Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2013

Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2013


Liebe Leserin, lieber Leser,

bei uns in der Redaktion rufen täglich Menschen an, die einen medizinischen, einen schlafmedizinischen Rat wollen. Wir können und dürfen solche Ratschläge nicht geben, erst recht nicht am Telefon. Aber die Anrufer sind oft verzweifelt und wir können nicht anders, als ihnen zuzuhören. Und manchmal denke ich, dass es gerade das ist, was sie wollen: Nicht unbedingt einen ärztlichen Tipp – ich denke, sie wissen im Grunde, dass sie diesen in der Redaktion eines Gesundheitsmagazins nicht bekommen können –, sondern einen Menschen, der ihnen für kurze Zeit zuhört. Wir erfahren von den Anrufern einen Großteil ihrer Lebens- und Krankengeschichte, geben ihnen einige Adressen von Ärzten und Schlaflaboren und nennen Selbsthilfegruppen in ihrer Nähe. Es ist nicht viel, was wir tun können, dennoch sind die meisten Anrufer am Ende des Gesprächs dankbar, klingen positiver, entspannter. Solche Gespräche kosten uns viel Zeit. Und es gibt Tage, an denen niemand wirklich diese Zeit hat – etwa wenn die neue Ausgabe des Schlafmagazins in Druck gehen muss. Aber dennoch wollen wir die Gespräche auch in Zukunft führen. (Übrigens: Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen und mich im Namen der ganzen Schlafmagazin-Redaktion bei unseren treuen Selbsthilfegruppenmitgliedern bedanken, die uns regelmäßig ihre Witze zusenden. Sie erheitern ungemein!)

Ich denke, wir alle sollten trotz unserer wirtschaftlichen Zwänge, trotz eines hektischen Arbeitsalltags nicht vergessen, dass Menschen mit einem gesundheitlichen Problem unsere Zeit und unsere Zuwendung brauchen. Bedauerlicherweise können Ärzte in ihren Praxen gerade das in der Regeln nicht geben, denn es wird ihnen nicht bezahlt. Bedauerlicherweise ändert sich auch die schlafmedizinische Versorgung aus Kostengründen in Richtung kürzerer Betreuung. Wir werden sehen, welche Konsequenzen das haben wird. 

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Allerdings: Jammern hilft hier nicht. Vielleicht müssen wir uns künftig auf andere Kommunikationstechniken umstellen. Immerhin lesen wir inzwischen die Zeitung häufiger auf Smartphone oder Tabletcomputer und wickeln unsere Bankgeschäfte übers Netz ab. Wir sollten darüber nachdenken, wie sich Patientenbetreuung auch ganz anders, zielgenauer, effizienter realisieren lässt. Auch die Selbsthilfe sollte sich darüber Gedanken machen, beklagt sie doch immer häufiger, dass jüngere Patienten kaum noch den Weg zu den Selbsthilfe-Treffs finden. Vielleicht muss es nicht mehr der Vortrag sein, zu dem man sich versammelt. Vielleicht akzeptieren die Betroffenen Infos von YouTube? Vielleicht lassen sich Maskenprobleme rascher mit einer App lösen? Ich meine, wir sollten die aktuellen gesundheitspolitischen Probleme nicht ignorieren, sondern kritisch begleiten und gleichzeitig auch nach vorne schauen und zusammen mit allen Beteiligten neue zeitgemäße Informationsmethoden entwickeln, testen und umsetzen.

Gesundheitspolitik ist nicht alles. Deshalb berichten wir in dieser Ausgabe auch über Stress und Schlafstörungen im Alter, über Jugendliche und ihre Schlafprobleme und über Physiotherapie bei COPD. Ebenso gibt es Neues aus der Forschung. Dass Vollmond auf die Qualität unseres Schlafs Einfluss hat, hat die Wissenschaft bisher in den Bereich des Aberglaubens verwiesen. Offenbar ist diese Skepsis unangebracht, wie die Forscher um den Basler Schlafforscher Christian Cajochen kürzlich bewiesen: Im Schlaflabor wurde gezeigt, dass Menschen in Vollmondnächten tatsächlich länger zum Einschlafen brauchen – und die Schlafqualität beeinträchtigt ist.

Bleiben Sie kritisch, blicken Sie nach vorn und schlafen Sie gut in diesem Sommer, denn Vollmond ist nicht immer.

Ihre
Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2013

Foto: ©Ileanaolaru/Dreamstime.com
Inhalt

6 Das Jahrhundert der Patienten 

10 Lichttherapie aus Finnland  

11 Den Bettenkauf nicht auf die leichte Schulter nehmen! 

12 Stress im Alter – vom Mythos der senilen Bettflucht

14 Nicht alle Medikamente sind für ältere Patienten geeignet!

18 Wenn die innere Uhr durcheinandergerät

20 Schlaganfall: Der „Kurzschluss“ im Gehirn

22 Wenn Schlafapnoe-Patienten operiert werden  

26 Eine bemerkenswerte Karriere Schlafapnoe-Betroffener und Erfinder

28 JuSt – Das Schlaftraining für Jugendliche mit Schlafstörungen von 11 bis 17 Jahren

30 Physiotherapie und gezieltes körperliches Training bei COPD

34 Studienaufruf: Gesucht werden Insomniepatienten und gesunde Schläfer

24 Leserbrief 

35 „Geräuschmassage“ für besseren Schlaf

36 Zehn Jahre Schlafmedizin am Göppinger Klinikum Christophsbad 

38 Unterstützung für Selbsthilfegruppen

42 Bayern-AOK zieht gegen Frührentner zu Felde

44 Ein sehr persönlicher Test: Abenteuer Bett

46 Nachdenken über die Schlafmütze 

47 Eheliche Ergötzlichkeiten von W. Busch

47 Eine schwierige Entscheidung: Das richtige Kissen

50 Und der Mond hat doch recht!

Stress im Alter – vom Mythos der senilen Bettflucht


Stress und Schlafstörungen sind ein Paar, das zwar längst bekannt ist, aber erst jüngste Forschungen geben Praktikern Anlass zum Handeln. Jetzt kommt auch Bewegung ins Klischee der senilen Bettflucht.

Lucie Neumann

Stress – landauf, landab. Im aktuellen Jahr des Arbeitsschutzes begegnet uns das Thema in zahlreichen Facetten. „Und das ist wirklich Stress“, seufzt eine Betriebsärztin. 

Wohl wahr, Stress ist ansteckend. Er kann in allen Lebensbereichen entstehen. Zum Beispiel im Privaten, und besonders dann, wenn achtzig- oder neunzigjährige Eltern immer schlechter schlafen, dabei immer unglücklicher werden und Losungen wie „Alter ist nichts für Feiglinge“ nur für einen kurzen Moment Heiterkeit stiften. 

Bislang akzeptierten wir die „senile Bettflucht“ notgedrungen als Begleiterscheinung des Alters – aber damit ist es, so scheint es, bald vorbei: Nicht die alten Menschen schlafen besonders schlecht, sondern die jungen. Und genauer: Ein Forschungsteam der University of Pennsylvania fand in einer Befragung von 155 000 Bürgern heraus, dass kör­­­perlich gesunde Senioren von allen befragten Personengruppen am seltensten unter Schlafstörungen leiden. Daraus ziehen die Forscher den Schluss, dass zwar Erkrankungen und Depressionen die Qualität der Nachtruhe beeinträchtigen können, das Alter an sich aber nicht. Die Forderung der amerikanischen Schlafmediziner an die Adresse ihrer ärztlichen Kollegen, insbesondere an die Hausärzte, lautet deshalb: „Nehmt Schlafstörungen endlich ernst.“

Nehmt Schlafstörungen endlich ernst – damit könnte dieser Artikel beendet sein. Das ist er nicht, im Gegenteil: Jetzt wird es erst interessant: Die „senile Bettflucht“ ist nur ein Beispiel für Klischees, Überzeugungen oder sogar Forschungen, die – unhinterfragt – Lebensqualität verhindern, statt sie zu verbessern. Oder wie schon Mark Twain sagte: „Vorsicht vor Gesundheitsratgebern – Sie könnten an einem Tippfehler sterben.“

Gar so brisant ist es mit dem Bettflucht-Klischee zwar nicht, aber die Wirkung von Worten ist nicht zu unterschätzen: Eine Ruckzuck-Diagnose wie „Das liegt am Alter“ macht Menschen sofort „alt“ – oft älter, als sie sind. Das zeigen eindrucksvoll Experimente, in denen Studenten Fotos von Gegenständen, die mit Alter assoziiert sind, wie ein Stock, ein Hut, angeschaut oder Texte übers Alter gelesen haben – und prompt dauerte der Gang zur Mensa 30 % länger als bei der Vergleichsgruppe, die „schöne“ Fotos gesehen hatten.&nb

Worte haben Wirkung

Kurz und knapp: Worte haben Wirkung, in die eine oder in die andere Richtung – wir sollten schon deshalb besser darauf Acht geben, für den Fall, dass wir selbst alt werden. 

Dennoch: Was ist dran an der senilen Bettflucht, die angeblich jeder kennt, der alt ist? 

Ich glaubte noch nie an dieses Klischee. Und mein Vater kannte sie überhaupt nicht, er schlief immer hervorragend und wurde ­vitale 93 Jahre alt. Vielleicht war er der Auslöser für mein anhaltendes Interesse am noch immer weit unterschätzten Thema Schlaf. Als ich ihm von meinen Schlaf-Recherchen an der Berliner Charité berichtete – damals war er 80, kletterte auf Bäume, um Kirschen zu ernten, und plante nach einem Herzinfarkt gemeinsam mit meiner Mutter eine Reise nach Kalifornien –, da lachte er und winkte durch, was noch heute unter „Alter“ in dürren Worten auf der Charité-Website zu lesen steht: „Schlafstörungen nehmen im Alter zu und lassen sich manchmal nur schwer von normalen altersbedingten Veränderungen des Schlafs unterscheiden.“

Tatsächlich ist es nicht leicht, die flapsigen Äußerungen rund um den Schlaf der Alten zu ordnen. Zu seiner Herkunft: Eigentlich ist die senile Bettflucht ein Scherz. So viel weiß auch Wikipedia in seiner vorläufigen Weisheit: „Senile Bettflucht ist eine Scherzbezeichnung für ein vermindertes Schlafbedürfnis im Alter, das durch ein frühes Erwachen gekennzeichnet ist.“ Nichts Neues im Westen, denn schon 1984 schrieb einer der Großen der Schlafmedizin, der Züricher Arzt Alexander Borbely, über das Früherwachen „(...) das scherzhaft als ,senile Bettflucht‘ bezeichnet wird.“

Wie so oft bei Klischees lässt sich ihr Ursprung nicht ermitteln: Irgendjemand hat irgendwann irgendetwas gesagt – und plötzlich ist es jahrzehntelang wahr. So nisteten sich der Begriff und die vage Bedeutung der senilen Bettflucht fest im Volksmund ein.

Die senile Bettflucht ist ein Scherz

Wie konnte aus Scherz Ernst werden? Schließlich war es auch zu Borbelys Zeiten eine offene Frage, ob sich die gesamte tägliche Schlafzeit im Alter ändert.

Es scheint, sogar die Forschung machte hier kurzen Prozess. Für die junge Wissenschaft der Schlafforschung gab und gibt es viel zu tun und altersbedingte Schlafstörungen stehen nicht in der ersten Reihe der wichtigsten Fragen. Das könnte sich nun ändern, nicht zuletzt, weil inzwischen stressbedingte Schlafstörungen im Verdacht stehen, Auslöser für psychische und medizinische Störungen zu sein. Bislang galten sie lediglich als Nebeneffekt oder Symptom für andere Krankheiten wie Depression oder Diabetes. Wenn nun parallel dazu auch die Lebensqualität der Alten in einem neuen Licht betrachtet wird, dann nützt das allen. 

Dennoch hält sich der Begriff der senilen Bettflucht zäh, Google findet sogar eine Seite im Netz, die die senile Bettflucht eine psychosomatische Störung nennt – mit Verlaub: Da hört der Spaß nun wirklich auf.

Zurückhaltender, aber dennoch ein Klischee: Im Januar 2012 postete ein Apotheken-Publikums-Magazin „Es gibt sie, die ‚senile Bettflucht‘. Mit dem Alter weckt die innere Uhr tatsächlich immer zeitiger.“ Und wieder vermittelt sich der Eindruck, als passten Schlaf und Alter nicht zusammen, als müsse die Qual der Schlaflosigkeit ertragen oder mit Medikamenten bekämpft werden – zu wessen Wohl, fragt sich da.

Als gesichert gilt heute, dass Senioren eventuell einen anderen Schlafrhythmus haben und zum Beispiel ein Schläfchen am Nachmittag die Nachtschlafzeit verringert. Die Gesamtschlafzeit liegt dennoch wie bei allen anderen Altersgruppen zwischen fünf und zehn Stunden. Es ist möglich, dass Sorgen, nicht zuletzt übers Älterwerden, den Schlaf stören. Im besten Fall finden sich dann geduldige Zuhörer, die neue Ideen einbringen, wie damit umzugehen ist. Wenn alte Menschen jedoch dauerhaft schlecht schlafen, dann verhält es sich wie bei jüngeren: Ein vernünftiger Arzt soll die körperlichen Ursachen klären und helfen.  

Bei Licht betrachtet: Die senile Bettflucht ist ein übler Scherz, der schwach macht, lösbare gesundheitliche Probleme überdeckt oder andere erzeugt – und mit dem gesunden Menschenverstand hin zu mehr Lebensqualität schnell verändert werden könnte. Was in klugen, innovativen Senioren- und Pflegeheimen auch schon geschieht: Hier dürfen Senioren ausschlafen. In einem beispielhaften Heim liest es sich so: „Jeder, der bei uns lebt, kann den Tag so beginnen, wie er es sich im Laufe seines Lebens ­angewöhnt hat. Wer den frühen Morgen ­genießen will, kann aufstehen, und wer ausschlafen will, kann schlafen. Die Frühstückszeit endet um 10.30 Uhr.“

Das klingt gut: Ein Stressfaktor weniger für uns im Alltag und im Alter – das hilft allen. 

Schlafmittel, Schmerzmittel, Antidepressiva & Co.


Nicht alle Medikamente sind für ältere Patienten geeignet!

Viele Ärzte verschreiben Senioren Arzneimittel, die bei älteren Menschen un­­angenehme bis gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen können. Mittlerweile gibt es eine Liste des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, in der alle für ältere Patienten bedenkliche Substanzen aufgeführt sind. Auf dieser Liste stehen auch viele Schlaf- und Beruhigungsmittel.

Marion Zerbst

Dank den Fortschritten unserer modernen Medizin werden wir immer älter. Das ist eine gute Nachricht. Aber natürlich bleibt es nicht aus, dass mit zunehmendem Alter auch häufiger Krankheiten auftreten – vor allem chronische Erkrankungen wie Schmerzen, Diabetes, Bluthochdruck oder zu hohe Cholesterinwerte. Und so kommt es, dass ein älterer Mensch oft mehrere Medikamente pro Tag schlucken muss. Senioren im Alter von 60 bis 64 Jahren nehmen im Durchschnitt zwei bis drei verschiedene Arzneimittel pro Tag ein; bei den über Achtzigjährigen sind es sogar vier bis fünf. 

Das kann Probleme mit sich bringen, denn je mehr Arzneimittel man nimmt, umso eher können Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Substanzen auftreten. 

Außerdem weiß man inzwischen, dass viele Medikamente für ältere Menschen nicht geeignet sind. Das liegt unter anderem daran, dass Leber und Nieren im Alter an Funktionsfähigkeit einbüßen und Arzneimittelsubstanzen daher nicht mehr so gut abbauen können. Ferner reagieren alte Menschen sehr viel empfindlicher auf Medikamente, die ihre Wirkung im Gehirn oder am Nervensystem entfalten. Daher sind unerwünschte ­Nebenwirkungen dieser Mittel (z. B. Schwindelgefühl, Benommenheit, erhöhtes Sturzrisiko) bei Senioren häufig besonders ausgeprägt. 

Über 80 Arzneimittelsubstanzen sind für ältere Menschen ungeeignet

Eine neue Arzneimittelsubstanz darf nur dann auf den Markt kommen, wenn sie vorher von der Gesundheitsbehörde des betreffenden Landes zugelassen worden ist. Hierzu sind klinische Studien mit vielen Patienten erforderlich, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Wirkstoffe getestet werden. Oft werden alte Menschen in solche Studien aber leider nicht eingeschlossen, sodass man hinterher gar nicht weiß,  wie diese Substanzen auf Senioren wirken.

Diese Informationslücke hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nun geschlossen: Um ältere Menschen beim richtigen Umgang mit Medikamenten zu unterstützen, hat es aufgrund der nationalen und internationalen Fachliteratur zum Thema Arzneimitteltherapie die sogenannte PRISCUS-Liste herausgegeben. Diese Liste bietet eine Übersicht über mehr als 80 verschiedene Arzneimittelsubstanzen, die für ältere Menschen ungeeignet sein können, listet die wichtigsten Nebenwirkungen auf und empfiehlt besser verträgliche Alternativen. Nach Erscheinen dieser Liste untersuchte eine große Studie, welche Medikamente älteren Menschen in Hausarztpraxen besonders häufig verschrieben werden, und kam zu einem bedenklichen Ergebnis: Fast jeder fünfte Patient nahm mindestens ein Medikament aus der PRISCUS-Liste ein. Vor allem Frauen werden offenbar häufig ungeeignete Medikamente verordnet. 

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

Nun sollte natürlich niemand ein vom Arzt verschriebenes Medikament eigenmächtig absetzen. Trotzdem ist es sinnvoll, informiert zu sein, damit man bei etwaigen unerwünschten Nebenwirkungen mit seinem Arzt sprechen kann: Oft lässt sich das Problem nämlich sehr leicht lösen, indem der Arzt die Dosis verringert, das Mittel durch ein anderes ersetzt oder aber eine Kombinationstherapie aus zwei oder mehreren verschiedenen Medikamenten verschreibt. Solche Kombinationen haben den Vorteil, dass man die einzelnen Präparate dann niedriger dosieren kann. Dadurch treten natürlich auch weniger Nebenwirkungen auf. 

Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Alter sind Schwindel und Benommenheit, Stürze, Verwirrtheit, Verdauungsstörungen, Übelkeit, Schlafprobleme und Mundtrockenheit. Solche Probleme sollte man also nicht einfach aufs Alter schieben, sondern stets daran denken, dass sie durch ein Medikament hervorgerufen worden sein könnten. Dieser Verdacht liegt natürlich vor allem dann nahe, wenn man ein neues Arzneimittel erst seit kurzem einnimmt. 

Vorsicht bei verschreibungspflichtigen Schlafmitteln!

Besonders problematisch sind starke Schlaf- und Beruhigungsmittel – und gerade sie werden älteren Menschen leider sehr häufig verschrieben. Das Problem ist, dass sie Beschwerden, an denen Senioren ohnehin öfter leiden, verstärken. Das kann unangenehm sein und manchmal sogar richtig gefährlich werden. 

So haben beispielsweise Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine eine muskelentspannende Wirkung. Außerdem erzeugen sie ein Gefühl der Benommenheit, das oft auch am nächsten Morgen und tagsüber noch anhält. Das macht die Patienten müde und lethargisch. Und beides zusammen erhöht natürlich das Sturzrisiko – vor allem, wenn man nachts erwacht und zur Toilette gehen muss. Und drittens verschlechtern solche Substanzen die Gedächtnisfunktion: Aufmerksamkeit, Konzentrationsvermögen und Bewegungskoordination sind beeinträchtigt. Das kann vor allem bei älteren Menschen, die an Gedächtnisproblemen leiden oder womöglich sogar bereits eine Demenz haben, zum Problem werden. Dies gilt leider zum Teil auch für die neuere, ähnlich wirkende, aber besser verträgliche Medikamentenklasse der Benzodiazepinrezeptoragonisten. 

Daher sollten ältere Menschen solche Schlafmittel grundsätzlich nur über einen kürzeren Zeitraum (ein paar Tage, höchstens vier Wochen) einnehmen. Das ist auch deshalb wichtig, damit keine Abhängigkeit entsteht. Außerdem sollten sie möglichst keine lang wirksamen Substanzen einnehmen, um sich nicht auch noch am nächsten Morgen müde und benommen zu fühlen.

Schlaganfall - Der „Kurzschluss“ im Gehirn

Viele Schlafstörungen und schlafbezogene Erkrankungen erhöhen den Blutdruck und damit auch das Risiko für gefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Von der obstruktiven Schlafapnoe weiß man schon lange, dass sie den Blutdruck in die Höhe treibt; ähnliche Erkenntnisse gibt es inzwischen auch für das Restless-Legs-Syndrom. Und auch Ein- und Durchschlafstörungen sind Stress für Herz und Kreislauf. Zum Glück kann man vieles tun, um einem Schlaganfall vorzubeugen, und es gibt mittlerweile auch gute Behandlungsmöglichkeiten. Werner Waldmann sprach mit Prof. Dr. Hansjörg Bäzner, dem Ärztlichen Direktor der Neurologischen Klinik am Bürgerhospital Stuttgart.

 

Wie entsteht ein Schlaganfall?

Prof. Bäzner: Da gibt es verschiedene Ursachen. In der Regel ist es so, dass ein Blutpfropf eine Schlagader verstopft, die das Gehirn mit Blut und Sauerstoff versorgt. Dann sterben Gehirnzellen ab. Das ist der so genannte ischämische Schlaganfall, der etwa 80 % aller Fälle ausmacht. Aber auch eine Gehirnblutung kann einen Schlaganfall verursachen; das betrifft rund 20 % der Patienten. Zu solch einer Gehirnblutung kann es durch einen Sturz auf den Kopf oder eine andere Kopfverletzung kommen; aber auch zu hoher Blutdruck ist ein Risikofaktor für Blutungen im Gehirn. 

 

Was gibt es sonst noch für Ursachen?

Prof. Bäzner: Relativ selten ist mit 2 bis 5 % die Subarachnoidalblutung, bei der Blut in den mit Hirnflüssigkeit (Liqour) gefüllten Raum zwischen den zwei Hirnhäuten gelangt, die das Gehirn umschließen. Das ist ein dramatisches, lebensbedrohliches Krankheitsbild, das sich durch heftige Kopfschmerzen (meist im Hinterkopfbereich), Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen äußert. Die häufigste Ursache dafür ist eine Erweiterung einer Gehirnarterie (Aneurysma), die irgendwann einreißt. Dann gibt es noch die ebenfalls selten vorkommende Karotisdissektion: ein Einriss in einer Halsschlagader, der dazu führt, dass sich Blut in die eingerissene Gefäßwand wühlt und das Gefäß teilweise verstopft. Das ist eine Schlaganfallvariante, die öfter auch jüngere Patienten betrifft.

 

Kann denn nicht auch Vorhofflimmern zu Schlaganfällen führen?

Prof. Bäzner: Ja. Diese Herzrhythmusstörung wird als Schlaganfallursache immer noch eher unterschätzt. Es gibt sehr viele Menschen, die nicht wissen, dass sie unter Vorhofflimmern leiden. Solche Patienten haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, weil sich beim Vorhofflimmern durch den unregelmäßigen Herzschlag und die unregelmäßige Aktion der Herzhöhlen manchmal Blutgerinnsel bilden. Diese können dann mit dem Blutstrom ins Gehirn geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall verursachen. Ebenso können sich Blutgerinnsel an den Schlagadern am Hals oder auch in der Hauptschlagader, die vom Herzen weggeht, lösen und Durchblutungsstörungen im Gehirn auslösen.

 

Zwischen Schlafapnoe und Schlaganfall scheint es Zusammenhänge zu geben?

Prof. Bätzner: Ja, das stimmt, wobei hier natürlich auch andere Faktoren, die wiederum mit der Schlafapnoe zu tun haben können (Übergewicht, hoher Blutdruck etc.), bei der Schlaganfallentstehung eine Rolle spielen. Aber die Schlafapnoe verursacht charakteristischerweise nachts immer wieder eine vorübergehende Mangeldurchblutung des Gehirns, und insofern ist allein schon über diesen Aspekt ein möglicher Zusammenhang zumindest zu diskutieren.

 

Gibt es eine genetische Veranlagung für den Schlaganfall?

Prof. Bäzner: Ja, die gibt es insofern, als manche Gerinnungsstörungen angeboren sein können. Und wenn die Blutgerinnung nicht richtig funktioniert, dann kann das auch wiederum das Schlaganfallrisiko deutlich erhöhen. Außerdem kommen Risikofaktoren, die bei der Entstehung von Schlaganfällen eine wichtige Rolle spielen, in Familien gehäuft vor, zum Beispiel erhöhte Blutfettwerte.

 

Beim Schlaganfall ist schnelles Handeln wichtig. Man muss sofort den Notarzt anrufen, denn je eher man ins Krankenhaus kommt, umso größer ist die Chance, den Schaden am Gehirn möglichst gering zu halten. An welchen Symptomen erkennt man einen Schlaganfall?

Prof. Bätzner: Am häufigsten sind plötzlich eintretende Lähmungserscheinungen oder Gefühlsstörungen. Ein hängender Mundwinkel ist zum Beispiel ein sehr wichtiges Symptom, ebenso plötzlich auftretende Sprechstörungen oder Doppeltsehen. 

All diese Schlaganfallsymptome treten charakteristischerweise ganz plötzlich auf. Oft sind sie so dramatisch, dass man automatisch den Notarzt ruft. Manchmal halten solche neurologischen Ausfallerscheinungen allerdings auch nur ganz kurz an und verschwinden dann wieder. Wichtig ist, auch diese kürzer dauernden Beschwerden ernst zu nehmen. Auch bei solchen Symptomen sollte man einen Notarzt benachrichtigen und möglichst rasch in einer Klinik untersucht und gegebenenfalls auch behandelt werden. 

Oft sind solche so genannten transitorischen ischämischen Attacken nämlich erste Warnsignale für einen Schlaganfall, der dann möglicherweise kurze Zeit später auftritt. 

Heute gibt es sehr viel bessere Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten als früher. Was unternimmt man, wenn ein Patient mit einem akuten Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird?

Prof. Bäzner: Zunächst wird der Patient neurologisch untersucht, und seine Symptome werden dokumentiert. Dann folgt eine internistische Untersuchung, die unter anderem auch Herz- und Kreislaufparameter beinhaltet. Nachdem man die Schlaganfalldiagnose gestellt hat (und das sollte innerhalb weniger Minuten möglich sein), muss rasch ein Bild des Gehirns gemacht werden, entweder per Computer- oder Kernspintomografie. 

Die Behandlung besteht darin, dass man versucht, das Blutgerinnsel, welches das Gefäß blockiert, mithilfe einer Infusion aufzulösen. Diese sogenannte Thrombolyse (oft auch einfach „Lyse“ genannt) ist in Deutschland seit gut zehn Jahren etabliert. Inzwischen gibt es aber auch andere Behandlungsmöglichkeiten, die in größeren Zentren – beispielsweise hier am Klinikum Stuttgart – eingesetzt werden: nämlich die Entfernung des Blutgerinnsels mithilfe von Kathetern. Das ist natürlich aufwendiger als eine medikamentöse Behandlung mit Infusionen, aber durchaus auch ein sehr vielversprechender Therapieansatz.

 

Die Thrombolyse muss innerhalb relativ kurzer Zeit nach Eintritt des Schlaganfalls erfolgen. Warum geht das später nicht mehr?

Prof. Bäzner: Die Lyse ist mittlerweile bis viereinhalb Stunden nach Beginn der Symptome zugelassen. Denn man weiß, dass nach Ablauf dieser Zeit im Gehirn leider bereits so viel Schaden angerichtet ist, dass eine Wiedereröffnung des Gefäßes in der Regel nicht mehr hilft. Mit dem Katheterverfahren hat man manchmal auch noch nach Ablauf dieser viereinhalb Stunden Erfolg; generell kann man aber sagen, dass über einen Zeitraum von maximal zehn Stunden hinaus durch den Sauerstoffmangel so viel Gehirngewebe abgestorben ist, dass es sich dann nicht mehr retten lässt.

 

Ist es auch möglich, statt der Lyse gleich das Katheterverfahren einzusetzen?

Prof. Bäzner: Das ist grundsätzlich auch eine wichtige Überlegung. Für welches Verfahren man sich entscheidet, hängt insbesondere von der Ausdehnung des Gefäßverschlusses und der seit Beginn der Symptome vergangenen Zeit ab. Man weiß, dass die Thrombolyse bei sehr großen Gefäßverschlüssen häufig keinen Erfolg hat. Deshalb verfahren wir hier in unserem Zentrum normalerweise so, dass wir Patienten mit sehr großen Gefäßverschlüssen unmittelbar einer Katheterbehandlung zuführen. Bei Patienten, bei denen das verschlossene Gefäß kleiner ist, entscheiden wir uns eher für eine Thrombolyse.

 

Beide Verfahren gehen mit Risiken einher?

Prof. Bäzner: Das stimmt, bei beiden können Komplikationen wie beispielsweise Blutungen auftreten. Aber es gibt gute Daten, die belegen, dass der Nutzen das eventuelle Risiko bei weitem übersteigt.

 

Was kann man tun, um einem Schlaganfall vorzubeugen?

Prof. Bäzner: Auf diese Frage gibt es eine banal klingende, aber sehr plausible Antwort. In allererste Linie denke ich dabei an sportliche Aktivitäten, an Bewegung, die mindestens so ausgeübt werden sollte, dass man dreimal pro Woche eine halbe Stunde spazieren geht – das ist das Minimum. In der Regel sind Ausdauersportarten sehr sinnvoll, also zum Beispiel Spazierengehen (gerne auch mit Walkingstöcken, wobei die nicht unbedingt notwendig sind), Schwimmen oder Radfahren. Was die Ernährung angeht, ist eine gesunde Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse – das, was man auch als mediterrane Kost empfiehlt – sehr sinnvoll. Und natürlich sollte man auf Tabakkonsum dringendst verzichten und beim Alkohol auf ein vernünftiges Maß achten.

 

Welche neuen Therapieansätze gibt es in der Forschung?

Prof. Bäzner: Technisch befinden sich die Katheterverfahren natürlich in kontinuierlicher Weiterentwicklung. Nachdem vor Jahren noch eher zufällig beobachtet wurde, dass man Katheter, die für die Eröffnung anderer Gefäße verwendet wurden, auch beim Schlaganfall helfen können, entwickelt man in der Zwischenzeit gezielt Katheter, die für Gehirngefäße und deren Eigenschaften geeignet sind. Auf der anderen Seite versucht man natürlich auch, weitere Medikamente für die akute Behandlung zu entwickeln, also zum Beispiel für die Thrombolyse. Und es gibt Versuche, andere Präparate außerhalb der Thrombolyse zu finden, die dann möglicherweise auch einen gewissen Schutz für gefährdete Gehirnzellen in der Akutphase bieten; leider sind diese Versuche bisher nicht besonders erfolgreich gewesen. Und man entwickelt kontinuierlich bessere Medikamente zur Vorbeugung vor Schlaganfällen.

Wie gesunde Schläfer und Patienten mit primärer Insomnie ihren Schlafzustand wahrnehmen

Klinisches Wissen und Forschungsarbeiten im Bereich der Insomnie (Einschlaf- und Durchschlafstörungen) weisen darauf hin, dass viele Patienten mit Primärer Insomnie dazu tendieren, ihre nächtlichen Wachzeiten im Vergleich zu guten Schläfern zu überschätzen. Diese Patienten klagen stark über einen gestörten Nachtschlaf, wobei die Tagesbefindlichkeit nahezu unbeeinträchtigt ist und die polysomnographischen Befunde relativ unauffällig sind. Eigene Arbeiten weisen darauf hin, dass die Menge des REM-Schlafs und die Anzahl von Mikro-Arousals während dieses Schlafstadiums mit der Fehlwahrnehmung des Schlafs zusammenhängen. Um diese Befunde weiterzuverfolgen und das Rätsel der Fehlwahrnehmung des Schlafzustandes bei insomnischen Patienten zu lösen, sollen Patienten mit Primärer Insomnie im Vergleich zu gesunden Schläfern polysomnographisch untersucht werden. Zum Einsatz kommen sollen nicht nur die klassische Schlafstadienanalyse sondern auch spektralanalytische Auswertungen und Mikro-Arousal-Ana­lysen. Weiterhin werden neben den elektrophysiologischen Aufzeichnungen nachts von Patienten und gesunden Schläfern auditorische Weckschwellen bestimmt sowie Daten zum Bewusstseinszustand und gedanklichen Inhalten erhoben. Dies geschieht nach Weck-Stimuli aus dem NonREM/REM-Schlaf durch Befragungen hinsichtlich der mentalen Aktivität vor dem Erwachen und im Hinblick auf die Einschätzung des Zustandes vor dem Wecken (Wach versus Schlafen). Die Beantwortung der Frage, warum manche Patienten mit Insomnie zu einer Überschätzung nächtlicher Wachzeiten neigen, ist nicht nur von theoretischer Bedeutung für die Frage des Erlebens von Bewusstsein während der Nacht, sondern auch von hoher klinischer und möglicherweise therapeutischer Relevanz für Insomniepatienten.

Gesucht werden Insomniepatienten und gesunde Schläfer beiderlei Geschlechts im Alter von 30–60 Jahren. Eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 300 Euro wird übernommen.

Ansprechpartner:
Prof. Dieter Riemann
Tel.: 0761-270-69190
E-Mail: dieter.riemann@remove-this.uniklinik-freiburg.de
Projektbeginn: 01.07.2013
Projektende: 30.06.2015
Projektleitung: Prof. Dieter Riemann
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 
Zentrum für Psychische Erkrankungen (Department)
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstr. 5, 79104 Freiburg

„Geräuschmassage“ für besseren Schlaf

Werden Hirnwellen im Tiefschlaf durch Geräusche stimuliert, so verbessert dies den Schlaf und die Gedächtnisfunktionen. Zu dieser Erkenntnis sind Wissenschaftler der Universität Tübingen gelangt.

Die langsamen Hirnwellen, die beim Menschen im Tiefschlaf auftreten, sind wesentlich, um Gelerntes besser im Gedächtnis zu behalten. Werden diese Wellen durch Geräusche im gleichen Rhythmus in der Schlafphase stimuliert, führt dies sowohl zu besserem Schlaf als auch zu besseren Gedächtnisleistungen.

Dies haben Professor Jan Born vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität Tübingen und Kollegen von der Universität Lübeck in einer Studie festgestellt: Testpersonen wurden dabei im Schlaf Geräusche vorgespielt, die mit dem Rhythmus dieser langsamen Hirnwellen synchronisiert waren. 

Die Wissenschaftler haben damit eine einfache, nicht-invasive Methode gefunden, mit der sich die menschliche Hirnaktivität beeinflussen lässt, um sowohl Schlaf als auch Gedächtnis zu verbessern. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht. 

„Das Schöne daran ist, dass es sehr einfach ist, das Gehirn mit Geräuschen geringer Lautstärke zu stimulieren“, sagt Professor Born. „Dieser Ansatz ist sowohl praktisch als auch ethisch von Vorteil, vor allem im Vergleich mit beispielsweise einer elektrischen Stimulation. Wir haben hier eine unkomplizierte Methode zur klinischen Anwendung gefunden, mit der sich Schlafrhythmen verstärken lassen.“

Born und seine Kollegen testeten elf Personen über mehrere Nächte im Schlaflabor: Die Studienteilnehmer wurden Geräuschstimulationen mit unterschiedlichem Rhythmus ausgesetzt. Waren die Geräusche mit ihren langsamen Hirnstromwellen synchronisiert, konnten sich die Studienteilnehmer am Morgen besser an Wortpaare erinnern, die sie am Abend zuvor gelernt hatten. Nach einer Stimulation hingegen, die nicht in Phase mit dem Rhythmus der langsamen Hirnaktivität war, konnte keine Verbesserung festgestellt werden.

„Es ist wichtig festzuhalten, dass die Stimulation durch Geräusche nur dann effektiv ist, wenn die Geräusche zeitgleich mit den langsamen Hirnstromwellen während des Tiefschlafs auftreten. Wir präsentierten die akustischen Stimuli immer, während die langsame Hirnwelle ihren Höhepunkt erreichte, und konnten so die Schwingung verstärken, was dazu führte, dass die Schwingungsamplitude größer war und länger anhielt“, erklärt Born.

Die Wissenschaftler vermuten, dass dieser Ansatz allgemein zur Verbesserung des Schlafs eingesetzt werden könnte. „Zudem ließen sich so eventuell weitere Rhythmen im Gehirn verstärken, die für Hirnfunktionen wichtig sind, beispielsweise auch solche, die im Wachzustand auftreten und für die Regelung der Aufmerksamkeit zuständig sind“, sagt Born.
Myriam Hönig/idw

Kontakt: 
Prof. Dr. Jan Born
Universität Tübingen, Medizinische Fakultät
Institut für Medizinische Psychologie
Tel.07071 29-88923
jan.born@remove-this.uni-tuebingen.de

Unterstützung für Selbsthilfegruppen


Der Preis ist heiss

Mirja Trautmann

Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen ist auf vielen Ebenen denkbar. So gibt es mittlerweile viele Kontaktstellen, die insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Selbsthilfegruppen stärken wollen. Angesiedelt sind diese Kontaktstellen zumeist bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (also den Zusammenschlüssen der Kassenärzte). Unter bestimmten Voraussetzungen kommt aber auch die finanzielle Förderung durch die gesetzlichen Krankenkassen in Betracht. 

Was ist dabei zu beachten?

Der Gesetzgeber nennt es „Förderung der Selbsthilfe“. Die Regelungen finden sich in § 20 c SGB V. Danach sind die Krankenkassen verpflichtet, Selbsthilfegruppen und -organisationen sowie Selbsthilfekontaktstellen zu fördern. Die Förderung bezieht sich dabei immer auf den Zusammenschluss betroffener Patienten als solchen, zielt also nicht auf den einzelnen Patienten ab. 

Allgemeine Voraussetzungen

Ziel der Selbsthilfegruppe muss zunächst die gesundheitliche Prävention oder Rehabilitation sein. Das ­alleine genügt jedoch noch nicht. Es muss zugleich eine sogenannte förderungsfähige Krankheit vorliegen. Das sind derzeit:

• Herz-Kreislauf-Erkrankungen

• Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems (z. B. rheumatische Erkrankungen, Fibromyalgie, Osteoporose)

• Tumorerkrankungen 

• allergische und asthmatische Erkrankungen

• Erkrankungen der Verdauungsorgane/des Urogenitaltraktes (z. B. Morbus Crohn)

• Lebererkrankungen

• Hauterkrankungen

• Suchtkrankheiten

• Krankheiten des Nervensystems (z. B. multiple Sklerose, Parkinson, Narkolepsie, Alzheimer)

• Hirnschädigungen 

• Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (z. B. Diabetes mellitus, Mukoviszidose, Zöliakie)

• Krankheiten des Blutes/Immunsystems 

• Hör-, Seh- und Sprachbehinderungen 

• infektiöse Krankheiten (z. B. Kinderlähmung)

• psychische Erkrankungen

• angeborene Fehlbildungen 

• chronische Schmerzen

• Organtransplantationen

Aber Achtung: Auch wenn das Gesetz die Krankenkassen grundsätzlich zur Förderung von Selbsthilfegruppen verpflichtet, muss nicht automatisch jede einzelne Selbsthilfegruppe unterstützt werden. Das Fördervolumen ist begrenzt. Die Krankenkassen haben deshalb bei der Vergabe ihrer Fördermittel einen Gestaltungsspielraum. Innerhalb dessen können sie frei entscheiden, in welcher Höhe und auf welche Art Einrichtungen gefördert werden. 

Verteilung der Fördermittel

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung legt nicht nur fest, welche Krankheitsbilder grundsätzlich förderungswürdig sind. Er legt auch die Grundsätze fest, nach denen die Fördermittel von den jeweiligen Krankenkassen zu verteilen sind. Neben der projektbezogenen Förderung gibt es deshalb auch pauschale Zuschüsse. Dabei muss natürlich sichergestellt sein, dass die finanziellen Mittel effektiv und zuverlässig für förderungsfähige Ziele eingesetzt werden. Es handelt sich um Zuschüsse. Somit können niemals die vollen Kosten eines speziellen Projekts oder einer Gruppe aufgefangen werden.

Basis ist demnach der vom GKV-Spitzenverband herausgegebene „Leitfaden zur Selbsthilfeförderung“, der über die Seite www.gkv-spitzenverband.de abgerufen werden kann. 

Elementar ist danach vor allem die neutrale Ausrichtung und Unabhängigkeit der Selbsthilfegruppen von wirtschaftlichen Interessen. Beispielhaft sei auf die Leitlinien der BAG SELBSTHILFE e.V. und des PARITÄTISCHEN GESAMTVERBANDES e. V. hingewiesen. Ebenso unerlässlich ist die Herstellung von Transparenz über die Finanzsituation.

Gegenüber den Krankenkassen sind deshalb die Einnahmequellen wie auch die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen. Des Weiteren erwarten die Krankenkassen die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit unter Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit der Selbsthilfegruppe.

Rechtliche Folgen falscher Angaben

Die Krankenkassen können die ordnungsgemäße Verwendung der Fördermittel prüfen. Bei vorsätzlich falschen oder fehlenden Angaben sind die Krankenkassen berechtigt, die finanziellen Zuwendungen zurückzufordern.

Weitere Anforderungen

Bei örtlichen Selbsthilfegruppen muss außerdem eine verlässliche und kontinuierliche Gruppenarbeit sowie entsprechende Erreichbarkeit sichergestellt sein. Eine förderungswürdige Selbsthilfegruppe muss mindestens sechs Mitglieder haben. Es muss ein Gründungstreffen stattfinden und sowohl die Existenz der Selbsthilfegruppe als auch deren spezifisches Angebot öffentlich bekannt gemacht werden (bspw. bei der örtlichen Selbsthilfekontaktstelle oder in der regionalen Presse). Die Selbsthilfegruppe muss ein gesondertes Konto für ihre Zwecke einrichten. Der Verfügungsberechtigte ist verpflichtet sicherzustellen, dass die Fördermittel nur für die Zwecke der Gruppe verwendet werden. 

Ausgeschlossen ist die Förderung außerdem,

• wenn Leistungen aufgrund anderer Vorschriften im SGB V verlangt werden können. Dies betrifft insbesondere

• Patientenschulungsmaßnahmen, Funktionstraining und ­Re­habilitationssport sowie Nachsorgemaßnahmen gemäß §§ 43 f. SGB V, 37a SGB V

• Therapiegruppen gemäß §§ 27 ff. SGB V (z. B. Psychotherapie, Verhaltens-/Gesprächstherapie, Ergotherapie) 

• primärpräventive Maßnahmen/Präventionskurse (§ 20 SGB V)

Ausgeschlossen ist die Förderung natürlich auch, wenn die Selbsthilfegruppe vorrangig kommerzielle Ziele verfolgt oder zu kommerziellen Zwecken gegründet wurde. Ausgeschlossen ist die Förderung gemäß § 20 c SGB V auch dann, wenn parallel die Förderung nach dem SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) beantragt oder bereits in Anspruch genommen wird. Maßnahmen dürfen nicht doppelt finanziert werden. 

Das Förderverfahren

Es gibt zwei Förderstränge: die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung und die krankenkassenindividuelle Förderung. Durch die Gemeinschaftsförderung soll die grundsätzliche Arbeit der Selbsthilfegruppe als solche unterstützt werden. Es gibt deshalb Zuschüsse für 

• Raumkosten/Miete

• Büroausstattung und Sachkosten 

• Pflege des Internetauftritts

• Mitgliederzeitschriften etc.

Die individuelle Förderung hingegen unterstützt gezielt bestimmte Aktivitäten, die zeitlich klar begrenzt sein müssen. Dabei handelt es sich um Projekte, die über die routinemäßigen Aufgaben der Selbsthilfegruppe hinausgehen. 

Es zeigt sich also: Selbsthilfegruppen sind keineswegs nur auf sich selbst gestellt. Sie können – und zwar unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen der Industrie oder sonstiger Anbieter – auch durch die Krankenkassen gefördert werden. Um die möglichst gerechte Verteilung der zur Verfügung stehenden Gelder sicherzustellen, müssen dafür allerdings strenge Bedingungen erfüllt werden.