Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2013

Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2013


Liebe Leserin, lieber Leser,

vor elf Jahren, als wir mit dem Schlafmagazin begannen, war die Sparte der Schlafmedizin noch ein Kolibri. Was die Wissenschaft in diesem vergangenen Jahrzehnt aber alles an Wissen und Verständnis für die Vorgänge während des Schlafs und seine Bedeutung für unser Leben, unsere Leistungsfähigkeit und unser Wohlbefinden zusammengetragen hat, ist gewaltig. Dies wurde auch durch das Programm des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin vom 17. bis 19. Oktober in Wiesbaden deutlich. Nicht umsonst hatten die Schlafexperten das Motto gewählt: Der Blick zurück und der Weg nach vorn. Unsere Redakteure haben wie immer den Kongress besucht und berichten über die interessantesten Erkenntnisse der Forscher.

Zwei Wochen früher fand der „Thementag Schlaf“ des Schlafmagazins in Filderstadt statt. Die Programmvielfalt – teilweise liefen drei Vortragsprogramme parallel, damit jeder seine ganz persönlichen Interessen bedient finden konnte – spiegelte ebenfalls die große Bedeutung des Schlafs und der Schlafmedizin für unsere Gesellschaft wider. Es sind aber nicht nur die immer tieferen Einblicke in die Architektur des Schlafs und die möglichen Schlafstörungen, die sich auf den ganzen Organismus auswirken, die die Schlafmedizin beherrschen. Inzwischen beschäftigen auch brisante gesundheitspolitische Probleme Schlafmediziner und Betroffene.

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Vor einem Jahrzehnt war die Schlafapnoe noch eine recht exotische Erkrankung. Die Kosten für Diagnostik und Therapie interessierten die Krankenkassen herzlich wenig. Inzwischen hat sich die Schlafapnoe aber zu einer Volkskrankheit entwickelt  – und wird für die Krankenkassen teuer. Ufert ein Krankheitsbild aus, so denken die Kassen ans Sparen. Also hat man das Angebot der Gesundheitspolitik ergriffen, die Versorgung der Schlafapnoe-Patienten auszuschreiben. Dass dies die Versorgungsqualität einschränkt, kann man sich ohne viel Fantasie vorstellen.

Auf unserem „Thementag Schlaf“ haben wir unter der professionellen Moderation von Stefanie Anhalt vom SWR mit verschiedenen Vertretern der Schlafmedizin und Versorgung das brisante Thema diskutiert. Die Zusammenfassung finden Sie im Heft. 

Ebenso berichten wir über psychische Erkrankungen und Schlafstörungen und auch über Nachtmenschen: Neue wissenschaftliche Untersuchungen zeigen nämlich, dass „Nachteulen“ selbstmordgefährdet sind.

Drei Schlafmediziner, einen Vertreter der Selbsthilfe und eine Firma haben wir mit dem „Somnus“ ausgezeichnet. Ursprünglich sollte auch eine Frau aus der Selbsthilfebewegung den Preis erhalten: Anita Ruß von der SHG Schweinfurt. Leider ist sie wenige Wochen zuvor unerwartet und unter noch ungeklärten Umständen im Krankenhaus gestorben. Wir denken sehr oft an sie.

Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre und wie immer
einen erholsamen Schlaf

Ihre
Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 4/2013

Foto: © D. Cervo/adpic.de
Inhalt

6 Spannende Vorträge, brisante Podiumsdiskussionen:
Der Thementag Schlaf

8 Ausschreibungen, Einsparungen, Kostendruck:
Wie geht es weiter mit der Schlafapnoe-Versorgung?

12 Neues zum Restless Legs Syndrom

14 Häufige Fragen zum Thema Eisensubstitution bei RLS

16 Potenzstörungen: Immer noch ein Tabuthema

18 Schlafapnoe: Oft ist die Schienentherapie ideal

19 Preiszeit: Die Somnusverleihung

20 21. Jahrestagung der DGSM: Erschreckende Erkenntnisse –
neue Chancen für die Zukunft

21 Auf dem DGSM-Kongress für Sie entdeckt

22 Unnatürliche Lichtverhältnisse machen uns schlaflos und krank

23 Insomnie – eine „Hyperarousal“-Störung?

24 Vom Stress über Schlafstörungen in die Depression

25 Sage mir, wer du bist und ich sage dir, wie du schläfst!

26 Schlafstörungen: ein Risikofaktor für psychische und körperliche Erkrankungen

30 Nachtmenschen haben ein höheres Selbstmordrisiko

32 Interessantes und Wissenswertes auf einen Blick

34 Schlafapnoe-Therapie auf Sparflamme: Ausschreibung als Testballon?

38 Ist APAP gleich APAP?

40 Schlafrestriktionstherapie – nicht ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen!

40 Smarte Schlafanalyse

42 Mein Wochenende in Kronach

43 Erfahrungsbericht: Eine neue Nasenpolstermaske

44 Mit der passenden Bettdecke die Schlafqualität optimieren

47 Aus der Selbsthilfe

Spannende Vorträge, brisante Podiumsdiskussionen


Der Thementag Schlaf

Werner Waldmann

Die Bedeutung des Schlafs für Gesundheit und Wohlbefinden ist längst wissenschaftlich erwiesen. Rund ein Drittel unseres Lebens verschlafen wir. Doch damit wollen viele Menschen sich heute nicht mehr abfinden. Schlaf halten sie für vergeudete Lebenszeit. Der Beruf frisst einen immer mehr auf; die modernen Kommunikationsmittel fordern einen förmlich dazu heraus, rund um die Uhr verfügbar zu sein. Und damit man nach einem anstrengenden Arbeitstag noch fit für die Freizeit ist, gibt es moderne Muntermacher, Red Bull & Co.
Wir haben uns tatsächlich zu einer schlaflosen Gesellschaft entwickelt. Und zusätzlich zu diesem chronischen Schlafdefizit, dem der moderne Mensch sich kaum entziehen kann, „knabbern“ auch noch verschiedene Erkrankungen an unserem Schlaf, verkürzen ihn, machen ihn fragmentarisch und unerholsam. Krankhaftes Schnarchen reißt viele immer wieder aus dem Schlaf, lässt Blutdruck und Herzfrequenz in die Höhe schießen. Restless Legs und nächtliche Beinbewegungen machen die Nacht zur Qual. Stress und Burn­out führen dazu, dass wir abends gar nicht erst einschlafen oder nachts immer wieder wach werden, zu grübeln anfangen und keine Ruhe finden.

Schlafstörungen von A bis Z
Um diese und andere Probleme ging es beim Thementag Schlaf 2013. Von Schlafapnoe über unruhige Beine bis hin zur Insomnie und Narkolepsie war die ganze breite Palette der Schlafstörungen und schlafbezogenen Erkrankungen in spannenden Vorträgen vertreten. Dr. Susanne Schwarting informierte darüber, für welche Schlafapnoe-Patienten eine Behandlung mit Unterkieferprotrusionsschienen besonders gut geeignet ist. Lilo Habersack berichtete über Innovationen in der Behandlung des Restless Legs Syndroms. Professor Helmut Teschler von der Ruhrlandklinik in Essen sprach über das Thema chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Schlafapnoe: Denn diese beiden Krankheiten treten häufig zusammen auf, verschlimmern sich gegenseitig und verkürzen die Lebenserwartung. In einem spannenden interaktiven Vortrag erklärte Professor Teschler die zwei Krankheitsbilder, sprach über Symptome, Diagnostik und Therapie und schaffte es anhand von Patientenbeispielen sogar, dass die Zuhörer am Ende selber diagnostizieren konnten, ob jemand an Asthma oder an COPD leidet. Sein Sohn Dr. Sebastian Teschler, der in Essen ein Physiotherapie-Zentrum für COPD-Patienten leitet, informierte darüber, wie man diese Erkrankung durch körperliches Training und bestimmte Atemtechniken leichter in den Griff bekommt. Und Boris Thomas von der Bettenfirma Lattoflex erklärte, wie man es schafft, „wie auf Wolken“ zu schlafen.

Keine Angst vor Tabuthemen
Auch die Liebe kam nicht zu kurz: Günther Steinmetz, Gründer der Selbsthilfegruppe „Erektile Dysfunktion“, berichtete, wie man trotz Potenzproblemen ein befriedigendes Sexualleben genießen kann. Denn viele Menschen mit obstruktiver Schlafapnoe leiden unter Erektionsschwierigkeiten; und dieses Thema wird bei Ärzten leider auch heute noch vielfach totgeschwiegen.
Ein weiteres wichtiges Problem, das oft dazu führt, dass Menschen in unserer Gesellschaft sich stigmatisiert fühlen, ist Übergewicht: Viele Schlafapnoiker haben damit zu kämpfen. Aber auch Ein- oder Durchschlafprobleme und Narkolepsie (eine seltene neurologische Schlaf-wach-Störung) können dazu führen, dass man zu viele Pfunde auf die Waage bringt; und dann ist guter Rat teuer, denn was sich innerhalb von Jahren angesammelt hat, wird man so schnell nicht wieder los. In einer spannenden Talkrunde diskutierten ein Diplompsychologe, eine Ernährungswissenschaftlerin und eine Chirurgin über verschiedene Möglichkeiten der Gewichtsreduktion – von der Ernährungsberatung über psychologische Betreuung bis hin zum Skalpell.

Kostenträger: Viele sparen am falschen Ende
Bei vielen Schlafstörungen und schlafbezogenen Erkrankungen handelt es sich um chronische Krankheitsbilder; andere (beispielsweise die Insomnie) neigen zumindest dazu, chronisch zu werden, wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt und behandelt. Und die Therapie chronischer Krankheiten kostet eine Menge Geld. Gerade solche Patienten, die ohnehin schon einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind, stoßen bei ihrer Krankenkasse oft auf taube Ohren, wenn es um die Kostenerstattung für notwendige Behandlungsmaßnahmen geht. Manchmal ist es ein lebenslanger Kleinkrieg gegen die Krankenversicherung, die häufig am längeren Hebel sitzt, weil viele Patienten Angst vor einem Rechtsstreit und den damit verbundenen Kosten haben.
Vor allem bestimmte Krankheitsbilder wie Schlafstörungen und Schmerzen werden von den Kostenträgern häufig nicht ernst genommen; ihnen haftet oft noch das verniedlichende Vorurteil der „Befindlichkeitsstörung“ an, auch wenn sie den Betroffenen das Leben zur Hölle machen können. Vor allem an der Diagnostik und Therapie der Volkskrankheit Schlafapnoe sparen viele Kassen zurzeit auf Teufel komm raus, obwohl längst erwiesen ist, dass man langfristig eine Menge Geld einsparen könnte, wenn man den gefährlichen Folgeschäden und -erkrankungen einer obstruktiven Schlafapnoe vorbeugt. Um diese brisanten Themen ging es in dem Vortrag „Ihr Recht als Patient“ der auf Medizinrecht spezialisierten Anwältin Mirja Trautmann und in einer spannenden, gelegentlich auch kontroversen Talkrunde über die Versorgung von Schlafapnoe-Patienten.

Ausschreibungen, Einsparungen, Kostendruck


Wie geht es weiter mit der Schlafapnoe-Versorgung?

Schlafapnoe zu diagnostizieren und zu behandeln, ist eine sehr wichtige präventive Maßnahme. Sie kostet zwar Geld, spart aber dafür in den kommenden Jahren ein Vermögen. Die Krankenversicherungen bezahlen für die Versorgung eines Schlafapnoe-Patienten eine Jahrespauschale. Diese schließt das Gerät, die Maske und anderes Zubehör, vor allem aber auch eine intensive Beratung und Betreuung des Patienten ein, wenn er Probleme mit seiner Therapie hat. Besonders wichtig ist es, dass Neupatienten in den ersten sechs Wochen ihrer Beatmungstherapie von ihrem Versorgungsunternehmen intensiv betreut werden. Denn die Gefahr ist sehr groß, dass der Patient gerade in der ersten Zeit seiner Therapie Probleme mit Gerät oder Maske bekommt; und wenn Patienten mit diesen Schwierigkeiten allein gelassen werden, nutzen sie ihr Gerät nicht mehr – mit allen gefährlichen Folgeerkrankungen und sonstigen Konsequenzen.

Bislang haben die Kassen mit einzelnen Versorgerfirmen die Jahrespauschale ausgehandelt. Statt zu verhandeln, kann eine Kasse aber auch eine Ausschreibung machen. Der preiswerteste Anbieter bekommt dann den Auftrag für vier Jahre. Die Techniker Krankenkasse hat sich nun als erste Krankenversicherung bundesweit für eine solche Ausschreibung entschieden. Für die Krankenkasse bringt diese Vorgehensweise einen wirtschaftlichen Vorteil. Außerdem ist natürlich auch das Procedere für die Kasse sehr viel einfacher, weil sie dann bundesweit nur noch wenige Vertragspartner hat. Das spart Geld. Die Frage ist, ob auch die Patienten etwas davon haben – oder ob ihre Versorgung darunter leiden könnte. Darüber wurde in der Talkrunde „Versorgung der Schlafapnoe-Patienten“ bei unserem Thementag Schlaf hitzig diskutiert. An der Diskussion nahmen Schlafmediziner, Krankenkassenvertreter und Vertreter von CPAP-Firmen teil.


Ihnen allen geht es um das Wohl der Patienten; aber wie das zu erreichen ist, sieht jeder aus einem anderen Blickwinkel. Die Techniker Krankenkasse hat mit ihrer Ausschreibung eine sehr geringe Versorgungspauschale für Schlafapnoe-Patienten durchgesetzt und damit auch eine Messlatte für die Kosten festgelegt. Herr Woehrle, Sie vertreten mit der Firma ResMed ein Unternehmen, das kein Los gewonnen hat …

H. Woehrle: Das Gute an unserem deutschen System ist, dass wir aus meiner Sicht bisher weltweit die beste schlafmedizinische Versorgung hatten. Aber die Schlafapnoe hat sich in den letzten 20, 30 Jahren zu einer echten Volkskrankheit entwickelt. Das bringt natürlich Änderungen in der medizinischen Behandlung und Heimversorgung dieser Patienten mit sich – und auch in der Wirtschaftlichkeit.
Meiner Meinung nach ist es ein grundsätzlicher Fehler in dieser Diskussion, dass wir die Geräteversorgung und den Heimservice, den diese Patienten brauchen, immer in einen Topf geworfen haben. Wenn von einem Produkt statt 10 000 Exemplaren 100 000 verkauft werden, bringt das logischerweise eine gewisse Preisreduktion mit sich, weil sich die Geräte dann wirtschaftlicher herstellen lassen. Aber es wird nicht günstiger, die Patienten zu versorgen. Wir haben sicherlich eine Preisreduktion bei den CPAP-Geräten zu verzeichnen: Noch vor 15, 20 Jahren hat ein Gerät 4000 oder 5000 DM gekostet; heutzutage kann man das billiger produzieren. Aber der Service, den wir für diese ja auch immer älter werdenden Patienten brauchen, ist nicht günstiger geworden.
Zweitens sollte die Ergebnisqualität aus meiner Sicht messbar und transparent gemacht werden. Wir alle haben ein Ziel: den gut versorgten Patienten, der mit seiner Maskentherapie zurechtkommt. Das wünscht sich die Krankenkasse, das möchte der Arzt sicherstellen, und das will auch der Patient. Und wenn diese Ergebnisqualität messbar und transparent ist, dann können wir auch feststellen, ob eine Veränderung wie diese Ausschreibung zu einer Verschlechterung, einer Verbesserung oder einem Gleichbleiben des Systems führt.

Das heißt, Sie verurteilen Ausschreibungen nicht grundsätzlich, sondern sagen: Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Herr Dr. Brandenburg, Sie haben das niedrigste Angebot abgegeben und damit diese Ausschreibung gewonnen. Sie ernten damit nicht nur Lob; Ärzte, Patientenvertreter und Mitbewerber fragen sich: Das ist ja Preisdumping, wie kann so etwas funktionieren? Verschenken können Sie auch nichts; Sie müssen ja auch Geld verdienen. Wie machen Sie das, ohne dass die Versorgung der Patienten darunter leidet?

Dr. Brandenburg: Um die erste Frage ganz klar zu beantworten: Man verdient am Ende dieses Versorgungszeitraums lediglich einen marginalen Betrag. Sie haben aber auch noch eine zweite Frage gestellt, nämlich die Frage nach der Kritik, die uns von manchen Leuten entgegengebracht wird; und da möchte ich mal für alle Leistungsanbieter sprechen: In dem Augenblick, wo eine Kasse sich für das Versorgungsmodell einer Ausschreibung entscheidet, sind alle beteiligten Firmen Getriebene. Sie haben nur noch die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Entweder sie geben eine Region mit allen Patienten, die sie bisher dort versorgt haben, auf; oder sie sagen sich: Wir müssen das mitgestalten, und geben ein möglichst attraktives Angebot ab. Preisabsprachen oder überhaupt ein Informationsaustausch zwischen den Firmen sind bei Ausschreibungen nicht erlaubt; das ist ein strafrechtlicher Tatbestand.
Alle Firmen stürzen sich also auf die Ausschreibung, obwohl keiner begeistert davon ist; und dann beginnt ein gewisser Poker. Oft unterscheiden sich die Preisangebote am Ende nur um drei bis vier Euro pro Jahr; es ist also mehr oder weniger eine Glücksfrage, ob eine Firma den Zuschlag bekommt oder nicht – mal gewinnt man, mal verliert man. Wenn man zum Beispiel im Ausschreibungsgebiet zufälligerweise eine sehr starke Infrastruktur hat, kann man besser anbieten, allerdings auch zum Preis einer Einschränkung des Produktportfolios; wenn man das nicht möchte, bietet man etwas höher an. Aber wir haben da als Unternehmen gar keine Gestaltungsmöglichkeit; der Vertrag wird ausschließlich von der Krankenkasse bestimmt.

Ich denke, die Hauptsorge der Patienten dreht sich um die Versorgungsqualität. Sie fragen sich: Was für Auswirkungen hat diese Umstellung auf mich?

Dr. Wiater: Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Was hier läuft, ist ein wissenschaftliches Experiment zu Lasten der Patienten – kein Mensch weiß, wie das ausgeht. Ich habe bisher noch von niemandem – auch nicht von Krankenkassenseite – ein Angebot bekommen, dieses Vorhaben durch eine Forschung zu begleiten, die den Ausgang dieser Umstellung wertet. Das halte ich für ein großes Versäumnis; hier besteht dringend Handlungsbedarf, um sicherzustellen, dass die Patientenversorgung sich durch diese Maßnahmen nicht verschlechtert.
Bei dem, was an technischen Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt wird, kann man sicherlich auf den Preis schauen: Was sind die günstigsten Geräte, wer ist der günstigste Anbieter? Man muss aber auch den medizinischen Anforderungen an die Geräte (und natürlich auch den persönlichen Anforderungen der Patienten) gerecht werden. Herr Brandenburg sagte das so in einem Nebensatz: Dann muss man eventuell das Produktportfolio, also die Palette der angebotenen Geräte einschränken. Aber damit kommen wir nicht weiter. Schließlich müssen die Geräte weiterentwickelt werden; und um das leisten zu können, benötigt die Industrie auch eine gewisse finanzielle Reserve. Außerdem brauchen wir einen persönlichen Support – vor allem, um die Compliance sicherzustellen, die wichtig ist, damit die Patienten die Therapie ausreichend lange und intensiv durchführen. Wir von der DGSM haben als Reaktion auf diese Ausschreibung zunächst einmal ein Positionspapier konzipiert, das auch von der deutschen Gesellschaft für Pneumologie mit abgestimmt wird. In diesem Positionspapier werden die Voraussetzungen dafür festgelegt, was in diesem Zusammenhang medizinisch überhaupt vertretbar ist; und daran muss sich alles Weitere messen lassen.

Herr Dr. Trötschler, Sie als Schlafmediziner vertreten ja auch die Position, dass eine angemessene Betreuung der Patienten wichtig ist: Man kann nicht einfach nur die Geräte austauschen; da gehört auch eine intensive Betreuung mit dazu.

Dr. Trötschler: Ich möchte die Diskussion schon auf den Menschen als Betroffenen fokussieren. Ich bin mittlerweile seit 20 Jahren in der Schlafmedizin und arbeite seit elf Jahren in eigener Praxis mit einem ambulanten Schlaflabor. Pro Jahr sehe ich mehr als 1000 Schlafapnoe-Patienten mit unterschiedlichen Schweregraden; nicht jeder braucht sofort eine Maske und ein CPAP-Gerät. Aber bei den Patienten, von denen wir meinen, dass sie entweder aufgrund ihrer Symptomatik oder aus präventiven Gründen von einer Maskentherapie profitieren würden, ist die Compliance eben leider nicht immer die beste. Deshalb haben wir schon im Jahr 2006 angefangen, die Daten aus unserem eigenen Schlaflabor in Freiburg mal zu untersuchen, und festgestellt, dass 15 % unserer Patienten – obwohl sie zuvor mit mir als Schlafmediziner Kontakt hatten – im Schlaflabor die Maske schon von vornherein nicht akzeptieren wollten. Im weiteren Verlauf haben unsere Untersuchungen dann gezeigt, dass 40 % der Patienten trotz unserer Interventionen letztlich im Laufe eines Jahres die Therapie abbrechen – aus welchen Gründen auch immer.
Es gibt unterschiedliche Patiententypen. Wir können nicht einfach nur sagen, dieser Patient hat einen so oder so hohen Apnoe-Hypopnoe-Index; es kommt auch auf seinen Leidensdruck, seine Begleiterkrankungen an, und natürlich kommen auch viele psychologische Faktoren dazu – Einstellung, Motivation und so weiter. Deshalb meine ich, dass solche Patienten schon im Vorfeld der Versorgung qualifizierte Informationen benötigen. Diese Information kann nicht jedermann bieten; dazu braucht man Ärzte mit entsprechender Erfahrung. Und selbst dann ist es nicht einfach: In meinem Schlaflabor gehen 50–80 % meiner durch Gespräche aufgeklärten Patienten nach Hause, und wenn sie die Praxis verlassen haben, wissen sie nicht mehr, was ich gesagt habe. Je kränker ein Schlafapnoe-Patient ist, umso ausgeprägter ist dieses Phänomen. Wir geben unseren Patienten zwar auch Infomappen mit; doch die werden zu 80 % nicht gelesen.
Deshalb sind wir irgendwann auf die Idee gekommen, die Patienten über ein Schulungskonzept zusätzlich zu informieren; und wir haben festgestellt, dass wir viele der Patienten, die ins Schlaflabor müssen, dazu motivieren können, unter Leistung eines finanziellen Eigenanteils diesen Samstagskurs zu besuchen. Wir veranstalten jeden Monat ein Seminar für Betroffene, Angehörige und Interessierte und haben tatsächlich immer einen ganzen Hörsaal voll, von 50 Personen aufwärts – und das ist erstaunlich. Inzwischen haben wir diese Ergebnisse noch mal untersucht und konnten nachweisen, dass sich bei diesen Teilnehmern eine Effizienzsteigerung der CPAP-Nutzung von 25 % erreichen ließ, was die Stunden pro Nacht und die Nutzungstage betrifft. Das sind unsere ersten Ergebnisse, die wir aber schon im dritten und vierten Jahr weiterschreiben.
Ich wünsche mir, dass wir in dieser Richtung weiterkommen; aber dazu brauchen wir Unterstützung. Eine Akzeptanzverbesserung der CPAP-Therapie ist nur möglich, wenn die Krankenkassen sich überlegen, wie man in neue Versorgungsmodelle Schulungskonzepte einbauen könnte, die bereits im Vorfeld oder parallel zur Versorgung des Patienten im Schlaflabor angeboten werden. Darüber gibt es leider keine Gespräche; in dieser Richtung sollte man weiterarbeiten.

Herr Dr. Oldenburg, bei Ihnen landen wirklich die ganz schweren Fälle, die gleichzeitig auch noch an Herzerkrankungen leiden. Wie sehen Sie diese Problematik?

Dr. Oldenburg: Wir haben ganz andere Patienten mit schweren Begleiterkrankungen – was den Zugang zum Patienten vielleicht noch ein bisschen schwieriger macht. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, Versorgungsstrukturen zu ändern, und ich habe auch nichts gegen Ausschreibungen. Aber man hätte (und darin sind wir uns, glaube ich, alle einig) diesen Umbruch schon ein bisschen wissenschaftlich begleiten und dabei auch die Begleiterkrankungen der Patienten berücksichtigen können. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ich einen 50-jährigen, etwas übergewichtigen Bluthochdruck-Patienten habe, der an einer schweren obstruktiven Schlafapnoe leidet, oder ob ich es mit einem 75-jährigen, schwer herzinsuffizienten Patienten zu tun habe, der nebenbei auch noch eine schlafbezogene Atemstörung hat. Da müsste man nun untersuchen, ob die Umstellung der Versorgung Auswirkungen auf das Endergebnis hat. Nicht nur auf die Compliance, sondern auch auf die Frage, ob wir dadurch das Überleben verbessern oder verschlechtern und wie die Lebensqualität der Patienten ist. Das ist mein Appell: Wenn man noch einmal solche großzügigen Änderungen im System vornimmt, sollte man sich vielleicht zwei Jahre vorher Zeit nehmen und den Stand der Dinge analysieren, um dann in den nächsten beiden Jahren die Ergebnisse zu verfolgen.
Von den Patienten in unserem Zentrum – und das erschreckt jetzt wahrscheinlich die Krankenkassen – haben 50 % irgendeine Form von schlafbezogenen Atmungsstörungen. Da wird also in Zukunft noch eine große Menge an Patienten auf uns zukommen, sodass wir gezwungen sind, Strukturen zu ändern; und da müssen wir uns dann auch darüber unterhalten, wer denn letztlich der Ansprechpartner für die Patienten ist. Auch dabei kommt es darauf an, wie krank dieser Mensch ist – welche Begleiterkrankungen er hat. Genügt ein Homecare-Provider als Ansprechpartner, oder handelt es sich um einen schwer herzkranken Patienten, der zur Nachsorge zum Arzt kommt? Diese Versorgungspfade muss man an den Menschen adaptieren, der dahintersteht.

Es kommen also immer mehr Patienten, die Sie versorgen müssen, teilweise auch mit schweren Begleiterkrankungen. Da ist man natürlich gezwungen, sich etwas einfallen zu lassen, und es ist ja gut, wenn alle an einem Strang ziehen – nur, wie soll es jetzt weitergehen? Herr Woehrle, wo liegt denn Ihr Hauptproblem? Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?

H. Woehrle: Die Krankenkassen können die Versorgung ja bereits messen. Sie haben schon vor Jahren die Regelung eingeführt, dass sie die Therapie nur bezahlen, wenn der Patient das Gerät auch benutzt; und das macht ja auch Sinn, denn nur dann ist die Behandlung auch wirtschaftlich, und der Patient hat einen Nutzen davon. Deshalb gab es schon vor vielen Jahren Verträge, auch gerade in Baden-Württemberg, in denen es hieß: Wenn der Patient das Gerät ein Jahr lang benutzt, dann wird der Vertrag wieder verlängert, und er bekommt das erneut von der Krankenkasse bezahlt. Das heißt, viele Krankenversicherer haben im Moment schon Compliance-Daten; die sind aber von keiner Kasse jemals veröffentlicht worden. Die Mediziner kennen diese Daten nicht; und wir Schlaflabor-Mitarbeiter haben sie auch nicht, weil wir die Patienten nicht routinemäßig sehen – sie werden uns ja nur bei Problemen wieder zugewiesen. Nach fast 20 Jahren Schlafmedizin in unserem Schlaflabor haben wir einen Stamm von zirka 15 000 Patienten; die können wir gar nicht jedes Jahr sehen. Die Einzigen, die diese Daten momentan haben, sind also die Krankenkassen; und die könnten sie aus meiner Sicht auch publizieren. Das würde mal erhellen, wo wir im Moment stehen, und man würde auch sehen: Was machen die verschiedenen Servicemodelle für Unterschiede? Da hat Dr. Oldenburg völlig Recht: Wir entwickeln uns weiter; aber wir müssen auch sehen, ob diese Entwicklung etwas an der Ergebnisqualität verändert.

D. Kress: Ich finde es gut, dass die Krankenkassen miteinander im Wettbewerb stehen; aber ich möchte einen Wettbewerb um eine bessere Versorgung. Es muss ein Qualitätswettbewerb sein! Wir haben im Gesundheitswesen – nicht nur in der Schlafmedizin – leider Gottes ein sehr sektorales Denken. Das gilt nicht nur für die Finanzierung, sondern im Grunde genommen für das gesamte Gesundheitswesen. Da ist die AOK Baden-Württemberg wirklich einen eigenen Weg gegangen: Hausarztverträge und – daran angegliedert – weitere Facharztverträge, vom Psychotherapeuten bis hin zum Kardiologen, Orthopäden und so weiter. Das ist ganz wichtig: Wir müssen weg von diesem sektoralen Denken, hin zum ganzheitlichen Denken.
Mir ist heute deutlich geworden, dass wir etwas ganz anderes brauchen: nicht den Einstieg über ein Gerät, sondern wir brauchen Behandlungspfade. Lassen Sie uns doch gemeinsam Behandlungspfade entwickeln, bei denen der Kardiologe, möglicherweise auch der Psychotherapeut mit in den Prozess eingegliedert wird. Das wäre für mich der Einstieg: Behandlungspfade zu definieren, und irgendwo am Schluss der Kette steht dann die Versorgung mit dem Gerät; aber vorher muss erst einmal das grundlegende Procedere festgelegt werden. Da könnten wir in Baden-Württemberg vielleicht mit Ihnen ins Gespräch kommen, wenn den Patienten das etwas nützt. Eine bessere Versorgung ist für mich immer auch eine kostengünstigere Versorgung; denn es nützt wenig, wenn jemand ein CPAP-Gerät hat, und es liegt in der Ecke oder wird nicht richtig genutzt.

Dr. Brandenburg: Ich möchte zunächst mal bestätigen, was Herr Woehrle gesagt hat. Ich glaube schon, dass wir – zusammen mit wenigen anderen Ländern – bisher im Bereich Schlafapnoe-Therapie im internationalen Vergleich das beste Versorgungssystem hatten; das zeigen alle Compliancedaten. Dann möchte ich die Forderung von Herrn Dr. Wiater aufgreifen: Eine solche Umstellung einer Versorgungslandschaft ist ein gewaltiges Experiment. Und es ist völlig richtig: Dazu braucht man eine Versorgungsforschung, und die muss von neutraler Stelle erfolgen. Dafür sind die Fachgesellschaften prädestiniert. Ich weiß, dass Sie sich intensiv mit dieser Frage beschäftigen, und wir sind sehr gespannt darauf, was in dem Positionspapier stehen wird – vielleicht wird daraus ja auch eine Leitlinie.
Wir können hier nur ein paar Denkanstöße geben: Die Versorgung hat einen sehr hohen Dienstleistungsanteil, der umso höher wird, je kränker jemand ist; das Gerät wird – das sage ich jetzt mal als Unternehmen – in dieser Hinsicht überbewertet. Das heißt erstens: Je kränker ein Mensch ist, umso weniger passt er ins Raster einer Ausschreibung. Zweitens ist es ein Problem, Geräte umzuversorgen: Je intelligenter die Geräte sind, umso mehr Probleme haben wir danach, wieder eine gleichwertige Therapie herzustellen. Ich weiß, dass die Fachgesellschaft sich mit diesem Thema beschäftigt, und das ist dringend nötig, weil daran auch rechtliche Fragen hängen. Was passiert denn einem Versorger wie uns, der so etwas macht, und hinterher geht es dem Patienten nicht gut?
Der letzte Punkt: Täuschen Sie sich nicht darüber, wie viele versteckte Kosten eine Ausschreibung hat; darüber wird keiner gerne sprechen. Wir haben so viele medizinische Probleme in diesen Ausschreibungen, die wir ja in Einzelfallentscheidungen immer wieder mit den Krankenkassen durchkauen müssen, und da kommen die Kassen uns auch entgegen.

Sie haben die Ausschreibung gewonnen. Sehen Sie dieses Versorgungsmodell denn nun als Zukunft, oder meinen Sie, da gibt es durchaus auch ein paar Punkte, die man noch beachten muss?

Dr. Brandenburg: Das können wir nicht beurteilen; wir sind ja nur die Leistungserbringer. Fachgesellschaften, aber auch Krankenkassen und Patientenverbände müssen dieses Versorgungssystem werten.

H. Woehrle: Ich habe noch eine Anmerkung zu den Kosten. Natürlich müssen wir heutzutage im Gesundheitssystem nach den Kosten schauen; aber das Problem im deutschen System ist, dass wir dieses Silodenken haben: Wir haben Medizintechnik, wir haben ambulante Kosten, und wir haben Krankenhauskosten. Man weiß aus Untersuchungen, dass eine erfolgreich durchgeführte CPAP-Therapie die Gesundheitskosten senkt. Folgekosten, vor allem für Herz-Kreislauf-Krankheiten, eventuell auch für metabolische Erkrankungen sinken dadurch; aber das wird nicht in den Kontext gesetzt. Es wird nur die Therapie und deren Wertigkeit angeschaut, nicht mal die Wertigkeit des Service. Diese Therapie hat ein hohes Potenzial, andere Kosten zu senken; diese eingesparten Kosten werden aber nicht dagegen aufgerechnet, weil die in einem anderen Silo stecken.

Dr. Wiater: Ich möchte das Thema Folgekosten noch einmal aufgreifen. Es gibt eine aktuelle Studie aus Skandinavien, die das sehr gut aufgearbeitet hat. Die Folgekosten einer obstruktiven Schlafapnoe sind immens, nicht nur, was die gesundheitlichen Probleme des einzelnen Patienten angeht, sondern auch im Hinblick auf Arbeitsausfälle, Arbeitsunfähigkeit und Berentung.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Thematik in unserer Gesellschaft noch nicht angekommen ist. Dagegen ist das, was wir für eine Schlaflaboruntersuchung an Kosten berechnen dürfen, minimal; das steht in keinem Verhältnis zu dem, was wir an Kosten einsparen können, wenn der Patient rechtzeitig eine adäquate Behandlung erhält. Auch unsere Schlaflaborkosten liegen im internationalen Vergleich sehr im Mittelfeld; die Kosten, die in anderen Ländern – sei es in den USA, teilweise auch in skandinavischen Ländern oder in der Schweiz – berechnet werden, sind manchmal mehr als doppelt so hoch wie das, was wir berechnen. Ich denke, wir leisten schon eine sehr gute und auch kostenbewusste Arbeit, möchten aber, dass das von allen Beteiligten einmal so erkannt wird und sich daraus auch Konsequenzen für die Versorgung der Patienten ergeben.

H. Woehrle: Genau. Wir investieren in den Patienten ja Zeit, Geld und auch Medizintechnik. Und mit jedem Jahr, die der Patient die Therapie durchführt, bringt sie sozusagen Zinsen für das Gesundheitssystem; denn je länger er das erfolgreich macht, umso effektiver ist es für seine Gesundheit. Aber auch die Investition trägt sich immer mehr zum Positiven. Das heißt, wenn wir an der Versorgung sparen, wird die Wirtschaftlichkeit der Therapie – und vor allem auch die Gesundheit der Patienten – langfristig schlechter. Deshalb müssen wir dringend sektorenübergreifend denken und nicht nur allein das Medizinprodukt sehen.

Herr Dr. Oldenburg, was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dr. Oldenburg: Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie die Nachsorge unserer schwerkranken Patienten aussieht. Wir müssen uns Gedanken über eine Rückkoppelung zum behandelnden Arzt machen; das kann in unserem Fall der Hausarzt oder der behandelnde Kardiologe sein. Denn natürlich möchte der behandelnde Arzt auch eine Rückmeldung bekommen, wie es dem Patienten geht, ob er compliant ist oder ob man da etwas tun muss. Ich bin kein Verfechter irgendwelcher telemedizinischer Ansätze; ich möchte nicht, dass bei mir am Tag 150 E-Mails auflaufen, die mir sagen: Der Patient hat sein Gerät heute nur drei Stunden lang benutzt; sondern ich wünsche mir eine sinnvolle Rückkoppelung über das, was mit meinen Patienten draußen passiert.

Herr Dr. Brandenburg, haben Sie noch einen Wunsch?

Dr. Brandenburg: Ich wünsche mir eine Bewertung dieses Versorgungsmodells; und die muss zügig erfolgen, weil es zirka 15 % der Patienten in Deutschland betrifft. Wir von der Industrie können das nicht tun; das können nur die Fachgesellschaften und die Ärzte leisten. Ich glaube, wir haben durch die TK-Ausschreibung das ganze Nachsorgekonzept neu in den Fokus bekommen, und dabei kann ja auch für die anderen Patienten etwas sehr Schönes herauskommen.
Dr. Wiater: Ich möchte noch einen ganz anderen Wunsch äußern. Für uns als Fachgesellschaf ist es wichtig, nicht nur bei den Kassen und der Industrie feste Ansprechpartner zu haben, sondern auch bei den Patientenvertretern. Für mich als Vorsitzendem der DGSM wäre es eine große Hilfe, pro Krankheitsbild einen Bundesvorstand zu haben, mit dem ich kommunizieren kann.
 

Preiszeit


Die Somnusverleihung

Auch in diesem Jahr wurde beim „Thementag Schlaf“ der Preis des Schlafmagazins an Persönlichkeiten verliehen, die sich besonders darum verdient gemacht haben, dass unsere Mitmenschen wieder besser schlafen können.

Drei Schlafmediziner wurden diesmal mit dem „Somnus“ geehrt: Diplom-Psychologin Sabine Eller, die das Schlaflabor der Klinik Schillerhöhe leitet und die vorwiegend unter Schlafapnoe leidenden Patienten mit großem Einfühlungsvermögen betreut. Außerdem engagiert sie sich in spannenden Vorträgen dafür, die verschiedenen Krankheitsbilder der Schlafprobleme und schlafbezogenen Atemstörungen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und Verständnis dafür zu wecken.

Der Internist und Somnologe Holger Woehrle leitet ein Schaflabor in Blaubeuren und ist Medizinischer Direktor für Europa der Firma ResMed, die u. a. Therapiesysteme für Menschen mit schlafbezogenen Atmungsstörungen entwickelt, herstellt und vertreibt. Zurzeit leitet Woehrle eine weltweite Studie (SERVE-HF Studie), die zeigen soll, ob ein spezielles Beatmungssystem die Überlebensrate und den Behandlungserfolg von Herzinsuffizienz-Patienten mit zentraler Schlafapnoe verbessern kann.

PD Dr. Olaf Oldenburg leitet am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen ein kardiologisches Schlaflabor. Dort werden Patienten betreut, die nicht nur an schlafbezogenen Atemstörungen, sondern gleichzeitig auch an schweren Herzerkrankungen leiden – eine Arbeit, die besondere Kompetenz und großes Fingerspitzengefühl erfordert.

Im Bereich der Industrie wurde diesmal ein Hersteller von CPAP-Therapiesystemen und Beatmungsgeräten für COPD-Patienten ausgezeichnet: die Firma FLO Medizintechnik aus Melle in Niedersachsen, die sich – getreu ihrem Slogan „Besser schlafen – besser leben“ – immer wieder etwas Besonderes für die Patienten einfallen lässt: z. B. Luftfilter, die auch Feinstäube auffangen, oder ein Sprachmodul, das blinden und sehbehinderten CPAP-Nutzern alles erzählt, was sie über ihr Gerät wissen müssen. Zur Preisverleihung kamen Falko Menzel, Experte für Beatmungstherapie bei FLO, und Gerhard Schumacher, Mitbegründer der Firma Rumeditec, die mittlerweile in FLO umbenannt wurde.

Aus dem Bereich der Selbsthilfe wurde ein Mann ausgezeichnet, der sich mit besonderer Leidenschaft und Begeisterung für Schlafapnoe-Betroffene einsetzt: Klaus-Dieter Sippel, Leiter der Selbsthilfegruppe „Markgräflerland“ Schlafapnoe/Atemstillstand. Er weiß, dass Schlafapnoiker zu Experten ihrer eigenen Erkrankung werden müssen, und hilft ihnen dabei: „Klaus-Dieter Sippel organisiert nicht nur Gruppenabende mit Vorträgen; er berät die Betroffenen auch einzeln“, betonte Werner Waldmann, Mitherausgeber des „Schlafmagazins“, der die Preise verlieh. „Aber er hat Probleme damit, Mitstreiter zu finden – ein altes und immer dringlicheres Problem in der Selbsthilfe: Man will sich helfen lassen, ist aber kaum bereit, selbst Mühe auf sich zu nehmen und anderen beizustehen.“ Ein Schicksal, das Klaus-Dieter Sippel mit vielen anderen Selbsthilfegruppenleitern teilt und das man wahrscheinlich nur mit Altruismus, Humor und Gelassenheit verkraften kann.

Auf dem DGSM-Kongress für Sie entdeckt

Weinmann bietet mit der JOYCEone eine neuartige Maske an. Eine Maske ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass der Patient seine Therapie akzeptiert. Das Raffinierte an dieser neuen Maske ist, dass sie nur noch in einer Größe angeboten wird, und sie passt auf fast jedes Gesicht! Bisher war die Maskenanpassung ja ein oft aufwändiger Prozess, mussten doch zahlreiche verschiedene Masken getestet werden. Die Anpassung der JOYCEone läuft in Sekunden ab: Die Maske wird aufgesetzt und schon passt sie sich dem Gesicht an.
Weinmann hat aus der jahrelangen Arbeit an seinen Masken gelernt. Für die JOYCEone wurde ein einschichtiger Maskenwulst entwickelt, der unabhängig von Nasenform und Nasengröße die ideale Passform findet. Ebenso passt sich das flexible Federprinzip der Stirnstütze den Eigenheiten des Gesichtes an und liegt stabil und bequem auf der Stirn.
Patienten werden auch die intuitive Handhabung der Maske schätzen, bei der man nicht mehr lange herumrätseln muss, welches Maskenteil wo hineingesteckt werden muss. Auf- und absetzen lässt sich die Maske mit einer Handbewegung. Damit man garantiert nichts verwechselt, sind Kopfbänderung und Bänderungsclips mit Farben markiert.
Das Kugelgelenk der Maske ermöglicht es dem Betroffenen, sich in alle Richtungen zu bewegen. Und nicht nur der Patient selbst, vor allem auch sein Bettpartner wird das leise Ausatemsystem zu schätzen wissen.
Übrigens können Sie bei Weinmann einen Film auf DVD anfordern, in dem der Umgang mit der Maske demonstriert wird. (info@weinmann.de)


SEFAM, der französischer Hersteller, der 1985 eines der ersten CPAP-Geräte – einen 25 kg schweren Boliden im Ausmaß eines opulenten Nachttischs – auf den Markt brachte und dann den deutschen Herstellern das Feld überließ, tauchte im vergangenen Jahr wieder auf dem deutschen Markt auf. Damals auf dem DGSM-Kongress in Mannheim wollte man mit uns noch nicht über die neuen Produkte sprechen, wohl weil man noch keine Hilfsmittelnummer hatte. Dieses Jahr wurde eine ganze Reihe von Geräten unter dem Namen DreamStar als CPAP, AutoCPAP, BiLevel und BiLevel ST präsentiert, ebenso ein umfangreiches Maskenportfolio. Wir werden uns schlau machen und im nächsten Jahr darüber berichten.


Die TNI medical AG, 2007 gegründet, engagiert sich im Bereich der Atmungsunterstützung. Mit der neu eingeführten TNI®-Atmungsunterstützung versucht das Unternehmen den Patientenkomfort durch Vereinfachung der Anwendung zu erhöhen. TNI hat sich auf die nasale Insufflation bei schlafbezogenen Atemstörungen spezialisiert: Der Patient trägt keine Maske mehr, sondern das Gerät bläst ihm einen warmen, befeuchteten Raumluftstrom von 5 bis 20 Liter pro Minute über einen Applikator in die Nase. Die Nase bleibt dabei offen, wird also nicht verschlossen – einfaches Ein- und Ausatmen ist möglich. Die Therapie entspricht einem CPAP-Druck bis zu 8 mbar.
Einen neuen Weg schlägt TNI mit seinem Schlafpositionstrainer ein, mit dem der Patient lernt, die Rückenlage und die dabei auftretenden Apnoen zu verhindern. Das Gerät arbeitet mit einem aktiven Lagesensor, der fortlaufend die Schlafposition ermittelt und den Patienten bei Rückenlage mit leichten Vibrationen dazu bringt, sich in eine andere Position zu drehen. Auf diese Weise, so verspricht TNI, lernt der Anwender allmählich, nicht mehr auf dem Rücken zu schlafen. Auch dieses Gerät wollen wir testen und ausführlich darüber berichten.


Philips Respironics wartete in Sachen CPAP mit neuer Technologie im vertrauten Gehäuse auf: dem BiPaP A40. Im Modus AVAPS-AE überwacht das Gerät den Widerstand der oberen Atemwege und passt seine Regelung so den Bedürfnissen des Patienten an, dass die Atemwege offen bleiben. Das ist ein für den Laien komplizierter Prozess, aber auch darüber werden wir ausführlich berichten.
An Maskenneuheiten fällt die TrueBlue-Maske auf, die ein hervorragendes Gelmaterial mit der bewährten Auto-Seal-Technologie kombiniert, welche die individuelle Maskenanpassung sehr vereinfacht. Als angenehm wird die Stirnstütze empfunden, die keine Druckstellen hinterlässt. Offenbar schätzen besonders Bartträger die Maske, weil sie sich gut dicht anlegen lässt, auch wenn man auf der Seite schläft.


ResMed hat eine verbesserte Version des berühmten Schlafapnoe-Screeners ApneaLink zu Beginn des kommenden Jahres angekündigt.


Apex fiel uns als neuer Hersteller auf, der aus Taiwan kommt und mit seinen CPAP-Geräten der iCH-Serie nun wohl den deutschen Markt erobern möchte. Die Geräte fallen auf den ersten Blick durch ihre ungewohnte Kuppelform auf.

Aus der Selbsthilfe


Großer Patientenkongress in Bayern

Aus Bayern ist von einem bemerkenswerten Ereignis zu berichten: dem 3. Bayerischen Patientenkongress für Schlafapnoe und Schlafstörungen in Ingolstadt-Zuchering am 26. Oktober.
Landesverbandschef Rolf Müller war es gelungen, mit Prof. Pollmächer (über Schlaf und Diabetes), Dr. Sauer (über Schlafapnoe und Narkose) und Dr. Freudenberg (über die Problematik, wie das mit dem Therapiegerät im Krankenhaus in der Praxis funktioniert) aktuelle Themen und hochkarätige Referenten ins Programm zu nehmen. Geradezu sensationell war der letzte Vortrag eines jungen Allgemeinmediziners, Dr. Jonas aus Olching, der als Hausarzt seine Patienten auf Schlafapnoe screent und sie auch nach der Untersuchung im Schlaflabor weiterhin engagiert betreut. Das Bemerkenswerte daran: Dr. Jonas bekommt diese zusätzliche Leistung von den Kassen nicht bezahlt, aber er macht das dennoch. Wir haben hier einen Arzt kennengelernt, der noch so richtig „altmodisch“ mit großer ärztlicher Leidenschaft für seine Patienten da ist. Über ihn werden wir im nächsten Heft eine Reportage bringen.


Selbsthilfegruppe Balingen verabschiedet Wolfgang Kraft
Das jüngste Treffen der Selbsthilfegruppe Balingen verlief ganz anders als gewohnt. Wolfgang Kraft, der die Gruppe seit vielen Jahren leitete, ahnte nicht, dass es eine richtig große Feier werden sollte. Kraft verabschiedete sich an diesem Abend.


Selbsthilfe braucht neue Ideen
Helmut Dendl aus Landshut hatte einen wirklich guten Einfall, den er auch gleich umsetzte: Für das Schaufenster seiner Apotheke bastelte er ein Plakat, das auf die Krankheitsbilder der Schlafapnoe und des Restless Legs Syndroms hinweist und auch über die Untersuchung im Schlaflabor und die Therapie informiert. Eine exzellente Idee, die so manche Selbsthilfegruppe gemeinsam mit ihrem Apotheker umsetzen könnte. Den freilich gilt es zu überzeugen. Denn wenn man so etwas im Schaufenster platziert, garantiert das mehr Aufmerksamkeit, als bei einer Veranstaltung einen Tisch mit Flyern hinzustellen. Was im Apothekenschaufenster steht, weckt bei vielen Leuten Interesse.


Wanderausstellung Schlafapnoe
Noch professioneller ging Reinhard Wagner vom Arbeitskreis Schlafapnoe Niedersächsischer Selbsthilfegruppen ans Werk: Er suchte ein Schaufenster in bester Lage und arrangierte dort eine Ausstellung mit dem provozierenden Slogan „Heute schon geschnarcht?“ Heinen + Löwenstein, VitalAire und FLO Medizintechnik hatten Masken und Geräte zur Verfügung gestellt. Zur Eröffnung kamen prominente Gäste aus der regionalen Politikszene. Wagner möchte diese Idee als Wanderausstellung auch anderen Selbsthilfegruppen zur Verfügung stellen. Und zwar kostenlos! Kosten entstehen nur für den Transport des Materials wie z. B. Schilder und Schaufensterpuppen und die Einrichtung vor Ort. Wagner stellt auch Druckvorlagen für die Plakate und Einladungen bereit.

Kontakt: Reinhard Wagner, Tel.: 044121 31 852
E-Mail: asn@gmx.net, www.asn-schlafapnoe.de


15 Jahre erfolgreiche Arbeit in Sachsen
(von Joachim Russack)
Der Verein zur Selbsthilfe Schlafapnoe/ Schlafstörungen e. V. Sachsen wurde 1998 in Kamenz gegründet. Der Gedanke, einen Verein ins Leben zu rufen, wurde von den damaligen Patienten und dem Leiter des Schlaflabors gefasst, mit dem Ziel, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Die Schlafapnoetherapie war damals noch neu und überall gab es Probleme. Nun blicken wir auf eine recht erfolgreiche Arbeit in den letzten 15 Jahren zurück. Dank der Arbeit einzelner Mitglieder ist es gelungen, 14 Regionalgruppen in ganz Sachsen zu gründen. Inzwischen sind wir noch 11 Gruppen, und diese leisten aktive Selbsthilfegruppenarbeit. Schwierigkeiten gab es vor sechs Jahren mit der „Ausschreibung“ durch die AOK Sachsen. Diese Situation gibt es inzwischen bundesweit. In Sachsen haben sich mittlerweile die Wogen etwas geglättet und wir arbeiten gut mit den Krankenkassen vor Ort zusammen.
Für die Zukunft wünschen wir uns, dass eine solide Versorgung gesichert ist. Nicht Dumpingpreise sollten den Markt bestimmen, sondern wir wollen zufriedene Patienten mit einem ordentlichen Produkt. Dies setzt aber auch zufriedene Leistungserbringer voraus. Dies müssen die Verantwortlichen der Krankenkassen berücksichtigen.
Ferner wünschen wir Patienten eine geregelte Kontrolle unserer CPAP-Therapie bzw. des Krankheitsverlaufs. Allen Beteiligten muss klar sein, dass eine verschleppte bzw. unterlassene Kontrolle zu weiteren kostspieligen Krankheiten führt.
Wie in vielen Selbsthilfegruppen, gab es auch in unserem Verein Höhen und Tiefen. Manche Weggenossen sind nicht mehr unter uns und es stellt sich immer wieder die Frage, wer die Gruppe, den Verein weiterführen kann. Wir haben in Sachsen Lösungen gefunden. Im Herbst wurde ein neuer Vorstand gewählt.