Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2012

Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2012


Liebe Leserin, lieber Leser,

man weiß inzwischen, dass Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern (so genannte obstruktive Schlafapnoe) gravierende gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Deshalb nehmen Betroffene diese Krankheit ernst. Was aber ist, wenn ein Mensch mit solchen Atemaussetzern in eine Klinik muss, um sich operieren zu lassen? Wie vertragen sich Narkose und Schlafapnoe? Man weiß noch nicht genau, wie Schlafapnoe-Patienten während und nach einer Operation richtig betreut werden müssen. Eine Online-Umfrage unter Anästhesisten hat gezeigt, dass die Betreuung von Schlafapnoe-Betroffenen während und nach einem chirurgischen Eingriff bei uns in Deutschland noch nicht optimal ist. Manche Anästhesisten wissen noch wenig über den Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und Narkose. Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe des Schlafmagazins beschäftigt sich in mehreren Beiträgen mit diesem Thema. Der Beitrag des Stuttgarter Chefarztes für Anästhesie am Klinikum Stuttgart, Prof. Walther, fand leider keinen Platz mehr in dieser Ausgabe, ist aber im Internetauftritt des Magazins nachzulesen. Prof. Walther beschäftigt sich mit dieser Thematik seit Jahren, deshalb ist sein Beitrag sehr empfehlenswert.

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Schlafprobleme hat man inzwischen als eine wahre Volkskrankheit erkannt. Alle Altersgruppen sind betroffen. Kinder und Jugendliche schlafen infolge ausufernder Stimulation durch Fernsehen, Internet und anderen Medien schlecht. Erwachsenen macht der Stress zu schaffen. Und bei älteren Menschen verhindern Krankheiten und Schmerzen eine erholsame Nachtruhe. Doch zum Glück gibt es inzwischen gute Behandlungsmöglichkeiten für Schlafstörungen in jeder Altersgruppe. Um dieses wichtige Thema ging es in dem Symposium „Schlaf über die Lebensspanne“ am Pfalzklinikum in Klingenmünster, über das Sie hier auch lesen können. 

Wir berichten außerdem über die Geräte zweier Hersteller. FLO hat die Palette seiner Geräte um ein weiteres Modell erweitert und für blinde Menschen ein Zusatzgerät entwickelt, das mit dem Patienten (der das Display nicht lesen kann) spricht. Die Schweriner CPAP-Schmiede von Helmut Hoffrichter ist ein urdeutsches Unternehmen. Es genießt in der Branche – bei Ärzten und vor allem bei Patienten – einen hervorragenden Ruf. Wir unterhielten uns mit Helmut Hoffrichter über seine Geräte, über Chancen und Probleme dieser Branche, die Schlafapnoe-Patienten versorgt.

Wer sich für schöne Entspannungsmusik interessiert, kann in diesem Heft einen Beitrag über den Musiker Hauke Nissen lesen, der auf der Nordseeinsel Föhr lebt. Auf wunderbare Weise komponiert er Melodien, die den Wind, das Meer, die Ruhe der Natur in kleinen musikalischen Kunstwerken einfangen. In unserem Internetportal können Sie eine Komposition hören.   

Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre

Ihre   

Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2012

Foto: ©ohneski/photocase
Inhalt

6  Anästhesie bei Schlafapnoikern: Da wird noch vieles falsch gemacht

8  Wenn Schlafapnoe-Patienten operiert werden: Narkoserisiko und postoperative Betreuung

12  Am eigenen Leib erlebt: Narkose bei einem Schlafapnoe-Patienten 

14  Fortschritte in der Therapie schlafbezogener Atemstörungen 

15  Neues aus der Wissenschaft 

16  Volkskrankheit Schlafstörungen: Schlaflos von der Wiege bis zur Bahre

20 Neue Therapie bei Schlafapnoe: Zungenschrittmacher beseitigt nächtliche Atemstillstände 

23  Ärztliche Untersuchungen zur Fahrerlaubnisverordnung für Lkw-Fahrer 26  Neues aus dem Hause FLO: Besonders leiser Druckatmungsgenerator für Heimbeatmung von Adipositas- und COPD-Patienten 

30  Qualität und Innovation trotz Sparpolitik: Ein Gespräch mit Helmut Hoffrichter  

34  Erholsamer Schlaf – gesunder Rücken

35  Jederzeit schlafbereit mit dem Ostrich Pillow  

36  Wie das Schlafklima unsere Schlafqualität beeinflusst 

38  Schlafen lernen: Das Mini-KiSS Training für verhaltensbedingte 

Schlafprobleme in den ersten vier Lebensjahren 

42  Schlaf in Umfragen 

44  Ein Leben mit der Natur

50  Bücher 

50  Erstes Lichttherapiecafé Deutschlands  

Interview mit Prof. Dr. med. Andreas Walther


Narkoserisiken und postoperative Betreuung bei Schlafapnoe-Patienten 

Das Krankheitsbild der Schlafapnoe dringt allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Viele Menschen, denen ihr Bettpartner sagt, dass sie schnarchen, tun das nicht mehr nur als soziales Problem ab („Es ist halt peinlich, wenn ich im Ruheraum der Sauna laut schnarche“). Man weiß inzwischen auch, dass Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern (so genannte Schlafapnoe) gravierende gesundheitliche Risiken zur Folge haben kann. Deshalb nehmen Betroffene diese Krankheit schon ernst. Was aber ist, wenn ein Mensch mit solchen Atemaussetzern in eine Klinik muss, um sich operieren zu lassen? Wie vertragen sich Narkose und Schlafapnoe? Werner Waldmann und Dr. Magda Antonic sprachen mit dem Chefanästhesisten des Stuttgart Klinikums, Prof. Dr. med. Andreas Walther, über dieses Problem.

Herr Prof. Walther, Sie kennen sich auf diesem Gebiet aus, denn Sie beschäftigen sich schon seit Jahren damit.

Prof. Walther: Ich bin bereits als relativ junger Assistent damit in Berührung gekommen. Einer meiner damaligen Oberärzte gab mir den Auftrag, mir dieses Thema im Rahmen einer wissenschaftlichen Aufarbeitung vorzunehmen: In meiner Arbeit sollte ich beleuchten, wo die Besonderheiten bei Anästhesie und Schlafapnoe liegen. Daraus ist vor mehr als zehn Jahren ein Weiterbildungsartikel für die Fachzeitschrift „Der Anästhesist“ entstanden. Das war mein erster Kontakt mit dem Thema Schlafapnoe.

Ist das Problem, das Narkoseärzte mit Schlafapnoe-Patienten haben können, allen Ihren Kollegen bekannt, oder handelt es sich dabei eher um ein Nischenthema?

Prof. Walther: Ich denke, mittlerweile ist das allgemein bekannt und wird auch als Problem wahrgenommen. Doch aufgrund fehlender guter klinischer Daten hat sich – auch in der Ärzteschaft – eine allgemeine Unsicherheit darüber breitgemacht, wie man mit diesen Patienten umgehen soll. Es gibt zwar Empfehlungen dazu in der internationalen Literatur, doch die sind nicht evidenzbasiert. Deshalb haben wir vor einigen Jahren in Deutschland über unseren Berufsverband eine Online-Umfrage gestartet, um das Vorgehen der Anästhesisten bei diesen Patienten im ambulanten Bereich und in den Kliniken zu erfassen und zu analysieren. Dabei hat sich ein ziemlich uneinheitliches Bild gezeigt. Das rührt daher, dass niemand genau weiß, was gerade im Bereich der postoperativen Nachbetreuung zwingend erforderlich ist. Müssen solche Patienten unmittelbar nach der Operation grundsätzlich auf die Intensivstation oder auf eine Intermediate-Care-Station gelegt werden? Oder unter welchen Bedingungen können sie auch auf einer normalen Station liegen?

Doch das Problem ist nicht nur die erste postoperative Nacht; ebenso kann es auch in der dritten und vierten Nacht nach der Operation zu Problemen kommen, und zwar durch den so genannten REM-Rebound. Der menschliche Körper braucht einen gewissen Anteil von allen Schlafphasen, so auch an REM-Schlaf. Wird ihm dieser entzogen (denn der Eingriff führt dazu, dass es in der ersten postoperativen Nacht zu einer Abnahme der REM-Phasen kommt), so versucht der Körper, dies hinterher durch längere und dichtere REM-Phasen zu kompensieren. Diese Kompensation nennt man REM-Rebound.) In der dritten bzw. vierten Nacht nach einer OP haben die Patienten dann also besonders viel REM-Schlaf, der wiederum eine bestehende obstruktive Schlafapnoe verschlimmert: Die Apnoephasen sind während des REM-Schlafs deutlich länger, und auch die Sauerstoffsättigung fällt stärker ab. Wie wir damit umgehen und wie wir dieses Phänomen bewerten sollen, das wissen wir bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht; dazu gibt es fast keine Daten.

Generell sind wir Anästhesisten mit der Problematik der Schlafapnoe aber schon vertraut. Auch auf wissenschaftlichen Kongressen wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen.

Wenn Sie nun einen Patienten vor sich haben, der unter Schlafapnoe leidet, dies selbst aber noch nicht weiß und somit auch nicht therapiert ist – was dann?

Prof. Walther: Die Empfehlungen besagen, dass Patienten mit Verdacht auf Schlafapnoe so zu behandeln sind wie Patienten mit einer nachgewiesenen Schlafapnoe. Das Problem ist nur, wie wir zu diesem Verdacht kommen sollen. Wir kennen verschiedene Fragebögen, die als Screening-Tool dienen können. Wir kennen aber auch die Schwächen dieser Screenings. Oft ergeben sie falsch positive Resultate, d.h., dass viele Patienten – gerade ältere, männliche Patienten – fälschlicherweise als auffällig eingestuft werden. Wir sind heute also noch nicht in der Lage, Patienten vor einer Narkose zuverlässig auf eine mögliche Schlafapnoe zu screenen, um dann bei der Narkose die entsprechenden Maßnahmen ergreifen zu können.

Doch ich denke, dass wir in den nächsten Jahren so weit kommen werden, auffällige Patienten auch in der Nacht vor einem Eingriff screenen zu können – entweder zu Hause (falls ein ambulanter Eingriff geplant ist) oder stationär. Allerdings wird uns dies gleich wieder ein neues Problem bescheren: nämlich die Frage, wie wir eine mögliche Vielzahl auffälliger Patienten versorgen können. Wir müssen Wege finden, aus dem in Frage kommenden Patientenkollektiv möglichst jene Patienten herauszufiltern, die definitiv an einer Schlafapnoe leiden, welche bei der Narkose berücksichtigt werden muss. Doch wir sind guter Hoffnung, denn die Technik wird immer einfacher. So können wir über die Pulsoxymetrie die nächtliche Sauerstoffsättigung registrieren und mit diesen Daten auf den Apnoe-Hypopnoe-Index (also auf den Schweregrad einer noch nicht erkannten, jedoch vorliegenden Schlafapnoe) schließen. Durch den Einsatz eines solchen Geräts in der Nacht vor dem chirurgischen Eingriff kann man am nächsten Morgen schnell feststellen, ob wir es mit einem Risikopatienten zu tun haben, der ein spezielles Narkosemanagement braucht.

Die Frage ist natürlich, wie dies konkret umzusetzen ist?

Prof. Walther: Um das zu realisieren, brauchen wir mehr Studien, die zeigen, dass dies der richtige Weg ist. Dann müssen wir Vorgehensweisen entwickeln, wie mit diesen Patienten umzugehen ist. Das geht leider nicht von heute auf morgen. Dazu sind auch beträchtliche Ressourcen nötig: Dazu brauchen wir zusätzliches Personal, also auch finanzielle Mittel. Ebenso wichtig ist die Logistik der Überwachung. Man kann das telemetrisch machen, so dass die pulsoxymetrischen Daten in einer zentralen Telemetriestation zusammengeführt werden. So ließe sich die Überwachungskapazität in einem vernünftigen Rahmen halten.

Sie sehen: Da ist noch sehr viel Arbeit zu leisten. Wir müssen aber auch die Schlafapnoe-Patienten für dieses Problem sensibilisieren. Damit sie beim Gespräch mit dem Narkosearzt auf ihre Krankheit verweisen und ihr Atemtherapiegerät ins Krankenhaus mitbringen. Da können die Selbsthilfegruppen ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie die Patienten dementsprechend aufklären.

Dazu kommt noch, dass Schlafapnoe-Patienten vielfach auch unter Begleiterkrankungen leiden: Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen, Übergewicht, Restless-Legs-Syndrom – lauter Faktoren, die bei einer Narkose ebenfalls zu beachten sind.

Wäre das Schlafapnoe-Screening vor einer Narkose nicht auch ein zusätzliches Betätigungsfeld für Firmen, die Atemtherapiegeräte herstellen?

Prof. Walther: Das sehe ich durchaus so. Ich glaube allerdings, dass sich die Firmen dieser Probleme bereits bewusst sind und über Lösungen nachdenken. Es sind ja bereits einige Screening-Geräte auf dem Markt, die sehr rasch und bequem anzeigen, ob ein Schlafapnoe-Risiko besteht.

Normalerweise gibt man einem Patienten vor der Narkose sedierende (also beruhigende, schlaffördernde) Medikamente, um ihm Angst und Stress zu nehmen. Wie verfährt man bei Schlafapnoe-Patienten?

Prof. Walther: Patienten erhalten vor ihrem Eingriff grundsätzlich sedierende Medikamente. Wir geben Benzodiazepine. Das sind Medikamente, die gleichzeitig auch angstlösend wirken, für Schlafapnoe-Patienten jedoch den Nachteil haben, dass sie einen Tonusverlust im Bereich der oropharyngealen Muskulatur (also der Muskulatur des Mund-Rachen-Raums) bewirken. Wenn wir diese Medikamente unwissentlich bei einem Schlafapnoe-Patienten einsetzen, dann läuft der Patient Gefahr, mehr Apnoen/Hypopnoen zu bekommen, die mit einer entsprechend stärkeren Sauerstoffentsättigung einhergehen. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass so ein Patient bei der Narkoseeinleitung zunächst nur schlecht oder unzureichend beatmet werden kann oder dass die Sicherung der Atemwege erschwert wird. Wird die Narkose mit einer Maske durchgeführt, so kann der Verschluss der oropharyngealen Muskulatur die Sauerstoffversorgung beeinträchtigen. Auch bei einer Intubationsnarkose kann es beim Verschluss der Atemmuskulatur im Schlund schwierig werden, den Tubus in die Luftröhre einzuführen. Wenn der Narkosearzt weiß, dass es sich um einen Schlafapnoe-Patienten handelt, kann er bei der Intubation entsprechende Vorsorge treffen. Der Goldstandard für einen zu erwartenden schwierigen Zugang zum Atemweg ist die Intubation mit einem flexiblen Endoskop; diese muss allerdings im wachen Zustand durchgeführt werden, was den Patienten belastet.

Neben dem Problem des Atemwegsmanagements besteht auch eine vermehrte Gefahr der Aspiration, d.h., dass beim Einschlafen Mageninhalt in den Rachenraum gelangt und über die Luftröhre in die Lunge kommt – eine schwere Komplikation. Dies erklärt sich durch das häufig gleichzeitige Vorliegen einer Adipositas (krankhaften Übergewichts). Zirka 50% der Patienten haben eine Adipositas und eine Schlafapnoe.

Am Ende des Eingriffs steht die Narkoseausleitung. Für den normalen Patienten ist das kein Problem; beim Schlafapnoiker können die noch in geringem Maße nachwirkenden Narkosemittel jedoch bewirken, dass die Schlundmuskulatur die Atemwege verschließt. Die Extubation erfolgt deshalb nur beim vollständig wachen Patienten, bei dem eine Restwirkung von Medikamenten wie z.B. Muskelrelaxanzien ausgeschlossen werden kann.

Was für Alternativen bieten sich für die Prämedikation bei Schlafapnoe-Patienten an?

Prof. Walther: Benzodiazepine verbieten sich. Wir setzen aber Clonidin ein, eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Imidazoline. Clonidin wird eigentlich zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt, wir schätzen die Substanz jedoch wegen ihrer sedierenden Wirkung.

Kann es während der Narkose bei Schlafapnoe-Patienten zu Problemen kommen?

Prof. Walther: Während einer Vollnarkose (Allgemeinanästhesie) sind nach der Atemwegssicherung keine spezifischen Probleme mit der Beatmung zu erwarten, da der Beatmungsschlauch (Tubus) die Atemwege schient.

Und nach der Operation? In der Regel werden da ja Opioide eingesetzt, um postoperative Schmerzen weitgehend auszuschalten?

Prof. Walther: Wann immer es geht, sollten Opioide bei Schlafapnoe-Patienten vermieden werden, weil sie eine Atemdepression verursachen können und außerdem tonussenkend auf die oropharyngeale Muskulatur wirken. Sind Opioide unverzichtbar, so muss eine postoperative Überwachung sichergestellt sein. Wann immer möglich, versuchen wir Regionalanästhesie-Verfahren einzusetzen. Gleichwohl geht es nicht immer ohne Opioide; dann muss man eben versuchen, mit möglichst wenig auszukommen.

Bei endoskopischen Untersuchungen, etwa einer Magen- oder Darmspiegelung, wird Propofol als Injektion verwendet. Dabei werden Patienten nicht intubiert. Kann dies für Schlafapnoe-Patienten gefährlich sein?

Prof. Walther: Propofol darf bei mehr oder weniger gesunden Patienten auch in einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis mit medizinischem Assistenz- und Hilfspersonal gegeben werden. Bei Schlafapnoe-Patienten sollte allerdings ein Anästhesist zugegen oder zumindest in Rufbereitschaft sein.

Wie intensiv ist das Pflegepersonal mit dieser Thematik vertraut?

Prof. Walter: Das ist eine sehr gute Frage. Die Pflegekraft, die im Überwachungsbereich (sei es auf der Intensivstation oder der Intermediate-Care-Station) die Patienten betreut, muss auch mit dem Sonderfall Schlafapnoe-Patient rechnen. Freilich herrscht da noch große Unsicherheit: Was mache ich jetzt mit dem Patienten, der ein Atemtherapiegerät dabei hat? Wie gehe ich mit dem Gerät um, in das ich nicht eingewiesen bin? Darf ich mich überhaupt um diesen Patienten kümmern?

Wie sieht es rechtlich aus, wenn ein nicht von der Klinik zugelassenes privates Atemtherapiegerät auf der Intensivstation betrieben werden soll?

Prof. Walther: Da befinden wir uns schon ein Stück weit in einer Grauzone. Andererseits ist der Patient mit seinem Gerät vertraut und kann es den Pflegekräften vorher erklären. Und im Regelfall sind diese Geräte ja auch sehr einfach zu bedienen.

Klinikum Stuttgart
Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Ärztlicher Direktor

Prof. Dr. Andreas Walther
Telefon: 0711 278-33001
Telefax: 0711 278-33009
E-Mail: a.walther@remove-this.klinikum-stuttgart.de

Anästhesie bei Schlafapnoikern


Da wird noch vieles falsch gemacht

Werner Waldmann

Da man immer noch nicht genau weiß, wie Schlafapnoe-Patienten während und nach einer Operation richtig zu betreuen sind, hat ein Team von Medizinern eine Online-Umfrage unter Anästhesisten durchgeführt, um herauszufinden, wie die gängige Praxis in Deutschland aussieht. Das Ergebnis: Die Betreuung von Schlafapnoikern während und nach einem chirurgischen Eingriff ist bei uns nach wie vor suboptimal. Viele Anästhesisten halten sich nicht an die aktuellen Leitlinien. 

Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA) haben schon unabhängig von einem operativen Eingriff ein erhöhtes Risiko für Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege. Während des Schlafs kann es zu längeren Hypoxien (Sauerstoffmangelzuständen in den Geweben), aber auch zu Blutdruckanstiegen und Tachykardien kommen. (Das sind Herzrhythmusstörungen, bei denen das Herz zu schnell schlägt.)

Diese Risiken erhöhen sich natürlich im Rahmen einer Operation durch den notwendigen Einsatz von Medikamenten und durch den Stress des Eingriffs. Deshalb sind ambulante Operationen bei OSA-Patienten problematisch. Ob überhaupt und unter welchen Umständen solche Patienten ambulant operiert werden können, ist nicht genau geklärt.

Im Jahr 2011 wurde eine Online-Umfrage durchgeführt, um die verschiedenen anästhesiologischen Vorgehensweisen bei Schlafapnoikern in Deutschland zu erfassen. Insgesamt wurden im Rahmen dieser Studie über 1600 Fragebögen ausgewertet. (Das Ergebnis der Umfrage wurde in der Zeitschrift „Der Anästhesist“ veröffentlicht.*) Dabei zeigte sich, dass vor allem ambulant tätige Anästhesisten bei der Behandlung von Schlafapnoe-Patienten vieles falsch machen.

So bevorzugt ein Fünftel aller Anästhesisten bei OSA-Patienten eine Vollnarkose, obwohl eine Regionalanästhesie (bei der im Gegensatz zur Vollnarkose nur bestimmte Körperregionen betäubt werden) eher zu empfehlen ist. Denn durch eine Vollnarkose können obstruktive Apnoen ausgelöst oder verstärkt werden. Daher sollte sie bei OSA-Patienten nur zurückhaltend eingesetzt werden.

Für diese Vorgehensweise kann es verschiedene Gründe geben: Die Einleitung einer Vollnarkose dauert länger, und der Patient ist auch erst nach längerer Zeit wieder entlassungsfähig. Organisatorische und auch finanzielle Erwägungen könnten bei der Anästhesieentscheidung der Ärzte also durchaus eine Rolle spielen. Außerdem bevorzugen viele Patienten eine Vollnarkose, weil sie zu einer Regionalanästhesie weniger Vertrauen haben. Dieses Misstrauen ist aber unbegründet: Denn bei einer Regionalanästhesie ist das Risiko für OSA-Patienten nach aktueller Studienlage eindeutig geringer. Außerdem kommen Übelkeit und Erbrechen nach der OP bei dieser Art von Anästhesie seltener vor, und auch die postoperativen Schmerzen sind weniger stark. Dies sollte nach Ansicht der Autoren, die die Online-Umfrage durchführten, beim Aufklärungsgespräch mit dem Patienten und bei der Anästhesieentscheidung unbedingt berücksichtigt werden.

Nach den 2006 veröffentlichten Leitlinien der American Society of Anesthesiology (ASA) sind ambulante Eingriffe in Lokal- oder Regionalanästhesie bei OSA-Patienten durchaus zu befürworten. Ambulante Eingriffe in Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) sind laut ASA bei

Patienten mit mittelschwerer bis schwerer obstruktiver Schlafapnoe jedoch nicht zu empfehlen. Auch Operationen an den Atemwegen sollten bei solchen Patienten grundsätzlich nicht ambulant erfolgen.

Die durchgeführte Online-Umfrage zeigte jedoch, dass 14 % aller befragten Anästhesisten bei Patienten mit OSA oder Verdacht auf OSA entgegen den Empfehlungen der Leitlinie doch ambulante Operationen im Bereich der Atemwege durchführen, und zwar in Allgemeinanästhesie.

Zu kurze postoperative Überwachung

Laut ASA-Leitlinien sollten Schlafapnoe-Patienten nach einem operativen Eingriff mindestens drei Stunden länger überwacht werden als Patienten ohne OSA. Tritt eine Atemwegsobstruktion oder Hypoxie auf, sollte die postoperative Überwachung sogar rund sieben Stunden betragen. Laut den Ergebnissen der Online-Befragung wurden diese Patienten nach ambulanten Eingriffen im Durchschnitt aber nur knapp viereinhalb Stunden lang überwacht. Vor allem die ambulant tätigen Anästhesisten überwachten ihre OSA-Patienten mit 3,5 Stunden viel zu kurz.

Auch bei der Schmerztherapie nach der Operation werden Fehler gemacht: Knapp 40 % der Befragten setzten Opioide ein, die das Risiko postoperativer Sauerstoffsättigungsabfälle um mehr als das Zehnfache erhöhen. Eine adäquate Schmerztherapie nach der Operation ist zwar ein Muss – nicht nur um des Patientenkomforts willen, sondern auch, um das Risiko einer Lungenentzündung zu senken. Allerdings sollte die Opioid-Schmerztherapie bei OSA-Patienten durch Nichtopioid-Schmerzmittel unterstützt werden.

Mehr Komplikationen bei OP-Patienten mit Schlafapnoe

Mehr als 50 % der befragten Anästhesisten gaben an, dass es bei OSA-Patienten vermehrt zu Komplikationen während und nach der Operation kam: Besonders häufig waren erschwerte Maskenbeatmung und Intubation bei der Anästhesie und Apnoephasen nach der OP. Außerdem traten gehäuft Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck auf, und es waren auch häufiger Reintubationen und ungeplante Aufnahmen auf die Intensivstation notwendig.

Das Fazit der Autoren lautet: Viele Anästhesisten gehen bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe nicht leitliniengerecht vor. OSA-Patienten sollten sich dieser Problematik bewusst sein und ihren Anästhesisten vor der Operation gezielt auf seine geplante Vorgehensweise ansprechen.

Was ist Regionalanästhesie?

Bei einer Regionalanästhesie wird die Schmerzleitung vom Operationsgebiet zum zentralen Nervensystem (Rückenmark und Gehirn) blockiert. Dazu wird das Nervenbündel, welches das Operationsgebiet versorgt, mit einem örtlichen Betäubungsmittel (Lokalanästhetikum) umspritzt. Sobald das Lokalanästhetikum in die Nervenfasern eingedrungen ist, können Schmerzimpulse nicht mehr zum Gehirn weitergeleitet werden. Anders als bei der Vollnarkose muss der Patient bei einer Regionalanästhesie also nicht in Tiefschlaf versetzt und künstlich beatmet werden. Somit entfallen auch die Risiken und Nebenwirkungen einer Vollnarkose.

Literatur: *Saur P., Roggenbach J., Meinl S., Klinger A., Stasche N., Martin E. und Walther A.: Ambulante Anästhesie bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom (Der Anästhesist 1, 2012, S.14–24)

Wenn Schlafapnoe-Patienten operiert werden


Narkoserisiko und postoperative Betreuung

Das Krankheitsbild der Schlafapnoe dringt allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Viele Menschen, denen ihr Bettpartner sagt, dass sie schnarchen, tun das nicht mehr nur als soziales Problem ab („Es ist halt peinlich, wenn ich im Ruheraum der Sauna so laut säge“). Man weiß inzwischen auch, dass Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern (so genannte obstruktive Schlafapnoe) gravierende gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Deshalb nehmen Betroffene diese Krankheit schon ernst. Was aber ist, wenn ein Mensch mit solchen Atemaussetzern in eine Klinik muss, um sich operieren zu lassen? Wie vertragen sich Narkose und Schlafapnoe? Werner Waldmann sprach mit PD Dr. med. Georg Nilius, dem Chefarzt der HELIOS Klinik Hagen-Ambrock, einer Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane.

Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege. Wie wirkt sich das aus?

PD Dr. Nilius: Die nächtlichen Sauerstoffmangelzustände, die der Schlafapnoiker in der Nacht durchmacht, bringen ein erhöhtes Risiko für eine Verkalkung von Blutgefäßen und infolgedessen auch für Schlaganfälle und Herzinfarkte mit sich. Da generell jede durchgeführte Operation in den nachfolgenden Tagen das Risiko, einen Schlafanfall oder Herzinfarkt zu erleiden, erhöht, sind Schlaf-apnoe-Patienten von diesen Risiken besonders bedroht. Leider addieren sich solche Risiken nicht einfach nur, sondern oftmals potenzieren sich verschiedene Risiken wie z. B. nächtliche Sauerstoffmangelzustände und Operationstress gegenseitig. 

Auch aus den veränderten anatomischen Verhältnissen im Rachenbereich ergeben sich gewisse Risiken – das heißt, wenn eine Operation eingeleitet wird, ist der Zugang zu den Atemwegen etwas erschwert. 

Bei Schlafapnoikern kann es während des Schlafs zu längeren Sauerstoffentsättigungen, zu einem Blutdruckanstieg und zu Herzrhythmusstörungen mit beschleunigtem Herzschlag (so genannten Tachykardien) kommen. Bei einer Narkose ist dieses Risiko infolge der verabreichten Medikamente und des Operationsstresses häufig erhöht. Wissen das inzwischen alle Anästhesisten?

PD Dr. Nilius: Leider nein; und bisher gibt es auch nur vereinzelte wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema. Die Mediziner haben aber in den letzten Jahren Studien durchgeführt, die zeigen, dass tatsächlich ein erhöhtes Risiko vorliegt. Hier ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Während einer Vollnarkose können Probleme dank der kontinuierlichen Überwachung des Patienten sofort erkannt und behoben werden. Gibt es denn auch für die Nachbetreuung nach einer Operation Leitlinien, aus denen hervorgeht, wie Schlafapnoe-Patienten zu vesorgen sind?

PD Dr. Nilius: Auch diese Frage muss ich leider verneinen. Es gibt zwar gewisse Empfehlungen, aber noch keine eindeutigen Leitlinien, wie eine postoperative Nachbetreuung bei Schlafapnoikern auszusehen hat. 

Die Aufwachphase nach einer OP findet in der Regel auf der Intensivstation oder Intermediate-Care-Station statt. Bekommt ein Patient dort keine CPAP-Beatmungshilfe und kommt es dadurch zu einem Sauerstoffabfall, so wird dieser rechtzeitig bemerkt. Wie verhält es sich aber, wenn der Patient wieder auf der Normalstation liegt und keine CPAP-Unterstützung hat? 

PD Dr. Nilius: Auch wenn (z. B. in einem Aufwachraum) ein Sauerstoffabfall rechtzeitig bemerkt wird, ist das mit einem gewissen Risiko verbunden – jeder Sauerstoffabfall birgt eine Gefahr. Und eine Operation und der postoperative Stress erhöhen ohnehin das Risiko, dass sich irgendwo ein Blutgerinnsel bildet, das dann nachfolgend einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen kann. Kommt es nun auch noch zu Sauerstoffabfällen, wird die Situation noch prekärer. Sehr viel gefährlicher ist es natürlich, wenn der Sauerstoffabfall nicht beobachtet wird und womöglich längere Zeit anhält. Wir wissen, dass manche Patienten in bestimmten Schlafphasen (z. B. während des REM-Schlafs) besonders ausgeprägte Sauerstoffabfälle haben; und in den ersten Tagen nach einer Narkose muss man damit rechnen, dass diese Schlafphasen vermehrt auftreten. Es gibt also verschiedenste Gründe dafür, von einem erhöhten Risiko nach einer Operation auszugehen.

Nehmen wir einmal an, dass der Anästhesist einen Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe adäquat betreut. Was aber, wenn der Patient selbst noch nicht weiß, dass er an einer Schlafapnoe leidet? Dann müssten alle OP-Kandidaten in der Nacht vor der Operation per Pulsoxy­metrie gescreent werden. Ist das überhaupt machbar?

PD Dr. Nilius: Ja, das könnte durchaus eines Tages so sein; ich glaube aber, dass das sehr weit vorausgedacht ist. Die Realität in Krankenhäusern sieht eher folgendermaßen aus: Der Patient berichtet vielleicht aus falscher Scham nicht von seiner Schlafapnoe, und der Anästhesist fragt ihn auch nicht nach diesem Krankheitsbild, sodass die Patienten nach einer Operation oftmals ihre CPAP-Therapie nicht nutzen. Es wäre von daher als erster Schritt zu fordern, dass alle schweren Schlafapnoe-Patienten nach einer Operation konsequent dazu angeleitet werden, ihr CPAP-Gerät zu nutzen. In einem zweiten Schritt wäre sicher zu überlegen, ob man die Patienten im Vorfeld nicht auch screenen sollte. Hier ist die Frage, ob man das erst mal mit Fragebögen macht oder im ärztlichen Gespräch, in der Erhebung der Krankheitsgeschichte auf dieses Thema eingeht; und vielleicht wäre dann in einem weiteren Schritt auch ein Screening (z. B. in Form einer Puls­oxy­metrie) zu fordern.

Viele OPs mit Intubationsnarkose werden ambulant durchgeführt, und die Patienten werden am nächsten Tag oder gar sofort entlassen. Zu Hause gibt es natürlich keine Überwachung. Ist eine solche ambulante OP mit „Vollnarkose“ bei Schlafapnoe-Patienten überhaupt zulässig?

PD Dr. Nilius: Ich glaube, bei einem Patienten mit Schlafapnoe muss man die Frage, ob eine ambulante Operation möglich ist, besonders gut bedenken. Man kann sicher nicht generell so weit gehen, ambulante Operationen bei Schlafapnoikern grundsätzlich abzulehnen; aber man sollte diese Erkrankung im Vorfeld berücksichtigen. Einerseits muss man genau darüber nachdenken, welche Narkosemedikamente zum Einsatz kommen sollen; denn es gibt durchaus Narkosepräparate, die vielleicht mehr Apnoen auslösen als andere. Andererseits, glaube ich, muss sich auch der Schlafapnoe-Patient des erhöhten Risikos bewusst sein, und man muss sich Klarheit darüber verschaffen, ob seine Versorgung zu Hause auch gut ist. Lebt der Patient allein, oder gibt es einen Ehepartner? Weiß der Partner um die Schlafapnoe-Problematik und achtet vielleicht auch mit darauf, dass der Patient die Maske wieder aufsetzt, wenn er sie im Schlaf mal versehentlich entfernt hat? Wenn die Rahmenbedingungen zu Hause stimmen, wird es sicher auch möglich sein, dass sich ein Schlafapnoe-Patient einer ambulanten Operation unterzieht; aber der Narkosearzt sollte vorher über seine schlafbezogene Atemstörung informiert sein.

Müssen wir nicht vor allem Schlafapnoe-Betroffene für diese Problematik sensibilisieren? Informieren die Schlaflabore oder die Selbsthilfegruppen darüber?

PD Dr. Nilius: Selbstkritisch möchte ich anmerken, dass auch wir leider oft unsere Patienten nicht ausreichend informieren. Die Hektik des Alltags bringt es häufig mit sich, dass man das eine oder andere Problem anspricht, aber nicht an alles denkt. Hier, glaube ich, gilt es insgesamt mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Sicherlich sind auch die Schlaflabore gefordert, darauf hinzuweisen; und die Narkoseärzte sollten ihre Patienten grundsätzlich nach dem Vorliegen einer schlafbezogenen Atemstörung befragen. Es sind aber auch die Patienten gefordert, sich über dieses Thema zu informieren. Und hier, glaube ich, kommt den Selbsthilfegruppen eine große Bedeutung zu.

Normalerweise erhalten Patienten vor einer Operation Beruhigungsmittel (z. B. Benzodiazepine), um Angst zu lindern. Bei Schlafapnoe-Patienten ist dies kon­-traindiziert. Was für Alternativen bieten sich an?

PD Dr. Nilius: Ich weiß nicht, ob man so weit gehen kann, zu sagen, dass ein Benzodiazepin grundsätzlich immer kontraindiziert ist. Man muss sich des Problems bewusst sein, dass Benzodiazepine die Apnoen verschlimmern können. Aber je nachdem, wie zuverlässig ein Patient seine Maske trägt, und je nach der Angst, die die bevorstehende Operation bei ihm auslöst, wird man auch mal ein leichteres Benzodiazepinpräparat anwenden können. 

Kann es bei Schlafapnoe-Patienten während der Narkoseeinleitung zu Problemen kommen, etwa bei einer Maskennarkose, wo durch den Verschluss der Mund-Rachen-Mus­kulatur die Sauerstoffversorgung beeinträchtigt werden kann?

PD Dr. Nilius: Beim Schlafapnoiker kann je nach individueller Konstitution die Einleitung einer Narkose durchaus erschwert sein. Wenn der Zungengrund sehr hoch liegt, ist unter Umständen auch das Einführen des Tubus in die Luftröhre erschwert. Ich glaube, ein Schlafapnoiker ist als Patient sicherlich nicht geeignet für eine Intubation durch den Anästhesisten im ersten Ausbildungsjahr. Der Anästhesist sollte bei der Narkoseeinleitung schon besondere Sorgfalt walten lassen.

Das heißt, er sollte wissen, dass er es mit einem Schlafapnoe-Patienten zu tun hat, und nachschauen, ob es anatomische Probleme gibt?

PD Dr. Nilius: Genau. Schon bei Beginn der Narkose muss der Anästhesist besonders sorgfältig arbeiten. Da ist das Wissen um das Problem der erste und wichtigste Schritt.

Und nach der Operation? In der Re-gel werden gegen postoperative Schmerzen Opioide eingesetzt. Die können eine Atemdepression bewirken, also die Atmung abflachen und verlangsamen.

PD Dr. Nilius: Das stimmt. Andererseits sind Opioide sehr starke Schmerzmittel. Das heißt für den Anästhesisten: Er muss überlegen, ob es andere Verfahren gibt, um den Schmerz zu lindern, z. B. eine Leitungsanästhesie, die nicht über das Gehirn, sondern nur lokal auf die Nerven wirkt. Manchmal ist man aber gezwungen, wegen starker Schmerzen tatsächlich Opioide einzusetzen; dann muss der Patient eben besonders intensiv überwacht werden und braucht dringend seine Maske. Das ist sicherlich keine Situation, in der ein Patient ambulant operiert und womöglich sogar mit einem starken Schmerzmittel allein nach Hause entlassen werden sollte.

Bei Endoskopien im Magen-Darm-Bereich wird oft Propofol verwendet. Wenn dabei kein Anästhesist anwesend ist, wie lassen sich mögliche Probleme dann meistern?

PD Dr. Nilius: Der große Vorteil des Propofols ist die sehr kurze Wirkdauer: Schon nach wenigen Minuten, manchmal fast Sekunden, ist die Wirkung des Medikaments erschöpft, so dass ein Patient dann auch sehr rasch wieder aufwacht. Solche Medikamente darf aber nur ein Arzt einsetzen, der im Zweifelsfall auch in der Lage ist, die Komplikationen zu beherrschen. Das heißt, wenn es z. B. zum Atemstillstand kommt, muss der Arzt in der Lage sein, eine Beatmung durchzuführen.

Wie gut ist das Pflegepersonal mit dem Sonderfall Schlafapnoe-Patient vertraut?

PD Dr. Nilius: Ich fürchte, leider gar nicht. Es gibt viele, auch medizinische Pflegekräfte, die, wenn sie nicht schon mal auf einer pneumologischen Station oder in einem Schlaflabor gearbeitet haben, vor einem CPAP-Gerät stehen und überhaupt nicht wissen, was sie damit tun sollen und wie es eingesetzt wird. Die Pflegekräfte wissen oftmals nichts von dem erhöhten Risiko eines Schlafapnoe-Patienten. Da besteht in den Kliniken noch ein großer Nachholbedarf; wir müssen viel tun, damit das Wissen um diese Erkrankung mehr zur medizinischen Allgemeinbildung wird.

Wie sieht es rechtlich aus, wenn ein nicht von der Klinik zugelassenes privates CPAP-Gerät auf der Intensivstation betrieben wird? Das könnte ja hygienisch schlecht gepflegt oder auf einen falschen Druck eingestellt sein, was zu Problemen führen kann.

PD Dr. Nilius: Der Patient ist in der häuslichen Umgebung auf sein Gerät eingestellt, benötigt dieses Gerät und nutzt es auch. Deshalb sehe ich da kein grundsätzliches rechtliches Problem. Wenn es Komplikationen geben sollte, müssen diese beherrscht werden, genau wie in jeder anderen medizinischen Situation, die im Krankenhaus eintreten kann. Ein rechtliches Problem liegt meiner Meinung nach nicht vor, der Patient darf sein Gerät benutzen.

Volkskrankheit Schlafstörungen


Schlaflos von der Wiege bis zur Bahre

Schlafprobleme sind mittlerweile zu einer Volkskrankheit geworden, die vor keiner Altersgruppe mehr Halt macht. Schon Kinder und Jugendliche schlafen infolge ausufernder Stimulation durch Fernsehen, Internet und andere Medien schlecht. Im Erwachsenenalter macht der Stress unseres modernen Lebens vielen Menschen einen erholsamen Schlaf unmöglich. Und auch ältere Menschen sind nicht gegen Schlafstörungen gefeit. Im Alter wird der Schlaf ohnehin leichter; und Krankheiten, Schmerzen und Demenz stellen zusätzliche Hürden für eine erholsame Nachtruhe dar. Doch zum Glück gibt es inzwischen gute Behandlungsmöglichkeiten für Schlafstörungen in jeder Altersgruppe. Um dieses wichtige Thema ging es in dem Symposium „Schlaf über die Lebensspanne“ am Pfalzklinikum in Klingenmünster.

Marion Zerbst

 

Schon im Kindes- und Jugendalter werden Schlafstörungen immer häufiger. Und man sollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen: Denn wer schon als kleines Kind dauerhaft unter schweren Schlafproblemen leidet, hat ein um das Zweieinhalbfache erhöhtes Risiko, als Jugendlicher eine psychische Störung zu entwickeln. Eltern sollten also hellhörig werden, wenn ihr Kind schlecht schläft, und mit dem Kinderarzt über das Problem sprechen. 

Schlafkiller Handy

Es gibt aber auch ganz einfache Maßnahmen, mit denen man Schlafprobleme bei seinen Kindern beheben oder von vornherein verhindern kann. „Immer mehr Kinder und Jugendliche haben einen Fernseher in ihrem Zimmer“, klagt Christine Zbick-Schmitt, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Pfalzklinikum. „Sie chatten vor dem Einschlafen im Internet, schreiben SMS und haben ihr Handy neben dem Bett liegen.“ Laut Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2003 werden 10% aller Jugendlichen nachts mehrfach pro Woche durch Textmitteilungen geweckt. 

All das muss nicht sein, und hier ist ein konsequentes Erziehungsverhalten der Eltern gefragt. Denn wer nachts schlecht schläft, ist tagsüber müde, gereizt, leidet unter Konzentrationsproblemen und Stimmungsschwankungen. Das gilt für Kinder und Jugendliche noch mehr als für Erwachsene. Und nicht nur das: Auch die Zeugnisse leiden nachweislich unter schlechtem Schlaf bei Schulkindern.

Schlafapnoe und Schlaganfall 

Neben Ein- und Durchschlafstörungen leiden viele Menschen an einer Beeinträchtigung der Atmung im Schlaf. Auch das ist ein großes Problem; denn schlafbezogene Atemstörungen vermindern nicht nur die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit, sondern können außerdem schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. 

So weiß man beispielsweise, dass eine obstruktive Schlafapnoe (krankhaftes Schnarchen mit Atemaussetzern) unabhängig von anderen Faktoren das Schlaganfallrisiko erhöht. Auf dieses Thema ging der Neurologe Dr. Matthias Boentert vom Universitätsklinikum Münster in seinem Vortrag ein. Leider begünstigt eine Schlafapnoe die Entstehung gleich zweier Erkrankungen, die das Schlaganfallrisiko erhöhen: Bluthochdruck und Vorhofflimmern. Schon allein das sollte ein Grund sein, schlafbezogene Atemstörungen möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln. 

Umgekehrt weiß man inzwischen, dass Schlafapnoe nach einem akuten Schlaganfall gehäuft vorkommt und die Genesungschancen der Patienten deutlich verschlechtert. Aus mehreren Studien ergeben sich Hinweise darauf, dass mit einer nasalen Überdrucktherapie (nCPAP) – dem Goldstandard in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe – sogar schon in der Akutphase nach einem Schlaganfall eine Chance zur Verbesserung der Prognose eröffnet werden kann. In den entsprechenden Studien zeigte sich bei den Schlaganfallpatienten, die eine CPAP-Therapie erhielten, eine Verbesserung der neurologischen Folgesymptome; zudem waren die mit CPAP behandelten Patienten weniger tagesschläfrig und weniger depressiv. „Das sind wichtige Therapieziele nach einem Schlaganfall“, betont Dr. Boentert.  

CPAP als fester Bestandteil der Akuttherapie?

Auf der Schlaganfallstation seiner Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Münster erhält jetzt schon jeder Patient in den ersten Tagen nach dem Schlaganfall eine Schlaflaboruntersuchung, um eine etwaige Schlafapnoe festzustellen. „Liegt in der Akutphase eine Schlafapnoe vor, so wird der Patient nach Abschluss der Reha erneut untersucht und bei andauerndem Vorliegen einer Schlafapnoe auf eine CPAP-Therapie eingestellt.“

Die Frage ist nun, ob man Patienten nach einem akuten Schlaganfall grundsätzlich gleich mit einem CPAP-Gerät in die Reha verlegen sollte, um ihre Prognose zu verbessern. „Diese Frage wäre möglicherweise mit Ja zu beantworten“, meint Dr. Boentert. „Zurzeit sind weitere Studien dazu in der Planung. Vielleicht wird CPAP in ein paar Jahren für einen Teil der Patienten zur Akuttherapie des Schlaganfalls gehören.“ 

Schlafstörungen im Alter

Die Behandlung von Schlafproblemen bei älteren Menschen wird dadurch kompliziert, dass diese häufig multimorbid sind, d. h. an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden. Viele dieser Krankheiten (oder die Medikamente, die sie dagegen einnehmen müssen) können Schlafstörungen verursachen oder zumindest begünstigen. 

Die meisten älteren Menschen haben keine Probleme mit dem Einschlafen, sondern eher mit dem Durchschlafen. Oft wird ihr Schlaf zusätzlich noch durch obstruktive Schlafapnoe, Restless Legs oder häufiges nächtliches Wasserlassen fragmentiert; denn diese Probleme treten mit zunehmendem Alter häufiger auf. Da wundert es nicht, dass alte Menschen oft unter Tagesschläfrigkeit leiden, die zusätzlich durch Inaktivität und Langeweile begünstigt wird. Immerhin 10 % aller Senioren fühlen sich tagsüber so schläfrig, dass es sie in ihren Alltagsaktivitäten beeinträchtigt. Häufig ist diese Schläfrigkeit so ausgeprägt, dass die alten Menschen sich nicht mehr selbst versorgen können und ins Pflegeheim eingewiesen werden müssen. Auch die Sturzgefahr erhöht sich durch Tagesschläfrigkeit.

Viele ältere Menschen stellen allerdings auch zu hohe Erwartungen an ihren Schlaf. „Die gehen abends um neun Uhr ins Bett und wollen bis acht Uhr morgens schlafen; und wenn sie das nicht können, klagen sie über Schlaflosigkeit“, erklärt Professor Dr. Gabriela Stoppe von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. „Ich stelle meinen Patienten deshalb immer die Gegenfrage: Wie lange möchten Sie denn schlafen?“

Lichttherapie bei Demenz

Vor allem bei Demenzpatienten ist der Schlaf gestört – worunter ihre pflegenden Angehörigen oft mehr leiden als sie selbst. Bei fortschreitender Demenz funktioniert der normale Schlaf-wach-Rhythmus häufig nicht mehr; die alten Menschen sind nachts unruhig, wandern umher, finden keinen Schlaf. Hier kann eine Lichttherapie helfen: Denn dadurch schlafen sie nicht nur besser, sondern finden auch wieder zu ihrem normalen Tag-Nacht-Rhythmus zurück. Ferner sollte man versuchen, diese Rhythmik durch einen konsequent durchstrukturierten Tagesablauf mit festen Uhrzeiten für Schlaf, Bewegung, Toilettengang und Mahlzeiten zu stabilisieren. 

Leider werden Schlafstörungen bei alten Menschen auch heute immer noch viel zu oft mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln wie beispielsweise Benzodiazepinen behandelt. Dabei sollten gerade sie solche Medikamente nicht dauerhaft einnehmen, denn sie erhöhen das Risiko für nächtliche Stürze, Tagesschläfrigkeit und – wie man inzwischen weiß – eben leider auch für eine Demenz. Besser geeignet sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Schlafhygiene (Einübung schlaffördernder Verhaltensweisen), Sport und Entspannungsverfahren: „70 bis 80 % aller Schlafstörungen bei älteren Menschen sprechen bereits auf solche Maßnahmen an.“ 

Vor allem regelmäßige Bewegung kann Wunder wirken: „Beim Sport gehen die Senioren hinaus in die freie Natur und sind verstärkt dem Tageslicht ausgesetzt, was einen gesunden, erholsamen Schlaf zusätzlich begünstigt.“ Und nicht nur das: Auch Depressionen werden gebessert, und das bei alten Menschen oft beeinträchtigte Selbstwertgefühl steigt.

Psychische Probleme werden totgeschwiegen

Grundsätzlich sollte man, so empfiehlt Professor Stoppe, psychischen Problemen im Alter mehr Beachtung widmen, da sie oft nicht erkannt und von den Patienten selbst auch nicht angesprochen werden. So sind beispielsweise Depressionen im Alter sehr häufig; rund 20 % aller älteren Menschen leiden darunter. Aber sie reden nicht darüber. „Alte Menschen klagen oft über Schwindel, schlechten Schlaf und nachlassendes Gedächtnis, aber nicht über Probleme, die in unserer Gesellschaft stigmatisiert sind, wie beispielsweise Hoffnungslosigkeit.“ 

Grundsätzlich erhalten alte Menschen viel zu selten eine Psychotherapie, obwohl Depressionen und andere psychische Probleme, die ja oft auch den Schlaf stören, dadurch gebessert werden könnten. Dabei wäre eine Psychotherapie für sie grundsätzlich besser geeignet als die Langzeiteinnahme von Antipsychotika, weil auch solche Medikamente die Schlafarchitektur zerstören. Überhaupt sollte man die Arzneimittel, die Senioren einnehmen, daraufhin überprüfen, ob Substanzen dabei sind, die den Schlaf stören oder Tagesschläfrigkeit verursachen können. Oft lassen sich solche Probleme nämlich durch den Umstieg auf ein anderes Präparat oder eine Dosisveränderung gut in den Griff bekommen. 

 Schlafapnoe bei älteren Patienten

Schlafbezogene Atemstörungen sollten auch und gerade im Alter adäquat behandelt werden. Denn eine CPAP-Therapie verbessert nachweislich die Gedächtnisleistung bei älteren Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe; außerdem steigt dadurch ihre Lebensqualität, und die Tagesschläfrigkeit nimmt ab. Das gilt auch für Demenzpatienten, bei denen eine Schlafapnoe leider besonders häufig vorkommt: Über 40 % aller Alzheimer-Patienten leiden darunter. „Wenn es gelänge, die kognitiven Fähigkeiten dieser Patienten zu verbessern, könnten sie sich mehr Selbständigkeit bewahren und würden dann natürlich auch weniger Kosten für unser Gesundheitssystem verursachen“, betont Prof. Dr. Karl-Heinz Rühle, Leiter des Instituts für Pneumologie an der Klinik Hagen-Ambrock. 

Mit CPAP ist das Erreichbar. Allerdings brauchen ältere Patienten mit schlafbezogenen Atemstörungen mehr intelligente Therapieverfahren wie beispielsweise adaptive Servoventilation (ASV), um mit ihrer Behandlung gut zurechtzukommen. Und es sollten auch noch andere Behandlungsmethoden zum Einsatz kommen, die von älteren Patienten besser akzeptiert werden: beispielsweise offene CPAP-Verfahren wie die transnasale Insufflation (TNI) oder eine Sauerstofftherapie.

Wie viel CPAP braucht man ?

Nach wie vor ist die Frage, wie intensiv ein Schlafapnoe-Patient sein CPAP-Gerät nutzen muss, um überhaupt einen Vorteil von der Therapie zu haben, nicht genau geklärt. Sie wird sich wohl auch nie exakt beantworten lassen, denn je nachdem, um welchen Therapieeffekt es geht, fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. In einer amerikanischen Studie, die 2007 in der Zeitschrift Sleep erschien, wurde untersucht, wie sich verschiedene Parameter in Abhängigkeit von der täglichen CPAP-Nutzung verändern. Bei etwas mehr als vier Stunden CPAP-Therapie pro Nacht erreichen 60 % der Patienten Normwerte in der Epworth Sleepiness Scale (ESS), einem Patientenfragebogen, der die Tagesschläfrigkeit misst. (Bei allen Patienten lassen sich solche Normwerte leider durch keine noch so vorbildliche CPAP-Compliance erzielen.) Bei Patienten, die ihr Gerät mehr als dreieinhalb Stunden pro Nacht nutzen, zeigt sich ein positiver Einfluss auf den Blutdruck. Und die Ergebnisse im Functional Out­-comes of Sleep Questionnaire (FOSQ), der die Auswirkungen von Tagesschläfrigkeit auf die Lebensqualität misst, werden immer besser, je länger man pro Nacht an Gerät und Maske hängt. „Die optimale CPAP-Nutzung hängt also davon ab, was man misst“, stellte Prof. Dr. Winfried Randerath (Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Allergologie am Krankenhaus Bethanien in Solingen) in seinem Vortrag zum Thema Compliance fest. Offensichtlich hat der Grenzwert von vier Stunden pro Nacht, der irgendwann mehr oder weniger willkürlich als Kriterium für die CPAP-Compliance festgelegt wurde, aber doch einen gewissen praktischen Stellenwert. 

Die ersten Tage sind entscheidend

Noch wichtiger als die Frage nach der Stundenzahl ist das Problem, wie man die Compliance bei CPAP-Patienten verbessern kann. Und um das zu erreichen, muss man natürlich zunächst einmal wissen, welche Faktoren darüber entscheiden, ob ein Patient eine gute oder schlechte Compliance haben wird. Denn wenn man das weiß, könnte man diejenigen, die ihr Gerät wahrscheinlich eher nicht oder nur unregelmäßig nutzen werden, herausfiltern und ihnen eine besonders intensive Schulung und Betreuung zukommen lassen. Auch telefonische Nachfassaktionen in den ersten Therapietagen und -wochen könnten bei solchen Risikogruppen sinnvoll sein.

Schon seit längerem weiß man, dass Patienten, die ihr Gerät in den ersten Tagen und Wochen nach der Therapieeinstellung gut akzeptieren und mehr als vier Stunden pro Nacht nutzen, wahrscheinlich auch langfristig eine gute Compliance haben werden. Wer die Therapie dagegen von Anfang an schlecht annimmt oder Probleme damit hat, wird bestimmt auch in Zukunft nicht sehr motiviert sein, Gerät und Maske regelmäßig zu nutzen.

Ein hoher Leidensdruck ist ebenfalls ein guter Prädiktor für die CPAP-Compliance: Patienten, die trotz ihrer Schlafapnoe kaum unter Tagesschläfrigkeit leiden, nutzen ihr Gerät deutlich schlechter. Aber auch sie müssen dringend behandelt werden, denn wie man inzwischen weiß, ist ihr Herz-Kreislauf-Risiko ebenso erhöht wie das der Schlafapnoiker, die unter Tagessymptomen leiden. Also sollte man versuchen, diese Patienten durch Aufklärung zur CPAP-Compliance zu motivieren – indem man sie darauf hinweist, dass sie ein höheres Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und womöglich auch eine geringere Lebenserwartung haben. Denn auch die Frage, wie ernst ein Patient seine Erkrankung nimmt, hat Einfluss auf die Compliance.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Wahrnehmung des Therapienutzens: Ein Patient, der das Gefühl hat, dass seine Behandlung ihm hilft – dass er sich dadurch tagsüber wohler fühlt und mehr Energie hat oder nachts besser schlafen kann –, wird sein Gerät verständlicherweise regelmäßiger nutzen als jemand, der kaum einen Unterschied spürt.

Singles haben schlechtere Karten

Erstaunlicherweise spielt auch die Frage, ob jemand Single ist oder eine Partnerin/einen Partner hat, für die Compliance eine wichtige Rolle: Ein Lebensgefährte, der auch noch im selben Zimmer schläft wie der Patient, verbessert die Compliance. Ein niedriger sozialer Status (gemessen am Einkommen oder Bildungsgrad des Patienten) sagt dagegen eine schlechtere CPAP-Therapietreue voraus.

Intensive Schulung – und das überrascht eigentlich kaum – führt dazu, dass mehr Patienten ihr Gerät regelmäßig nutzen. Für solche Schulungsprogramme gibt es verschiedene sinnvolle Ansatzpunkte: ausführliche Einweisung in Gerät und Maske, Entspannungsübungen, aber auch Videos und Broschüren, die über die Gefahren einer Schlafapnoe aufklären und falsche Vorstellungen von der Therapie ausräumen. Denn wenn es gelingt, die Therapieerwartung des Patienten ins Positive zu wenden, ist schon viel gewonnen. 

Verschiedene Studien zeigen, dass eine solche intensive Patientenaufklärung und -betreuung zu einer deutlich besseren Compliance führt als die Standardschulung. „Das ist ein starkes Argument für eine intensive Patientenbetreuung im Schlaflabor und engmaschiges Monitoring in den ersten Tagen und Wochen, aber auch für Maskensprechstunden und Kontrollnächte im Schlaflabor“, lautet das Fazit von Professor Randerath. Denn wenn ein Patient in den ersten CPAP-Nächten Probleme mit Gerät oder Maske hat – beispielsweise Leckagen, lokale Nebenwirkungen oder eine falsche Therapiedruckeinstellung –, so kann dies im Rahmen einer intensiven Betreuung sofort erkannt und behoben werden. Und dann wird der Patient seine Therapie gleich mit viel positiveren Augen sehen und eher die Motivation dazu aufbringen, sie konsequent durchzuführen. „Das spricht für mich absolut gegen ambulante Titrationen zu Hause“, betont Professor Randerath. „Denn wenn ein Patient mit seinen Schwierigkeiten in den ersten Nächten allein gelassen wird, ist das Risiko für einen Therapieabbruch sehr hoch.“ 

Leider geht der Trend in unserer Gesundheitspolitik immer mehr dahin, die Schlafmedizin vom stationären in den ambulanten Bereich zu drängen – zu Lasten der Versorgungsqualität und auf Kosten der Patienten. Sparen kann unser Gesundheitssystem dadurch nichts, wenn die Patienten ihr Gerät nach ein paar Nächten in die Ecke stellen, weil sie nicht damit zurechtkommen – denn die Folgeerkrankungen der Schlafapnoe, die dann später wie eine Lawine auf die Krankenkassen zurollen werden, sind weitaus kostspieliger als eine adäquate CPAP-Versorgung.

Technische und chirurgische Wege zur Therapietreue

Gibt es auch technische Möglichkeiten, die Compliance zu verbessern? Das ist leider gar nicht so einfach, denn jeder Patient hat andere Probleme, Vorlieben und Bedürfnisse; und deshalb kann man auch nicht sagen, dass ein bestimmter Geräte- oder Maskentyp für alle richtig ist. Hier ist eher ein einfühlsames Eingehen auf den individuellen Patienten gefragt; und das hängt wiederum vom Fingerspitzengefühl und der Erfahrung des Schlaflaborpersonals ab. 

So gibt es keine Belege dafür, dass die Compliance bei einer Auto-CPAP-Therapie besser ist als beim herkömmlichen CPAP – eine Frage, die in mehreren Studien untersucht wurde. Dennoch ist es nicht gleichgültig, ob ein Schlafapnoe-Patient mit einem APAP- oder CPAP-Gerät versorgt wird. Denn die Präferenz des Patienten spielt sehr wohl eine Rolle für seine Compliance. Eine Studie von Professor Randerath hat gezeigt, dass Patienten, die eine APAP-Therapie bevorzugen, dieses Gerät auch besser nutzen, und umgekehrt: Patienten, denen ein CPAP-Gerät angenehmer ist, haben damit eine bessere Compliance als mit einer Auto-CPAP-Therapie. Man sollte die Patienten also durchaus fragen: Welches Gerät ist dir lieber? Welche Therapie hilft dir deinem Empfinden nach am besten? Ferner kann sich auch eine Atemluftbefeuchtung positiv auf die Compliance auswirken. Allerdings muss es ein Warmluftbefeuchter sein; bei Kaltluftbefeuchtern gibt es keine Nachweise dafür, dass sie die CPAP-Nutzung verbessern. Und nicht zuletzt kann ein operativer Eingriff bei behinderter Nasenatmung den Patienten einen guten Einstieg in die CPAP-Beatmung erleichtern und die Therapieakzeptanz verbessern; denn auch die Weite der Nasenhöhle wirkt sich auf die Compliance aus.

Ein Leben mit der Natur

Föhr, eine Insel in der Nordsee. Weite Wiesen, weiter Himmel, umgeben vom Meer. Eine Insel im Wattenmeer. Kein Sylter Glamour. Kleine Dörfer, oft nur ein paar Häuser, reetgedeckt, malerisch, natürlich. Der Musiker Hauke Nissen wurde auf Föhr geboren. Er hat die Insel in seinem Leben nur kurz verlassen und ist inzwischen eins mit der Natur. Er bewegt sich in ihr. Er hat sie verinnerlicht. Den Wind. Das Meer. Das Spiel der Wolken. Die Schreie der Seevögel. All das fließt in seine Musik ein, die Menschen zu innerer Ruhe, Harmonie – und sicherlich auch zu einem guten, tiefen, wohligen, erholsamen Schlaf verhilft.

Werner Waldmann 

Für seine Musik braucht  Hauke Nissen keine Noten. Die Melodien wachsen in ihm. Seine Instrumente: Gitarre, Flöte, Tasteninstrumente, Glockenspiel, Vibrafon, Klavier. Er setzt sich einfach an den Strand, und die Natur spielt ihm die Melodien zu. Die nimmt er dann in seinem kleinen Studio auf. Zwölf CDs sind so im Lauf der Jahre entstanden. Sie haben ihren Weg zu vielen Menschen gefunden, ganz leise, unspektakulär, ohne Plattenlabel, ohne professionelles Marketing. Zu Menschen, denen diese Musik mit den Tönen der Inselwelt ein Stückchen Frieden, Ruhe, Abstand vom Alltäglichen schenkt. 

Ich habe Hauke Nissen besucht. Habe ihm zugehört. Selbst aus den Worten dieses Mannes spricht eine angenehme innere Ruhe. Das berührt. Das schafft in uns eine Sehnsucht. Zu einer solchen Sanftheit zu finden. Zu diesem inneren Frieden, der eine ganz eigentümliche Kraft und Zuversicht schenkt.

Ein Leben für die Musik

„Ich bin auf der Insel Föhr geboren, in Oldsum“, erzählt Hauke Nissen. „Meine Eltern sind sehr musikalisch. Ich glaube, den größten Teil meiner Musikalität habe ich von ihnen. Mein Vater hat schon früher, wenn ich als kleines Kind schlafen ging, neben meinem Kinderzimmer Geige oder Klarinette gespielt, und ich bin quasi mit diesen Melodien eingeschlafen. Meine Mutter war Organistin, und ich durfte für sie immer die Noten zur Kirche tragen. Ich habe viele Gottesdienste lang neben ihr auf der Orgelbank gesessen und ihrer Musik gelauscht. Und an den Adventstagen und zu Weihnachten haben wir zusammen Flöte gespielt. Ich denke, dass damals schon ein wichtiger Grundstein für meine heutige Arbeit gelegt wurde.“ 

Auch später hat Hauke Nissen viel musiziert, ganz frei improvisiert, draußen in der Natur, allein oder mit Freunden zusammen in der Flower-Power-Zeit. „Das war für mich eine ganz wichtige, kreative Zeit, in der wir natürlich viel draußen in der Natur waren.“

Auch heute noch musiziert er gerne am Strand: „Ich setze mich einfach ans Wasser und spiele Flöte. Die Klänge der Natur haben mich bei meiner Musik schon immer begleitet: das Meeresrauschen, der sanfte Sommerwind, das Gezwitscher der Vögel von den Salzwiesen oder der Vögel in der Marsch und in den Gärten. Das war schon immer mehr oder weniger bewusst ein Teil meines Lebens und auch meiner Musik. Das inspiriert mich.“

Hauke Nissen nennt seine Musik „Naturentspannungsmusik“, weil er sie nicht komponiert, sondern in seinem Studio im Garten intuitiv mit den Klängen der Natur, der Insel, des Strandes und des Meeres verwebt. „Ich habe ein Raumklangmikrofon; mit dem habe ich diese ganzen Naturklänge im Lauf der Jahre aufgezeichnet. So habe ich mir ein kleines Klangarchiv geschaffen, und je nach Stimmung des Liedes lasse ich das ganz sanft und subtil in meine Musik einfließen.“ 

Flower-Power und Meeresstrand

Die Flower-Power-Zeit der Sechzigerjahre, in der die damalige Jugend die Liebe zur Natur wiederentdeckte und ihren Traum von einem humaneren, friedlicheren, harmonischeren Leben zu verwirklichen versuchte, hat ihn stark geprägt.

 „Das ist für mich bis heute nicht vorbei. Gewisse äußere Umstände haben sich zwar verändert, man hat jetzt Familie und mehr Verantwortung; aber viele Aspekte, die uns damals bewegt haben, sind für mich auch heute noch wichtig, vor allem die Liebe zur Natur; und wenn ich in der Natur bin, nehme ich sie sehr bewusst und sehr glücklich wahr. Den Horizont, das Meer, den Strand ... Der Naturstrand hier auf der Insel mit seinen Muscheln und Steinen, mit der Salzwiesenflora und den Vögeln hat für mich eine ganz besondere Atmosphäre, und die habe ich sehr stark verinnerlicht, schon von Kindheit an, denn wir haben als Kinder schon auf diesen Salzwiesen mit dem Strandblick gezeltet. Diesen Frieden, der dort herrscht, und diese Weite liebe ich ganz, ganz tief, und diese Stimmungen sind es, die ich auch in meiner Musik zum Ausdruck bringe. Mein Anliegen ist es, diese Atmosphäre in meiner Musik einzufangen und weiterzugeben.“

Lebensmittelpunkt Insel

Inzwischen ist Hauke Nissen 59 Jahre alt und hat die Insel Föhr in seinem Leben immer nur für kurze Zeit verlassen: zum Beispiel, um auf dem Festland Kunst, Politik und Erziehungswissenschaften zu studieren, weil er später einmal Kunstlehrer werden wollte. Aber irgendwie war das nicht das Richtige für ihn. Er brach das Studium ab. Als Nächstes machte er eine Tischlerlehre mit dem Ziel, anschließend Innenarchitektur zu studieren und sich auf diese Weise künstlerisch auszudrücken. „Diese Ausbildung habe ich zu Ende gemacht, aber ich spürte: Das ist es immer noch nicht. Seit 1976 bin ich selbstständig und habe hier auf der Insel verschiedene Projekte aufgebaut, zum Beispiel ein Kulturzentrum namens Störtebeker mit einer Kleinbühne für Lesungen, Theater- und Musikaufführungen und einer Teestube für vegetarische Ernährung. Dieses Kulturzentrum gibt es heute noch.“ 

Später gründete er mit seiner Frau ein Ferien- und Seminarhaus für Gemeinschaftsaktivitäten, Kunst, Kreativität, Meditation und Yoga. „Wir hatten einen großen Musik- und Yogaraum, einen Meditationsraum und ein sehr schönes Kaminzimmer, in dem wir uns trafen, zusammen aßen, gute Filme anschauten, uns unterhielten. In dem Musikraum gab ich viele Konzerte als Geschenk für unsere Gäste.“

Und bei einem dieser spontanen Konzerte entstand die Idee, Musik-CDs zu produzieren. „Irgendwann fragten die Gäste mich, ob ich so ein Konzert denn nicht mal mitschneiden würde, damit sie die Musik mit nach Hause nehmen können. Das habe ich dann gemacht und diese Musik in dem Lädchen, das wir damals betrieben, ganz leise spielen lassen. Und die Leute, die zu uns kamen, waren noch nicht einmal im Laden und fragten schon, was das für eine Musik sei und ob man sie vielleicht bei uns bekommen könnte. Eigentlich hatte ich nie vorgehabt, CDs zu produzieren oder in dieser Richtung überhaupt kommerziell tätig zu werden; ich habe einfach nur musiziert und Freude daran gehabt. Aber aufgrund dieser Nachfrage, die immer wieder kam, habe ich das Konzert dann einfach mal auf Kassette aufgenommen und die Kassetten kopiert und in meinem Laden verkauft. Vorher durften die Leute sich eine Postkarte mit einem schönen Landschaftsmotiv von der Insel aussuchen; die habe ich dann auf Kassettenformat ausgeschnitten und die Titel alle von Hand aufgeschrieben. So fing alles an. Das ist jetzt achtzehneinhalb Jahre her.“

Irgendwann wurde Hauke Nissen dann auch einmal nach CDs gefragt; das war der Beginn seiner heutigen musikalischen Laufbahn. „Damals habe ich gleich eine ganze Palette CDs bestellt. Ich weiß noch, wie meine Mutter diese große Palette sah und sagte: ‘Mein Junge, die wirst du in deinem ganzen Leben nicht los.’“     

Heilsame Klänge

Aber er ist sie losgeworden, und es hat auch nicht ein Leben lang gedauert. Inzwischen verkauft Hauke Nissen seine CDs im eigenen Laden, übers Internet und über Bestellungen auf dem Postweg. 

„Es gibt viele Heilberufler, die meine Musik hören und von denen ich sehr schöne Rückmeldungen bekomme, zum Beispiel Zahn- oder Frauenärzte, die mir sagen, dass diese Musik eine gute Atmosphäre in der Praxis schafft – für den Arzt selber, für seine Sprechstundenhelfer, aber natürlich ganz besonders für die Patienten, die meistens ängstlich und verspannt in die Praxis kommen; und beim Hören der Musik schmilzt ihre innere Anspannung dann ein wenig, und es tritt ein schöner Entspannungseffekt ein. Das höre ich zum Beispiel auch von Hebammen. Es ist für mich etwas ganz Beglückendes, wenn Hebammen mir berichten, dass sie die Musik bei Geburtsvorbereitungskursen, aber auch bei Geburten einsetzen. Lehrer, Erzieher und Kindergärtner arbeiten ebenfalls mit meiner Musik. Ich kenne viele Lehrer, die am Anfang ihres Unterrichts einfach ein paar Minuten lang eine meiner CDs spielen und die Kinder, die vom Wochenende oder vom ganzen Computer- und TV-Konsum noch sehr aufgeladen sind, dann richtig ‘runterfahren. Der Unterricht wird dadurch einfach bereichert und wesentlich entspannter.“ 

Was will Hauke Nissen mit seiner Musik, mit der Weitergabe seiner inneren Ruhe und seiner Erfahrungen bewirken? Verfolgt er damit eine bestimmte Mission?

„Nein; aber ich habe schon das Gefühl und das Bedürfnis, dass die Menschen die Natur durch meine Musik vielleicht noch ein bisschen mehr wertschätzen lernen. Ich bekomme ja sehr viel Feedback von den Hörern meiner Musik, die jedes Jahr wieder zu uns in den Laden kommen und mir erzählen, dass sie sich durch meine Musik total in die Atmosphäre dieser schönen Natur versetzt fühlen und innerlich zur Ruhe kommen.“ 

Das Paradies liegt vor der eigenen Haustür

Urlaub? So etwas braucht er nicht. „Wir haben es hier ja so gut. Ich fahre einfach zum Utersumer Strand, breite ein Decke aus, hole meine Kanne Kaffee und einen Keks, gucke aufs Wasser, und alles ist gut. Oder ich gehe mit den Kindern (mittlerweile sind es die Enkel) auf die Salzwiesen, packe unsere Picknickdecke und einen Salat und eine Flasche Wein ein, und dann picknicken wir, die Kinder spielen, und ich denk’ mir: Was geht es uns hier gut! Da vergisst man wirklich, Urlaub zu machen.“