Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2014

Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2014


Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn es um Bandscheiben-Operationen geht, steht Deutschland an der Spitze. Zum Teil liegt das vielleicht daran, dass Orthopäden zu schnell zum Skalpell greifen. Aber es gibt auch noch andere Gründe für das Volksleiden Rückenschmerzen. Wir verbringen ein Drittel unseres Lebens im Bett. Und ein schlechtes Bett kann den Rücken ganz schön ruinieren. Viele Menschen achten offenbar ausschließlich auf die Qualität der Matratze und übersehen, dass diese auf einer Unterfederung ruht. Matratze und Unterfederung machen im Zusammenspiel ein gutes Bettsystem aus. Dieses Thema wird etwas vernachlässigt. Wir möchten das mit dieser Ausgabe des Schlafmagazins ändern. Auf der letzten Jahrestagung der Schlafmediziner wurden erschreckende Daten zu Zusammenhängen zwischen schlafbezogenen Atemstörungen und verschiedenen anderen Erkrankungen vorgestellt. So weiß man inzwischen, dass Obstruktive Schlafapnoe (OSA) das Risiko für eine Niereninsuffizienz erhöht; Aneurysmen (krankhafte Aussackungen von Schlagadern) kommen bei OSA-Patienten gehäuft vor, und die Gerinnungsneigung ihres Blutes ist erhöht.

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Immer mehr Studien zeigen auch, dass es bei Patienten mit Schlafapnoe während oder nach einer Operation zu teilweise gefährlichen Komplikationen kommen kann. Diese Risiken steigen auf ein nicht vertretbares Maß, wenn die CPAP-Therapie vor der Operation unterbrochen wird. Leider sind Kliniken bisher noch zu wenig auf Schlafapnoe-Patienten eingestellt, wissen nicht genug über dieses Krankheitsbild und haben deshalb oft ein zu geringes Risikobewusstsein.

Das Restless-Legs-Syndrom und das Schlafapnoe-Syndrom sind beides häufige Erkrankungen. Wahrscheinlich ist auch die Kombination beider Erkrankungen so häufig, dass man von einem mehr als zufälligen Zusammentreffen ausgehen muss. Trotzdem gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, die sich mit dieser für die schlafmedizinische Praxis wichtigen Krankheitskombination beschäftigen. Prof. Sieb aus Stralsund hat für uns über dieses interessante Thema geschrieben.

Der Mond lässt uns irgendwie nicht los. Auch in dieser Ausgabe mussten wir einen Beitrag über ihn bringen. Kürzlich haben wir berichtet, dass Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen den Mondphasen und unserem Schlaf feststellen konnten. Jetzt heißt es aus dem Max-Planck-Institut: Die Wissenschaftler 

finden keinen Zusammenhang zwischen Mondphasen und Schlaf. Was also?

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre

Ihre

Dr. Magda Antonic

Das Schlafmagazin: Ausgabe 3/2014

Foto: © Noam Armonn/123rf.com
Inhalt

6 Viele Betten sind Folterinstrumente

10 Rückenprobleme können die Nacht zur Qual machen

12 Mit der richtigen Unterfederung die Liegequalität verbessern

12 Die innere Uhr besitzt ein metallenes Zahnrad

14 Warum treten Restless Legs und Schlafapnoe häufig gemeinsam auf?

18 Schlafapnoe kann Nierenschwäche, Aneurysmen und Blutgerinnsel mitverursachen

20 Schlafapnoe erhöht Risiko für Komplikationen bei operativen Eingriffen

21 Frühzeitige Diagnostik der Schlafapnoe kann Leben retten!

22 Schlafapnoe und Krebs

24 CPAP hilft gegen schlafapnoe-bedingte Potenzstörungen

26 Schmeißt eure CPAP-Geräte auf den Müll und alle Pillen dazu!

28 Warum gähnen wir?

 

30 REM-Schlaf-Verhaltensstörung häufig fehlinterpretiert

31 Der mündige Patient muss aktiv handeln!

32 Schlafprobleme bei Kindern und Jugendlichen

36 Beeinflusst der Mond unseren Schlaf?

38 Die Kunst einzuschlafen, oder: Die Kunst sich selbst Langeweile zu machen

40 Wie erholt man sich im Urlaub am besten?

42 Sonnenschutz für hellhäutige Menschen sehr wichtig

43 Allergien durch Insektenstiche

44 Dem Jetlag auf der Spur

46 Bürokratie-Groteske in Bayern: Am Atemschlauch sollt ihr sie erkennen!

47 Tipps von der AGR: Kinder und Rückenschmerzen

48 Verschiedenes

Wie man sich bettet …


Viele Betten sind Folterinstrumente

Werner Waldmann

Deutschland steht an der Spitze, was chirurgische Eingriffe an den Bandscheiben angeht. Liegt das daran, dass Orthopäden einfach zu schnell zum Skalpell greifen oder gibt es andere Gründe für das Volks-leiden Rückenschmerzen? Immerhin verbringen wir ein Drittel unseres Lebens im Bett. Und ein schlechtes Bett kann den Rücken ruinieren. Viele achten offenbar ausschließlich auf die Qualität der Matratze und übersehen, dass diese auf einer Unterlage, der Unterfederung ruht. Matratze und Unterfederung machen im Zusammenspiel ein gutes Bettsystem aus. Das haben viele noch nicht begriffen.

Rückenschmerzen gelten als Volksleiden Nummer eins. In rund 90 % aller Fälle sind die Beschwerden nach drei Monaten wieder verschwunden. Nur bei jedem zehnten Patienten wird der Rückenschmerz zur Dauerqual. Dann kommen Orthopäden, Radiologen und Chirurgen zum Zug. Und das ganz gehörig. Die Zahl der operativen Eingriffe an der Wirbelsäule ist in den vergangenen Jahren auf immer neue Rekordmarken angestiegen. Mittlerweile kommen in Deutschland mehrere Zehntausend Rücken unters Skalpell, Jahr für Jahr, und die Zahlen nehmen zu. In anderen Ländern ist man zurückhaltender mit der Operation. 

Die Deutschen: Weltmeister in Bandscheibenoperationen 

Der AOK-Krankenhausreport 2013 zeigt, dass die Zahl der Wirbelsäulenoperationen bei AOK-Patienten sich innerhalb von fünf Jahren (von 2005 bis 2010) verdoppelt hat. Die Orthopäden scheinen geradezu mit Leidenschaft an der Wirbelsäule zu operieren. Insgesamt 200000 Bandscheiben-OPs wurden zwischen 2005 und 2010 durchgeführt. Doch leider blieben 30 bis 45 % der Rückenoperationen ohne Erfolg. 

Vielleicht hat das aber auch noch andere Ursachen. Banale Ursachen. Ignoranz. Unsere eigene Ignoranz oder die Empfehlungen falscher Ratgeber. Es geht ums Bett. Denn jede Nacht ist zum Schlafen da. Wie man sich bettet, so schläft man. Und es ist zu fürchten, dass sich die meisten Deutschen miserabel betten. Selbst dann noch, wenn sie teure Matratzen kaufen.

Die Sehnsucht nach der perfekten Matratze

Ein kluger Leser hat mich auf ein Problem aufmerksam gemacht, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Seine Vermutung: Da wird ein Rückenschmerzpatient operiert. Und alsbald geht das Theater von neuem los. Das Geld zum Fenster rausgeworfen, und die Operation war auch kein Vergnügen. Die übliche Schlussfolgerung, auch in den Medien: Die Orthopäden sind es, die ihre Patienten völlig überflüssigerweise in den OP bringen. Die Krankenkassen greifen diesen Vorwurf gerne auf, denn sie müssen an allen Ecken und Enden sparen. Bandscheibenoperationen sind für Kliniken aber nun einmal lukrativ. Mag sein, dass geldwerte Eingriffe gerne vorgenommen werden, doch daran trägt unsere Gesundheitspolitik die Schuld; sie hat uns das australische System der Pauschalhonorierung des ärztlichen Tuns, die Fallpauschalen (DRGs) aufgezwungen.  

Unser Leser vermutet nun, dass es vielleicht in vielen Fällen auch am heimischen Bett liegen kann, wenn die Operierten sich zu Hause gleich wieder ihr Kreuz ruinieren.  

Macht eine gute Matratze alleine wirklich selig?

„Allnächtliche Schmerztreiber sind besonders die Bettroste“, schreibt unser Leser, „mit fehlverstellten Mittelzonen, sowie Kopf- und Fußteilen. Ein Bettroste-Test könnte sofort viel Ungemach bewahren helfen ...“ Nur ein solcher aktueller Test existiert offenbar nicht. 

Doch nein, das kann nicht sein. Wir haben ja die Stiftung Warentest, eine staatlich initiierte und vom Steuerzahler subventionierte neutrale Test-einrichtung, deren Testberichte fast schon einem vatikanischen Dogma gleichen, also einer grundlegenden, normativen Wahrheit, die als unumstößlich gilt. 

Die Experten der Stiftung haben ihre Meinung, andere Experten vertreten andere Ansichten. Das läuft ähnlich wie beim Thema Klimawandel. Jeder sieht das anders, jede Seite mit guten Argumenten. Unmengen von Gutachten renommierter (!) Experten kommen oft zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen. Das mag auch damit zusammenhängen, wer ein Gutachten in Auftrag gegeben hat und welches Ziel damit verknüpft ist bzw. welches Interesse dahinter steht.

Deutsche Rücken leiden unnötig

Unser Leser meint: „Die Stiftung Warentest überbewertet Matratzen durch einseitige Matratzentests ohne das tragende Fundament einem erneuten Test zu unterziehen.

Diese einseitigen Matratzentests, ohne Bettrost-Test veränderten das Bettenkaufverhalten der Deutschen im Laufe von mehr als 30 Jahren grundlegend. Bettrost-Konstruktionsfehler, seit über 30 Jahren weiterhin produziert, erzeugen auch heute noch Beckenschiefstände und Dauerschmerzen, nach dem Testurteil der Stiftung Warentest – Testurteil GUT – aus grauer Vorzeit.“  

Unser Leser nimmt die Stiftung Warentest ernst und fordert von ihr endlich einen aktuellen Bettrost-Test. Die Enthaltsamkeit der Stiftung in Sachen Bettrost-Test, so unser Leser, sei „ursächlich zur Gesundheitsfalle“ geworden. Begründung: „Über 90 % aller Käufer wünschen sich bei Rückenschmerzen eine neue Matratze.“ Unser Leser zieht die Schlussfolgerung: „Damit ist das bettbedingte Einkaufsverhalten durch die Stiftung einseitig, vorrangig auf die Matratzen gelenkt worden. Dadurch wurden letztlich Matratzen fälschlicherweise völlig überberwertet.“ Und weiter: „Fehlverstellbare Bettroste-Mittelzonen (ohne ausreichende Erklärung werden solche Zonen oft unwissentlich fehlverstellt), sowie anatomisch unsinnige Bettrostverstellmöglichkeiten werden als ungetestete Liegebasis weiterhin angeboten und sogar heute noch produziert, wie vor über 30 Jahren; anatomiefeindlich, schmerzauslösend, unergonomisch – ohne einen aktuellen Test!“

Wir befragten die Stiftung Warentest, weshalb sie sich so herzlich wenig um die Unterfederung, also die Unterlage, auf der die Matratze ruht, kümmert. Hier die Antwort:

„Es ist richtig, dass die Unterkonstruktion mit der Matratze eine Einheit bildet. Der Grad der gegenseitigen Beeinflussung dieser beiden Bettkomponenten ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich ist er von der Bauhöhe der verwendeten Matratze abhängig. Untersuchungen unseres Prüflabors zeigen, dass die Verwendung einer Unterfederung keine zwingende Verbesserung der Liegeeigenschaften bewirkt. In der Mehrzahl der Fälle verschlechtern sich durch deren Verwendung die Ab-stützeigenschaften der Matratze. Das hatte sich auch bei einer Untersuchung der Stiftung von Matratzensystemen in den 90iger Jahren bestätigt.“ Na ja, das ist schon eine Ewigkeit her und kein Grund, einen erneuten Test zu unterlassen. 

Die Stiftung räumt aber ein: „Unbestritten sind die Vorteile insbesondere eines verstellbaren Lattenrostes bei Bettlägerigkeit. Aber auch beim Lesen oder Fernsehen im Bett bietet eine solche Konstruktion Vorteile. Von einigen Nutzern wird auch die verstärkte Schwingungsbereitschaft als komfortabel empfunden.“ 

Allerdings bleiben die amtlichen Tester stur, wenn es um den Zusammenhang zwischen Unterlage und Matratze geht: „Ein direkter Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und dem Fehlen einer federnden Unterkonstruktion ist unserem Wissen nach nicht bekannt.“ 

Richtig: Doch gerade dieser Frage sollte die Stiftung nachgehen. In der Tat gibt es wohl international keine Studie, die den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und dem verwendeten Bett – bestehend aus Unterfederung und Matratze – wissenschaftlich untersucht. Insofern kann  die Stiftung Warentest behaupten, was sie will. Doch sie ist keine wissenschaftliche, sondern eine politische Institution, mit einem Auftrag, dem unmündigen, hilflosen und unwissenden Bürger zu helfen, gute Kaufentscheidungen zu treffen. Und gerade deshalb ist es ihre Pflicht, das Zusammenspiel von Unterfederung und Matratze erneut zu prüfen.

Eine „unwissenschaftliche“ Untersuchung

Ein renommierter Hersteller von Bettsystemen führte 2009 und 2013 Testschläfer-Studien durch, bei denen zweimal je rund 250 Personen mit Rückenproblemen und schlechter Schlafqualität vier Wochen lang auf einem bestimmten Bettsystem (also Matratze plus dazu passender Unterfederung) schliefen. 

Die Versuchspersonen dokumentierten vor Testbeginn auf einer Skala von 1–10, wie häufig sie morgens unter Rückenschmerzen litten und wie sie die eigene Schlafqualität beurteilten. Nach vier Wochen Testschlaf auf dem getesteten Bettsystem wurde mit der Skala die Schlafqualität erneut abgefragt. Bei etwa 95 % der Teilnehmer hatten sich die Rückenschmerzen deutlich verringert und die Schlafqualität erheblich verbessert. Die Ergebnisse wurden von zwei unabhängigen Wissenschaftlern geprüft und bestätigt.

Einen Haken hatte dieser Test allerdings, was das testende Unternehmen keinesfalls verschwieg.  Um wissenschaftlich bestehen zu können, fehlte der Gegentest: Auf eine Kontrollgruppe wurde verzichtet, die Versuchspersonen hatten keine Möglichkeit, ein anderes Bettsystem unter gleichen Bedingungen auszuprobieren. Das Unternehmen, das diesen Test durchführte, war sich im Klaren darüber, dass es problematisch gewesen wäre, nur ein einziges alternatives System in den Test einzubeziehen. Wissenschaftlicher Objektivität geschuldet, hätten es gleich mehrere alternative Systeme sein müssen. Ein Riesenaufwand! Und schließlich: Wie würden bei einer Publikation die Hersteller der „Verlierer-Systeme“ reagieren? Doch für die Stiftung Warentest als neutral agierende Prüfinstanz wäre ein solcher Test möglich, sinnvoll und dringlich.

Und wo bleibt die Stiftung Warentest?

Warum das Miteinander von Unterfederung und Matratze in den bisherigen Tests der Stiftung (oder habe ich da was verpasst?) seit langem keine Beachtung fand – ein Rätsel. Da also lässt uns die Stiftung bislang alleine. Die Einschätzung der Stiftung, dass Matratze und Unterfederung fast keine Rolle für eine gute Schlafqualität spiele, ist eine Ausrede. 

Wie falsch diese Einschätzung ist, zeigen sowohl vergleichende Liegetests der Matratzen auf unterschiedlichen Unterfederungen als auch simple Messungen von Kraft/Weg-Diagrammen von Matratzen auf verschiedenen Unterfederungen. Eine unstrittige Erkenntnis, die die Stiftung Warentest nicht berücksichtigt, weil entsprechende Tests wohl zu aufwendig sind. 

Wenn die Stiftung uns nicht hilft, wer tut es dann?

Wir können nur hoffen, an einen Bettenfachhändler zu geraten, der seinen Job wirklich versteht und nicht nur, wie’s außen am Schaufenster heißt, Matratzen zum Schnäppchenpreis anbiedert. 

Wer bandscheibengeschädigt ist oder gar bereits eine Operation hinter sich hat, der tut gut daran, ordentlich in sein Bettsystem zu investieren. Lieber den Flachbildmonitor eine Nummer kleiner oder sich bei gastronomischen Leckereien mehr zurückhalten.

Wenn ein Kunde ins Bettengeschäft kommt und wegen seiner Rückenschmerzen eine neue Matratze sucht, muss ihm klargemacht werden, dass ihm das nicht viel hilft, wenn er kein adäquates Bettsystem besitzt, in dem alle Einzelelemente genau aufeinander abgestimmt sind.

Dass die Matratze alles richten soll – wer’s glaubt, dem ist nicht zu helfen 

Heute gibt es alles Mögliche im Angebot. Erstaunlicherweise auch noch die traditionellen Lattenroste aus Federholz, Kombinationen aus Holzleisten und Kunststofftellerchen und tolle Konstruktionen, deren gesamte Fläche aus flexiblen Sensorflügelchen besteht. Eine gut durchdachte, intelligente Matratze gehört natürlich dazu, aus Latexschaum oder flexiblem Kaltschaum. Doch die Unterfederung ist die Basis (eigentlich logisch?), um die Anpassungsmöglichkeiten moderner Matratzen für die jeweiligen Körperzonen zu unterstützen – damit wir, sagen wir’s poetisch, im Bett nicht mehr liegen, sondern schweben. 

Natürlich hat sich die Bettenindustrie noch viele andere Kombinationen ausgedacht: Etwa Boxspringbetten – Rahmen aus Massivholz, die die Federung umschließen. Darauf liegt die Matratze und obenauf noch ein Topper. Ein Superschlafsystem, meistens traumhaft teuer, in Edelhotels anzutreffen und natürlich auch 

auf Kreuzfahrtschiffen (die Titanic prahlte einst mit diesen Luxusliegestätten). Individuell an den Schläfer anpassen lassen sich diese Systeme nicht, doch sie bieten einen guten Kompromiss: sinnvoll für Übernachtungsmöglichkeiten, wo man jedwedem Gast mit seinen individuellen Ansprüchen irgendwie gerecht werden muss.

Geschwisterchen für den seligen Schlaf: Unterfederung und Matratze

Halten wir fest: Unterfederung und Matratze müssen kongenial zusammenwirken, um die Wirbelsäule die ganze lange Nacht hindurch bequem und ergonomisch zu lagern. Ein gutes Bett muss individuell auf seinen Schläfer zugeschnitten sein. Die selbstregulierende Unterfederung, wie sie von einigen Premiumherstellern angeboten wird, lässt sich auf Leichtgewichte ebenso abstimmen wie auf XXL-Schläfer, auf alle Körperformen, auf besondere Liegegewohnheiten. Menschen, die an Reflux leiden, hilft ein langes Rückenteil. Für Herz-Kreislauf-Geschädigte sollte sich das Oberteil anheben lassen. Superbetten mit Motorrahmen erlauben es, auch mal die Beine höher zu lagern oder fast aufrecht im Bett sitzend zu lesen. Man sieht: Das ideale Bett, das der Wirbelsäule keinen Ärger bereitet, braucht eine exzellente Matratze – aber eben auch eine gut durchdachte, intelligente Unterfederung.

Und was soll der Bettenkäufer jetzt glauben und tun?

Das Thema ist komplex. Daran kann man sich die Zähne ausbeißen. Ich bin kein Bettenfachmann und auch kein Redakteur der Stiftung. Dennoch wage ich ein Fazit: Unser Leser, der diesen Beitrag initiiert hat, hat mit der Stiftung Warentest kommuniziert und vehement auch einen Test der Unterfederung gefordert. Eigentlich logisch, nur hielt der verantwortliche Redakteur dies wohl für überflüssig. 

Ein Testredakteur müsste eigentlich grundsätzlich neugierig sein und jeder Fragestellung nachgehen, selbst wenn sie sich als irrelevant herausstellen sollte. Wir braven deutschen Bürger fragen uns aber dennoch, weshalb die Stiftung einfach über diese Fragestellung hinweggeht? Was taugen diverse Unterfederungen? Wie muss man diese im Zusammenspiel mit den Matratzen bewerten? Zugegeben: Es ist eine Menge Arbeit, viele Unterfederungssysteme mit noch mehr Matratzen in diversen Kombinationen zu testen. Vielleicht eine Herkulesaufgabe für die Stiftung in Zeiten magerer Budgets? Dann lässt man’s lieber und traktiert die gläubige Leserschaft mit weiteren Matratzentests. 

Nur: Der mündige Verbraucher muss auch der Stiftung Warentest nicht unbesehen alles abnehmen, was sie da publiziert.

Jedenfalls möchte ich unserem Leser herzlich dafür danken, dass er dieses Thema der bislang ignorierten Unterfederung in die Diskussion eingebracht hat. Wir wollen das weiterverfolgen und Experten und Schläfer mit und ohne Rückenschmerzen um Erfahrungsberichte bitten. Das ist kein Test. Wir wollen unseren gesunden Menschenverstand und unseren Rücken befragen und sind natürlich auch gespannt auf die Reaktion der Stiftung Warentest. 

PS: Am besten kann man selbst beurteilen, ob das neue Bettsystem okay ist. Beim Kauf muss man Zeit mitbringen, viel Zeit. Die Schuhe ausziehen und die Matratze mit der individuell eingestellten Nackenstütze ausprobieren. Den Laptop kann man im Supermarkt einfach so mitnehmen. Bettenkauf aber ist wirklich Vertrauenssache; dazu braucht man einen Berater, der nicht nur gut verkaufen kann, sondern auch etwas vom Liegen versteht.

Es soll übrigens exzellente Bettenfachhändler geben, die ihren Kunden das Bettsystem für einige Zeit zur Probe überlassen.

Schlafapnoe und Krebs

Anne Greveling

Dass Schlafapnoiker häufiger Krebs bekommen, ergab die Wisconsin-Schlafkohorte (1), eine große Studie mit über 1500 Teilnehmern, bei denen neben anderen Parametern 22 Jahre lang auch die Todesursachen erfasst wurden. Bei der Aufnahme in die Studie wurden alle Probanden mittels Polysomnografie auf das Vorliegen einer obstruktiven Schlafapnoe untersucht. Dann wurde für sämtliche Schlafapnoe-Schweregrade gesondert analysiert, wie häufig die Studienteilnehmer an Krebserkrankungen starben. 

Das Ergebnis war erschreckend: Menschen mit mittelschwerer Schlafapnoe (Apnoe-Hypopnoe-Index 15 bis 30) hatten ein doppelt so hohes, Patienten mit schwerer Schlafapnoe (AHI über 30) sogar ein fast fünfmal so hohes Risiko, an Krebs zu sterben. Bei leichter Schlafapnoe (AHI 5 bis 15) war das Risiko nur geringfügig erhöht.  

Wie kann Schlafapnoe die Krebsentstehung begünstigen?

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Wissenschaftler in einer Untersuchung an Mäusen (2), bei der man die Tiere wiederholtem Sauerstoffmangel (also einer ähnlichen Situation wie bei nächtlichen Atemstillständen) aussetzte: Das Experiment zeigte, dass unter solchen Bedingungen vermehrt freie Sauerstoffradikale entstehen. Und die spielen bei der Entstehung von Krebserkrankungen eine wichtige Rolle. Außerdem schütteten die Körper der Mäuse bei wiederholtem Sauerstoffmangel besonders viele Substanzen aus, die das Tumorwachstum beschleunigen und die Angiogenese (Neubildung von Blutgefäßen, welche den Tumor mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen) förderten.

Diese beiden Untersuchungen deuten stark darauf hin, dass Schlafapnoe-Patienten häufiger an Krebs sterben. Ob Schlafapnoiker aber auch öfter Krebs bekommen als schlafgesunde Menschen, wusste bis vor kurzem noch niemand. 

Diese wichtige Wissenslücke schlossen spanische Wissenschaftler in einer 2013 erschienenen großen Studie (3) mit fast 5000 Teilnehmern. Die Forscher führten bei allen Probanden eine Polygrafie oder Polysomnografie durch. Sowohl der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) als auch der prozentuale Anteil des Nachtschlafs, in dem die Sauerstoffsättigung unter 90 % lag (TSat90), wurden ermittelt. Dann wurden die Teilnehmer im Durchschnitt viereinhalb Jahre lang beobachtet, um festzustellen, ob bei ihnen während dieser Zeit eine Krebserkrankung auftrat. 

Am Ende des Beobachtungszeitraums waren rund 260 Patienten an Krebs erkrankt. Die häufigsten Tumorarten waren Darm-, Prostata-, Lungen- und Brustkrebs. Und die Untersuchung hat tatsächlich ergeben, dass Menschen mit Schlafapnoe offenbar häufiger Krebs bekommen; dies traf in der Studie jedoch nur für Männer unter 65 Jahren zu. 

Sauerstoffentsättigungen sind die größte Gefahr

Entscheidend für das erhöhte Krebsrisiko war übrigens nicht der AHI, sondern die Häufigkeit der Sauerstoffentsättigungen (TSat90): Patienten, bei denen die Sauerstoffsättigung in mehr als 12 % ihrer Nachtschlafzeit unter 90 % lag, hatten ein doppelt so hohes Risiko, an Krebs zu erkranken, wie schlafgesunde Studienteilnehmer. Bei noch höheren TSat90-Werten stieg das Krebsrisiko weiter an. Dies deckt sich mit den oben beschriebenen Untersuchungen an Mäusen, bei denen wiederholter Sauerstoffmangel ebenfalls eine krebsfördernde Wirkung zeigte. 

Die Autoren vermuten daher, dass Sauerstoffentsättigungen ein aussagekräftigeres Kriterium für die Höhe des Krebsrisikos bei Schlafapnoikern sind als der AHI. 

Ob eine CPAP-Therapie dieses Risiko senkt, konnte im Rahmen der Studie leider nicht festgestellt werden. Dazu sollten unbedingt noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, meinen die Autoren.  

Warum nur jüngere Patienten – und warum nur Männer?

Ebenfalls ungeklärt ist, weshalb Schlafapnoe das Krebsrisiko nur bei jüngeren Patienten erhöht, nicht aber bei Menschen über 65 Jahren. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Situation bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr ähnlich ist: Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Schlafapnoe bei älteren Menschen im Gegensatz zu jüngeren offenbar nicht das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht. Es könnte sein, dass Schlafapnoiker im Lauf der Zeit Schutz- und Anpassungsmechanismen entwickeln, die sie vor den schädlichen Auswirkungen des Sauerstoffmangels schützen. Diese Schutzwirkung könnte auch dafür verantwortlich sein, dass ältere Schlafapnoe-Patienten kein erhöhtes Krebsrisiko haben. Genaueres weiß man darüber aber noch nicht.

Und warum tragen nur die bedauernswerten Herren der Schöpfung ein höheres Krebsrisiko, wenn sie nachts schnarchen und 

Atemaussetzer haben, nicht aber die Frauen? Auch darüber können die Autoren nur Vermutungen anstellen: Vielleicht reagiert der Körper der Frau anders auf Sauerstoffmangel als der des Mannes? Außerdem nahmen an der Studie mehr Männer (66,7 %) als Frauen teil. Auch das kann dazu geführt haben, dass im Rahmen des Beobachtungszeitraums dann eben mehr Männer an Krebs erkrankten. 

Diese spanische Studie ist die erste Untersuchung, die zeigt, dass Schlafapnoiker eher Gefahr laufen, an Krebs zu erkranken. Natürlich wurden die wichtigsten Risikofaktoren für Krebserkrankungen (Rauchen, Alkoholkonsum, Fettleibigkeit, Alter usw.) aus den Ergebnissen der Studie „herausgerechnet“, sodass man davon ausgehen kann, dass Schlafapnoe wirklich ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Tumorerkrankungen ist.  „Weitere Studien“ – so die Autoren – „sollten diesen Zusammenhang erhärten und untersuchen, ob bestimmte Krebsarten oder -subtypen 

besonders häufig mit dieser schlafbezogenen Erkrankung einhergehen. Außerdem sollten sie abklären, mit welchen polysomnografischen Parametern sich dieser Kausalzusammenhang am besten abbilden lässt und ab welchen Schwellenwerten man von einem erhöhten Krebsrisiko ausgehen kann. Und sie sollten auch feststellen, ob Frauen und ältere Menschen mit Schlafapnoe wirklich davor geschützt sind.“

Und natürlich wollen wir auch wissen, ob eine CPAP-Therapie vor Krebs schützt. Dazu müsste man im Rahmen einer Studie behandelte und untherapierte Schlafapnoe-Patienten miteinander vergleichen. 

 

(1) Nieto FJ, Peppard PE, Young T et al.: Sleep disordered breathing and cancer mortality. Am J Respir Crit Care Med 2012; 186: Seite 190–194

(2) Almendros I, Montserrat JM, Ramírez J et al.: Intermittent hypoxia enhances cancer progression in a mouse model of sleep apnoea. Eur Respir J 2012; 39: Seite 215–217

(3) Campos-Rodriguez F, Martinez-Garcia MA, Martinez M et al.: Spanish Sleep Network. Association between obstructive sleep apnea and cancer incidence in a large multicenter Spanish cohort. Am J Respir Crit Care Med 2013; 187: Seite 99–105