutig, eine Näherin trotz bestem Einsatz nun einmal langsamer arbeitet als die Kollegin, ist das kein Grund, die Frau als Mitarbeiterin in Frage zu stellen; man muss individuelle Besonderheiten bis zu einem gewissen Grad respektieren. Solche Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeiter zahlt sich aus. Das bico-Team ist ein echtes Team, denn jeder Einzelne ist stolz darauf, was die Mitarbeiter gemeinsam produzieren, stolz auf den Namen, auf die Marke. „Wir sind bico“ – dieser Gedanke beflügelt alle. Die meisten Mitarbeiter blicken auf ein langjähriges partnerschaftliches Zusammenwirken zurück. Man reißt sich geradezu darum, Verantwortung zu übernehmen, mitzudenken, mitzuarbeiten am gemeinsamen Fortkommen, an immer besseren Lösungen für den Kunden. Das Unternehmen fördert seine Mitarbeiter individuell. Schulungen werden regelmäßig angeboten, und selbstverständlich versucht man, sich den Nachwuchs selbst heranzuziehen. Auf 130 Mitarbeitende kommen derzeit zwei Auszubildende.
Nur gesunde Mitarbeiter – gesund an Körper und Geist – sind gute, verlässliche und produktive Mitarbeiter. Die Gesundheit der Belegschaft ist kein Schicksal, dahinter steckt eine bewusste Strategie. Dafür tut die Geschäftsleitung viel und denkt voraus.
Schlafforscher haben längst bewiesen, dass kein Mensch zu ununterbrochener Dauerleistung fähig ist. Ruhepausen helfen, den Organismus zu regenerieren. So wird neue Kraft für die Arbeit getankt. Bico-Mitarbeitern steht ein Fitnessraum zur Verfügung, der nach der Arbeit und über die Mittagszeit auch rege genutzt wird. Martin Frutig denkt inzwischen auch schon darüber nach, wie sich reguläre Powernaps in den Arbeitsablauf integrieren lassen. Und ihm ist auch das Problem des Burn-outs bewusst. Er ermuntert seine Leute, sich in so einem Fall ohne Scheu rechtzeitig an die Personalabteilung zu wenden. Frühzeitig lässt sich rasch helfen. Das Unternehmen unterhält einen Gesundheitszirkel, sozusagen eine Beschwerdestelle, bei der Mitarbeiter selbst Kleinigkeiten monieren können, z. B. ein Fenster oder eine Tür, die Zugluft bringen. Die Balance zwischen Arbeit und Familie ist Frutig ein wichtiges Anliegen.
Sportkurse werden offeriert, Nordic Walking, einen Monat im Jahr fährt die Belegschaft per Fahrrad in den Betrieb; man unternimmt regelmäßig etwas für den sozialen Zusammenhalt, feiert Grillfeste, veranstaltet Wettbewerbe und einmal im Jahr gibt es die Apfelaktion: Jeden Tag stehen randvolle Apfelkisten bereit, aus denen die Mitarbeiter sich gerne bedienen. Und vor allem: Erfolge der Firma müssen gefeiert werden, mal klein in einer Abteilung mit einem Glas Sekt, mal groß gemeinsam in der Kantine. Dieses soziale und gesundheitsbewusste Engagement zahlt sich aus. „Nicht nur ein flexibles Arbeitszeitsystem kommt unseren Mitarbeitern zugute“, sagt Martin Frutig. „Wir wollen auch mit unserem Entwicklungs- und Gesundheitsprogramm ,fit for future‘ zeigen, dass ein erfolgreiches
Miteinander in angenehmem Arbeitsklima nur durch gegenseitiges Geben und Nehmen funktioniert. Diese Philosophie schafft eine erstaunlich hohe Motivation.“ So fällt auch die Mitarbeiterfluktuation im Hause bico erstaunlich niedrig aus.
Auch die Schweizer schlafen schlecht. Immerhin klagt jeder Dritte im Alpenland über Schlafprobleme. Schlaf soll Wohlbefinden schenken – doch das funktioniert nur, wenn er erholsam ist. Ganz wesentlich ist dabei, ob die Matratze den Körper punktelastisch unterstützt und Muskulatur, Bänder und Gelenke entlastet. Und ob das Klima zwischen Matratze und Zudecke stimmt. Die Schweizer Schlafkultur trägt einen Namen, der in Deutschland noch nicht sehr verbreitet ist. Zu Unrecht. Das Schlafmagazin hat in Schänis den Schweizer Bettenspezialisten bico besucht.
Schweizer Käse, Schweizer Schokolade und Uhren, das Victorinox-Offiziersmesser – die Schweiz ist mehr denn je ein Traumland, auch in Sachen Demokratie. Volksbefragungen bilden hier das Rückgrat der Willensbildung. Das ist Schweizer Lebensart, Schweizer Qualität. Die Güte der Produkte, die Verlässlichkeit des Kundenservice, das sind auch die Maßstäbe von bico. Alle Matratzen und Einlegerahmen werden in Schänis gefertigt und genäht, ebenso 90 % der Matratzenkerne und -hüllen. Zugeliefert wird von Schweizer Unternehmen. Billigprodukte aus Übersee sind verpönt. Doch das rentiert sich, denn treue Partnerschaft bringt Loyalität. Ein weiteres Beispiel: bico leistet sich eine eigene Fahrzeugflotte und fest angestellte Fahrer, die die Waren täglich ausfahren. Das kostet Geld, doch es funktioniert. Nichts verprellt einen Kunden mehr, als wenn die Ware nicht zur vereinbarten Zeit angeliefert wird, und dies auch noch von immer wieder anderen Fahrern. Auf bico kann man sich verlassen. Das ist Kundennähe.
Für bico ist es nicht einfach, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Qualität ist bei einer Markteroberung nicht alles. bico-Produkte sind nichts für den Massenmarkt, wo oft die Schnäppchenmentalität den Preis diktiert. Doch es gibt inzwischen eine Reihe von renommierten Bettenfachhändlern, die bico führen und vor allem die bico-Produkte zu erklären verstehen. Es gibt keine Matratze, kein Bettensystem, das für jedermann gleich gut geeignet ist. Wie man sich bettet, so liegt man: Die nächtliche Liegestatt muss jeder selbst ausprobieren und dann für sich entscheiden, welches System ihm am meisten Erholung schenkt.
Es ist eine der schwierigsten Aufgaben, erschöpfte Menschen überhaupt zu erreichen. Das gilt in besonderem Maße für die Wirtschaftsklientel: Sie reagieren auf Ratschläge allergisch, auf Vorschläge skeptisch, auf Mitgefühl mit Stolz, und Psychotherapie kommt einer feindlichen Übernahme an der Börse gleich. Wie also erreicht man sie? – Dieser Frage widmete sich Business-Coach Lucie Neumann aus Stuttgart und entwickelte das Einzel-Coaching „Zurück zum Schlaf-Genuss “ als Alternative zu schlafhygienischen Trainings. Planbar, messbar, überschaubar, anonym, innovativ, vertretbar – das sind die Kriterien ihres neuroplastisch wirksamen Methodenmix. Erstmals wurden damit 260 internistisch-orthopädische Reha-Patienten gecoacht: Die Evaluation ergab neun Punkte Verbesserung auf einer 12er-Stress-Skala innerhalb von zwei Stunden.
Lucie Neumann
Müde und misstrauisch ist sein Blick, als er durch die Tür der Villa tritt: „Guten Tag, Herr Siegfried*, wie geht es Ihnen bei uns?“ „Ich weiß gar nicht, was ich hier soll – was machen Sie denn?!“ „Was machen Sie denn so – beruflich?“ „Ich bin Stanz- und Umformungs-Techniker.“ „Sehen Sie, das mache ich auch: umformen.“
Herr Siegfried blinzelt. Ich erkläre, dass sich das Gehirn ständig umformt – sozusagen – und neu vernetzt. Dass es sich immer anpasst, in jedem Alter, und dass es neue Techniken gibt, die aus der Gehirn- und Gedächtnisforschung kommen, mit deren Hilfe sich seine Schlaflosigkeit schnell verändern kann. Er müsse sich zu nichts zwingen und auch nichts lernen – das mache das Gehirn ganz von alleine. Nur das Prinzip verstehen. Jetzt nickt er, auf Grundprinzipien verstehe er sich als Techniker: „Einverstanden.“
Einverstanden – ein guter Start. Denn ums Einverständnis und Selbst-Verständnis geht es uns im Pilotprojekt „Die Zukunft meiner Arbeit. Ressourcen-Coaching für beruflich belastete Reha-Patienten“ an der internistisch-orthopädischen Rehaklinik Höhenblick in Baden-Baden. Dort sind wir uns seit September 2009 einig: „Wir brauchen mehr Leichtigkeit, Freude und Genuss in der Gesundheitsaufklärung, dann klappt es auch mit der Selbsthilfe.“
Freude, die will Herr Siegfried wieder haben und schöpft jetzt Hoffnung, dass sich seine fünf Jahre alten Ein- und Durchschlafprobleme verändern können. Dass er sie „in den Griff kriegt“, dass er nachts schläft und sich nicht durchs Bett pflügt. Und dass es doch eine Lösung gibt. Der Hausarzt hatte jedenfalls keine, nur Schlaftabletten und – stirnrunzelnd – eine Warnung vor denselben; im Schlaflabor hieß es, es gebe keinerlei organische Ursachen, was ihm jedoch am liebsten gewesen wäre, und von den Hausmittelchen aller Art habe er nun wirklich die Nase voll, er verdreht die Augen. Jetzt grüble er sich mehr denn je quer durchs Bett, bis er zwei oder drei Stunden weg-nicke und dann wieder glockenhellwach sei. Er sei am Ende. Ob das mit dem Alter zusammenhänge?
Nein, es hängt nicht mit dem Alter zusammen. Aber oft mit den unzähligen Klischees, die sich um „Alter & Arbeit“ ranken. Auch heute noch, trotz des bekannten Fachkräftemangels und der Anstrengungen von Unternehmen und Politik, ältere Arbeitnehmer (gesund) zu halten. Die Angst vor dem Alter ist bei zwei Dritteln meiner Klienten ein Thema. Es schaukelt sich in schlaflosen Nächten endlos auf. Angst ist Stress, die Amygdala feuert, „Alarm-Hormone“ fluten den Körper – er liegt in Hochspannung wach. Das erkläre ich ihm, dem Techniker, technisch. Und weiter: Serotonin, ein Botenstoff, der tags für die guten Gefühle zuständig sei, werde in der Nacht in Melatonin umgewandelt. Die Aufgabe des Melatonins sei es, Lebewesen in den Schlaf zu schicken. In der Dunkelheit fehle ein Gutteil des „Sprits für gute
Gedanken“, deshalb grübelt mein Klient. Es sei also primär ein biochemisches Problem, kein persönliches. Herr Siegfried seufzt. Gut. Seufzen löst Muskeln. Und Selbst-Verständnis löst Angst. Das ist mein Ziel: schnellst- und bestmöglich die Stressspirale unterbrechen. Zum einen durch die Entdramatisierung der Situation, zum anderen durch die Erklärung der physiologischen Zusammenhänge. So, dass er sie als Techniker versteht. Alle Ressourcen leite ich aus dem Beruf ab, beim Maschinenführer ebenso wie beim Vorstandsvorsitzenden.
Die hohe Anspannung durch Altersangst kann ich ihm in der ersten Stunde nehmen. Als sich eine Woche später sein Schlaf deutlich verbessert hat, vertraut er etwas mehr „dem, was Sie da machen“, sagt er. Jetzt geht es um die Sortierung der Eindrücke. Der myostatische Test zeigt: Es sind nicht die vielen Frontlinien, an denen er in den letzten Monaten kämpfte, wie die Altersangst, die entnervte Gattin, der Hausbau, die Lehre der Kinder. Der myostatische Test weist eindeutig den Stress mit dem Chef aus, der früher einmal, vor Jahren, ein Freund war. Autsch, denke ich. Autsch, sagt Herr Siegfried.
„Social Pain“ – Sozialschmerz – landet im Schmerzgedächtnis, wie die Psychologen Eisenberger und Lieberman von der kalifornischen Universität in Los Angeles bereits 2004 publizierten. Im Alltag führt unverarbeiteter Sozialschmerz emotional zu Verwirrung durch extrem widersprüchliche Gefühle. Bei Herrn Siegfried waren es Wut, Ohnmacht, Rebellion – und eine gute Portion Trauer. Unverarbeitet führt dieser scharfe Emotions-Mix – nicht nur bei Herrn Siegfried – zu Schlaflosigkeit, Verspannungen im ganzen Körper, die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Organe wird unterbrochen, manchmal entsteht so Drehschwindel. Spätestens jetzt wird es eng ums Herz und im Gehirn, der Mensch verliert buchstäblich den Boden unter den Füßen. Emotionaler Schmerz – der ist lösbar. Wie andere Sorgen, die die Menschen nachts durchs Bett treiben: Sie sind selbst-lösbar, in den meisten Fällen ohne Chemie oder Psychotherapie.
Der Schlüssel liegt im Verarbeitungswissen des Gehirns, das der Körper in vielfältiger Form angelegt hat. Dreh- und Angelpunkt ist jedoch der Schlaf. Oder wie der Harvard-Professor Allan Hobson sagt: „Schlaf kommt vom Hirn, wird vom Hirn gemacht und nutzt dem Hirn.“ Von zentraler Bedeutung sind die REM-Phasen. Die stresslösende Wirkung der schnellen Augenbewegungen entdeckte 1987 die amerikanische Psychologin Francine Shapiro. Daraus entwickelte sich die erstaunlich effiziente Traumatherapie EMDR und seit 2001 die Coaching-Methode wingwave: „Wache REM-Phasen“ lösen den Stress der Sorgen, die den Schlaf behindern. Seit 2004 arbeite ich mit diesem überraschend wirksamen Methoden-Ansatz. Nicht zuletzt, weil meine Klienten aus der Wirtschaft kurze Wege zurück zur Form brauchen, aber weder „strippen“ noch analysiert werden wollen. Wie so viele Therapieferne.
Darum wurde der beruflich belastete Herr Siegfried mit Priorität „hoch“ bei mir angemeldet. Der Chefarzt der internistisch-orthopädischen Rehaklinik Höhenblick, Dr. Jürgen Möbis-Wolf, sandte ihn zu mir mit den Worten: „Vergessen Sie, was Sie gelernt haben, gehen Sie erst mal zu Frau Neumann.“ Ich muss lachen, als mein Klient davon erzählt, hatte es doch seine Zeit gedauert, die Skepsis der Ärzte zu überwinden. Ein Wirtschafts-Coach, der sich um Schlafstörungen kümmert ... Jetzt, nach zwei Jahren und um die Erfahrung mit 260 Klienten reicher, wissen wir: Der interdisziplinäre Schulterschluss funktioniert. Die Evaluation zeigt neun Punkte Verbesserung auf einer 12er-Stress-Skala in genau zwei Stunden.
Der Oberarzt und die leitende Psychologin hatten im September 2009 den Weg für dieses in Deutschland einzigartige Projekt geebnet: einen Business-Coach mit ins Team zu nehmen, der mit Kurzzeit-Methoden arbeitet. Weil „Burn-out“ und berufliche Belastungen enorm zunehmen, weil Daueranspannung internistische und orthopädische Befunde ausprägt, weil es den fatalen Verlauf von „Burn-out“ unbedingt frühzeitig zu verhindern gilt. Und weil es geht – in zwei Stunden.
Voraussetzung dafür ist die Rückkehr zum Schlaf. Ich arbeite auf dem Fundament der Schlafforschung und entwickelte aus Praxis und Gehirn-/Gedächtnisforschung eine genussfreundliche Alternative zur Schlafhygiene. Konkret: Es gibt keine strengen (Schlaf-)Regeln oder Restriktionen. Stattdessen geht es immer um Ressourcen, um persönliche Rituale, die leicht verbessert werden können. Denn in meiner Praxis berichten Key-Account-Manager, Top-Vertriebsmitarbeiter, dass sie abends beim Geschäftsessen ihre Abschlüsse vorbereiten, und schütteln in heller Verzweiflung den Kopf: „Wie soll das denn gehen, wenn ich ab 18 Uhr nur noch wenig essen und keinen Alkohol trinken soll? Und wo bleibt mein Leben, wenn ich am Wochenende abends um 22 Uhr schlafen gehen soll? Was ist denn das für ein Leben – diese Kriechspur?“ Von diesen Reaktionen berichtet auch der leitende Arzt eines Schlaflabors: „Und dann ändert sich nichts.“
Insbesondere Männer in verantwortlichen Positionen führen keine Schlaftagebücher, sie finden das peinlich. Zum Schlaf- oder Psychotherapeuten würden sie niemals gehen. Und in ihren Lebensstil lassen sie sich schon gar nicht dreinreden. „Müssen Sie nicht“, sage ich dann, „es reicht, wenn Sie verstehen, wie sich das Gehirn beruhigt. Dann können Sie Ihre eigenen Methoden ‚upgraden‘.“ Und wenn die Mundwinkel misstrauisch zucken: „Spanier schlafen auch, obwohl sie erst um 21.00 Uhr im Restaurant etwas zu essen bekommen.“ Dann lachen selbst müde Key-Account-Manager. Gut. Lachen entspannt die Muskulatur.
Rund ein Drittel der Burn-out-Gefähr-deten könnten präventiv mit diesem Verarbeitungswissen aus der Gehirnforschung wieder zu Kräften kommen, ein weiteres Drittel durch direkte Intervention. Denn dann wissen sie, wie erstaunlich effizient das Gehirn bestmöglich das „Stress-Verdauungs-Problem“ löst. „Proppleme“ – wie der Schriftsteller Kurt Tucholsky schon vor 100 Jahren schrieb – hat die Natur des Gehirns schon längst gelöst. Und wie es Deutschlands interdisziplinärster Gehirnforscher, Professor Dr. Gerald Hüther, sagt: „Wir müssen uns auf bewährte Prinzipien rückbesinnen.“
Das Wesentliche ist der Schlaf. Er ist die Zentraleinheit für den emotionalen, rationalen und körperlichen Reset eines Menschen, nachts werden sowohl Zellen „gewartet“ wie auch Eindrücke verarbeitet. Er ermöglicht seit Jahrtausenden den täglichen Neustart, ein bewährtes Prinzip. Sonst würde es die Menschheit schon lange nicht mehr geben. Und wie der Schlafmediziner der Karlsruher Paracelsus-Klinik, Dr. Thorsten Piepgras, erläutert: „Der Schlaf gehört zu den ganz frühen und sehr konstanten Entwicklungen der Natur. Bei uns Menschen beträgt der Anteil der Schlafzeit an der Gesamtlebenszeit ca. 25–30 Prozent. Wenn die Natur so viel Zeit für Schlaf ‚einplant‘, ist dies ein Zeichen für dessen zentrale Bedeutung für die Lebensfunktionen.“
Wäre es dann nicht naheliegend, allen Burn-out-Gefährdeten die zügige Rückkehr zum Schlaf zu ermöglichen? Ist es nicht erstaunlich, dass während der Aktionswoche zum „Tag der Seelischen Gesundheit“ im Oktober 2011 nur drei Schlafthemen zu finden waren, bei mehr als 200 Veranstaltungen an 40 Standorten? Dass der „Spiegel“ im Juli titelte „Neustart: Wie Sie der Burn-out-Falle entkommen“ und übers betriebliche Gesundheitsmanagement berichtet – aber sich auch dort nichts zum Schlaf findet?
Ist Schlaf also Privatsache? Aus meiner Erfahrung: ja und nein. Ja, weil jedes durchorganisierte Leben auch Freiräume braucht. Und nein, weil die starke Zunahme der Burn-out-„Befunde“ es erfordert, aus der Volksweisheit „Schlaf eine Nacht drüber“ leichtgängiges Public-Health-Wissen zu „Schlaf-Genuss“ zu machen.
Woran liegt es, dass das Naheliegende noch so wenig Beachtung findet? Zwar warben in den vergangenen Jahren zahlreiche Wellness-Hotels mit Vorträgen zur Schlafhygiene, aber heute finden sich diese Angebote kaum mehr. Ist die Schlafhygiene noch zu lebensfern? Das ist zu vermuten. Es geht menschenfreundlicher und nachhaltiger, in vielerlei Hinsicht. Das ist ein Ergebnis unseres Projekts.
Insbesondere bei „Burn-out“ ist ein ressourcenorientiertes Durchstarten von zentraler Bedeutung. Politik und innovative Krankenkassen müssten angesichts der schnell anschwellenden Burn-out-„Befunde“ neue praxisrelevante Programme auflegen. Und gerade auf Praktiker sollte weitaus mehr gehört werden. So zitiert der Neurobiologe Peter Spork in seinem „Schlafbuch“ den Chefarzt der psychosomatischen Oberberg-Klinik Berlin-Brandenburg: „Vor allem müssen sie schlafen.“
Das „Wie“ bleibt noch im Dunkeln: Neben der klinischen Forschung – am besten interdisziplinärer Forschung, zum Beispiel in Verbindung mit der Bewegungsmedizin – braucht es die Hausarzt-Forschung; Patientenwissen sollte einbezogen werden, wie zum Beispiel das Projekt „Krankheitserfahrungen.de“ der medizinischen Fakultäten in Freiburg und Göttingen; auch unser Praxis-Projekt „Zurück zum Schlaf-Genuss“ kann sich in der Forschung bewähren. Aber Forschung braucht Gelder. Trotz der Bedeutung, die der Schlaf bei Burn-out, psychischen, internistischen und orthopädischen Erkrankungen hat, gibt es bis heute keinen Lehrstuhl für Schlafmedizin, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, Professor Dr. Geert Mayer. Und weiter: „Trotz des Angebots an qualifizierten Ausbildungsplänen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin haben diese Lehrpläne bisher keinen Eingang in die Ausbildung von Medizinern/innen gefunden.“ Liegt es vielleicht mit an der Schwere der Kommunikation? Bewegungs- und Ernährungsmedizin haben bereits innovative, genussfreundliche und kurze Wege zum Patienten gefunden. Internisten und Schlafmediziner bestätigen: „Wir wissen, dass ‚Schlafhygiene’ ein schwerfälliges Vehikel ist.“
In meiner Arbeit an der Klinik ist der „Schlaf-Genuss“ inzwischen das Einstiegsszenario zur Lösung von beruflichen Lasten, damit Klienten möglichst schnell zur Ruhe zurückfinden. Die schnelle Veränderung schafft Hoffnung. Dann setzt die Lösungsfähigkeit wieder ein, dann können die Klienten in Selbsthilfe für die Verarbeitung sorgen. Selbstmedikation bzw. Selbsthilfe ist ohnehin das zweitwichtigste Gesundheitsthema, gleich nach der Prävention, wie die Kommunikationsagentur fischerAppelt aus Hamburg 2009 erhoben hat. Kurze Wege zur Selbsthilfe, dafür habe ich diese neue Herangehensweise entwickelt, die sich in der Klinik in (fast) allen Bildungsschichten, Berufen und Branchen bewährt hat. In meiner Privatpraxis wird sie besonders schnell von Führungskräften und Selbstständigen angenommen. Weil sie immer nach effizienten, praktikablen Lösungen suchen und nach ihren eigenen Regeln leben. Und weil sie ihren Schlafmangel manchmal bis in die Knochen spüren.
Mein Klient, Herr Siegfried, besucht mich am letzten Tag seines Reha-Aufenthalts: Er kann wieder schlafen, seine Nackenschmerzen ist er los, er drückt mir seinen anonymen Evaluierungsbogen in die Hand, ich will protestieren, aber er sagt: „Mir geht es gut, das will ich Ihnen persönlich sagen.“ Ich blinzle, nicke und lache. Bevor er unter der Tür der Villa verschwindet, ruft er noch: „Funktioniert das auch für Schichtarbeiter?“ Ich rufe zurück: „Es gibt Hinweise.“ – Tatsächlich, das „Schlaf-Problem“ der Deutschen ruft nach neuen Lösungen.