Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2021

Das Schlafmagazin: Ausgabe 1/2021


Liebe Leserin, lieber Leser,

die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), fand letztes Jahr virtuell statt – wie so viele Veranstaltungen. Im Mittelpunkt stand das Thema „Schlaf und Arbeit“ – nicht ohne Grund, denn Stress und Existenzsorgen gehören zu den Hauptursachen für Ein- und Durchschlafstörungen. Und gerade unser modernes Arbeitsleben mit seinem wachsenden Zwang, zu Zeiten zu arbeiten oder beruflich erreichbar zu sein, in denen unser Körper auf Erholung und Regeneration programmiert ist, ist einem erholsamen Schlaf nicht gerade zuträglich. Aber auch andere wichtige Aspekte des Schlafs kamen nicht zu kurz: zum Beispiel die Frage, was bei einer leichten obstruktiven Schlafapnoe zu tun ist – soll man sie behandeln, und wenn ja, wie? Weitere interessante Vorträge waren dem Thema Schlaf und Fahrtüchtigkeit im höheren Alter, der Telemedizin und der naturheilkundlichen Behandlung von Schlafstörungen gewidmet.

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Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie hier im Schlafmagazin zusammengefasst. Auch für uns war das eine Premiere: Einen Fachkongress über mehrere Tage am Bildschirm zu verfolgen, ist ganz schön anstrengend und einfach eine ganz andere, nüchterne Atmosphäre im Vergleich zu den Präsenzveranstaltungen vergangener Jahre, wo es persönliche Gespräche, Applaus, einen Kaffee in der Pause gab.
Seit Januar dieses Jahres bietet die neurologische Rehabilitationsklinik Medical Park Reithofpark in Bad Feilnbach eine dreiwöchige Reha für Patienten mit nicht-organischer Insomnie an. Das Programm besteht in einer Kombination aus Aufklärung zum Thema Schlaf und Schlafstörungen, Verhaltens- und Bewegungstherapie. Wir stellen das Angebot vor.
Leider gibt es nach wie vor viel zu wenige Behandlungsangebote für Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien). Daher werden immer mehr Online-Therapien für Insomniker entwickelt. Ein solches von Schlafmedizinern entwickeltes Programm wird nun im Rahmen einer Studie getestet. Sie können daran teilnehmen.
Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben gewaltig auf den Kopf gestellt. Es gibt wohl wenig positive Aspekte, die sie mit sich gebracht hat. Einer davon ist jedoch die Telemedizin. Die enormen Möglichkeiten, die die Telemedizin für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen – auch in der Schlafmedizin – bietet, wurden bisher kaum genutzt. Jetzt scheint es damit endlich vorwärtszugehen. Schuld daran ist ausgerechnet eine der größten Katastrophen aller Zeiten.

Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre und: Bleiben Sie gesund!


Dr. Magda Antonic


Coverbild: © janista/Shutterstock

Das nächste Schlafmagazin erscheint im Mai 2021
Inhalt

6 Die virtuelle DGSM-Jahrestagung 2020

8 Zu lange Arbeitszeiten schaden der Gesundheit und stören den Schlaf 

10 Soll man eine leichtgradige Schlafapnoe behandeln?

14 Schlafstörungen naturheilkundlich behandeln

16 Kann man in höherem Alter noch Auto fahren?

19 Zeitgemäße Schlafapnoe-Versorgung: Wunsch und Wirklichkeit

20 Schlaf im Alter: Was tun gegen die „senile Bettflucht“?

23 Schlaf und Bluthochdruck

25 Intensivstation mit Sternenhimmel:
Natürliche Lichtverhältnisse beschleunigen Heilungsprozess

26 Neues Reha-Programm für Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen

32 Ein Innovationsmotor für die Schlafmedizin?
Telemedizin und künstliche Intelligenz

   

36 GET Sleep – ein Stufenmodell für die Behandlung chronischer Schlafstörungen

38 Schlafapnoiker und Narkoleptiker können aufatmen:
Wirksames neues Medikament gegen Tagesschläfrigkeit zugelassen

40 Sieben Gründe, warum Ihr Bett die Ursache Ihrer Rückenschmerzen sein kann

42 Corona und anderen Atemwegsinfektionen vorbeugen:
„AHA“ allein reicht nicht immer aus 

44 Gesünder leben – besser schlafen – Burnout vorbeugen:
„Mein-bleib-gesund-Buch“ 

45 Melatonin: doch nicht ganz so ohne … 

46 Lockdown und Klinikschließungen – der unfassbare Widerspruch!
Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ gegründet!

48 Klimawandel im Bett: Ist Nacktschlafen gesund?

Akupunktur – Aromatherapie – Kneipp:


Schlafstörungen naturheilkundlich behandeln

Anne Greveling

Schlafstörungen wirken sich sehr negativ auf die Gesundheit aus: Sie begünstigen nicht nur die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen, sondern schwächen auch das Immunsystem, sodass man anfälliger für Infektionen wird. Sogar die Wirkung von Impfungen lässt nach, wenn man in der Nacht danach schlecht schläft. Nicht immer muss man bei gestörtem Schlaf gleich zu Medikamenten greifen: Es gibt auch viele naturheilkundliche Methoden, die uns zu sanftem Schlummer verhelfen können. Darüber berichtete Prof. Dr. Gustav Dobos, Leiter der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin (Kliniken Essen-Mitte), in seinem Vortrag bei der letzten Jahrestagung der DGSM.

Vor allem für Menschen, die eine Krebserkrankung durchgemacht haben, ist ausreichender, erholsamer Schlaf wichtig: Er verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern verlängert nachweislich sogar das Leben. Und gerade Krebspatienten, die schlecht schlafen, ziehen häufig nicht-medikamentöse Schlafhilfen vor.
Manchmal können uns schon ganz einfache Hausmittel ins Reich der Träume versetzen: An der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin in Essen erhalten schlafgestörte Patienten zum Beispiel warme Fußbäder mit Lavendelbademilch oder werden vor dem Schlafengehen mit „nassen Socken“ behandelt. Das ist ein uraltes Kneipp’sches Verfahren, bei dem man Baumwoll- oder Leinensocken in kaltes Wasser taucht, auswringt, anzieht und ein Paar warme, trockene Wollsocken darüberstreift. Anfangs ist das Kältegefühl ein bisschen unangenehm – doch danach schläft man herrlich.
Ein anderes naturheilkundliches Mittel, das gegen Angst- und Unruhezustände hilft, den Blutdruck senkt und das Einschlafen erleichtert, ist die Lavendelherzauflage:

  • Creme mit Lavendelöl dünn auf ein 12 x 12 cm großes Tuch streichen
  • Das Tuch auf einer Wärmflasche leicht erwärmen und auf die Herzgegend legen
  • Mit einem weiteren Tuch abdecken
  • Mindestens eine Stunde, eventuell die ganze Nacht lang einwirken lassen


Auch Aromatherapie ist ein sanftes Mittel gegen Schlafstörungen. Besonders praktisch sind die sogenannten Aromasticks: Riechstifte mit verschiedenen beruhigend wirkenden ätherischen Ölen wie Bergamotte, Sandelholz, Weihrauch, Mandarine und Lavendel.

Akupunktur verbessert den Schlaf und lindert Schmerzen
Ein uraltes chinesisches Heilverfahren – die Akupunktur, bei der Nadeln in verschiedene Punkte des Körpers gesteckt werden – hat sich in klinischen Studien vor allem bei der Behandlung von Krebspatienten mit gestörtem Schlaf bewährt.
Fast 60 % aller Menschen, die an Krebs leiden oder schon einmal eine Krebserkrankung durchgemacht haben, schlafen schlecht. Werden diese Schlafstörungen nicht richtig behandelt, so können sie chronisch werden und sich negativ auf die körperliche und psychische Verfassung der Patienten auswirken.
In einer Studie aus dem Jahr 2019 wurden 80 schlafgestörte Krebspatienten zweimal wöchentlich mit Körperakupunktur behandelt. Die anderen 80 Patienten erhielten eine kognitive Verhaltenstherapie gegen Insomnie – die derzeitige Standardbehandlung für Menschen mit Ein- und Durchschlafstörungen. Die Verhaltenstherapie umfasste verschiedene nicht-medikamentöse Verfahren wie Schlafrestriktion (Verkürzung der Bettzeit), Entspannungstraining und Umstrukturierung negativer Gedanken. Wie die Studie gezeigt hat, war die Verhaltenstherapie zwar etwas wirksamer als die Akupunkturbehandlung; doch auch durch die Akupunktur besserten sich die Schlafstörungen deutlich. Außerdem war die Akupunktur in der Behandlung von Schmerzen wirksamer. Gegen die Fatigue, unter der viele Krebspatienten leiden, halfen beide Behandlungsverfahren gleich gut.
Die Autoren der Studie empfehlen daher, die kognitive Verhaltenstherapie bei Patienten mit Schlafstörungen als Erstlinientherapie einzusetzen; wenn die Patienten jedoch gleichzeitig unter Schmerzen leiden, sollte man sie lieber mit Akupunktur behandeln, da diese zusätzlich zur schlaffördernden auch noch eine schmerzlindernde Wirkung hat. Im Übrigen ist natürlich auch zu bedenken, dass jeder Mensch andere Präferenzen hat: Die kognitive Verhaltenstherapie verlangt viel Eigeninitiative vom Patienten, der die im Rahmen der Therapie erlernten Strategien zur Verbesserung seines Schlafs regelmäßig zu Hause umsetzen muss, was nicht jedermanns Sache ist. Außerdem gibt es nach wie vor zu wenige Therapeuten, die sich in dieser Behandlungsmethode auskennen.(1)
Auch Ohrakupunktur wirkt gut gegen Ein- und Durchschlafstörungen und half in einer Studie an schlafgestörten Frauen nach Brustkrebs außerdem gegen Stress, Angstsymptome und Erschöpfung. Die Ohrakupunktur ist ein Teilgebiet der Akupunktur, bei der die Nadeln in Reaktionspunkte an der Ohrmuschel eingestochen werden. Außer bei Schlafstörungen wird sie unter anderem bei Allergien, in der Schmerztherapie und Suchtbehandlung erfolgreich eingesetzt.

Und wie steht es mit Hopfen, Baldrian & Co.?
Viele schlafgestörte Menschen setzen auf pflanzliche Heilmittel wie Hopfen, Baldrian, Melisse oder Passionsblume, die es in verschiedenen Zubereitungen (Tees, Tinkturen oder Tabletten) gibt. Wissenschaftliche Untersuchungen zur schlaffördernden Wirkung solcher Mittel liegen bisher allerdings nur für Baldrianpräparate vor. Wer es also mit pflanzlichen Mitteln versuchen möchte, sollte Präparate mit hohem Baldriananteil bevorzugen. Normalerweise helfen solche Mittel allerdings nur gegen leichte Schlafstörungen.

 


Literatur
1) Garland SN et al.: Acupuncture Versus Cognitive Behavioral Therapy for Insomnia in Cancer Survivors: A Randomized Clinical Trial. J Natl Cancer Inst. 2019 Dec; 111(12): 1323–1331. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6910189/